Schallplatten Schwarzes Gold auf dem Plattenteller

Die Technik mag überholt sein, für Sammler und Musikliebhaber bleiben Vinylplatten aber die erste Wahl.

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Besonders wenn es um Schallplatten der Beatles geht, wird es teuer Quelle: AP

Die britische Punkband Sex Pistols hat einigen Fans eine Rendite beschert, von der Aktionäre nur träumen können: Kaufkraftbereinigt 80 000 Prozent binnen 24 Jahren. 1977 hatte die Band beim britischen Label A&M einen Plattenvertrag unterschrieben. Im A&M-Studio nahmen die Sex Pistols die Single „God Save the Queen“ auf, einen rotzigen Abgesang auf das England der Siebzigerjahre.

Doch die Freude über Vertrag und Platte hielt nur kurz an. Weil die Band im Studio randalierte und einem guten Bekannten des Labelchefs Prügel androhte, machte A&M kurzen Prozess und setzte die Punkkapelle nach zehn Tagen vor die Tür. Sämtliche Tonträger, die noch nicht in den Handel gekommen waren, wurden eingestampft. Nur eine Handvoll Singles überlebte das kurze A&M-Zwischenspiel. Wer heute ein Original-Exemplar besitzt, kann sich glücklich schätzen: Das britische Sammlermagazin „Record Collectors“ taxiert den Wert der Aufnahme auf 8000 Pfund (9120 Euro).

Die schwarzen Kunststoffplatten von gestern sind heute in vielen Fällen zu begehrten Sammlerstücken geworden. Grundsätzlich gilt, wie bei jedem Sammelgegenstand: je exklusiver, desto wertvoller. Bei Platten sind vergriffene Originalpressungen, Sonderauflagen, Fehldrucke oder Farbpressungen daher gefragter als Massenware.

Fünfstellige Beträge auf Auktionen

Den Sammlerwert der Tonträger hat mittlerweile auch das britische Auktionshaus Christie’s entdeckt. Bei 1250 Pfund fiel im Juni für die Rock-Oper „Tommy“ von The Who der Hammer, 1625 Pfund brachte das Album „London Calling“ von The Clash. Richtig teuer wird es, wenn die Beatles im Spiel sind. Eine signierte Kopie des Albums „Love Me Do/P.S. I Love You“ wechselte im Juni für 12 500 Pfund den Besitzer, das John-Lennon-Soloalbum „Double Fantasy“ brachte es gar auf 23.750 Pfund.

Top-Aktionen bei Christie's: Ein Album von

Wertvollstes Pilzkopf-Album ist laut Sammlerfibel „Record Collectors“ der Sampler „Yesterday And Today“. Als die Plattenfirma das Album 1966 in den USA auf den Markt brachte, gab es dort in der Öffentlichkeit einen kollektiven Aufschrei. Nicht die Musik brachte dabei die Amerikaner zum Kochen, sondern die Covergestaltung. In blutverschmierten Metzgerkitteln, behangen mit Fleischbrocken und umgeben von zerstückelten Babypuppen, lächelten die vier aus Liverpool in die Kamera. Die US-Medien schimpften wochenlang über das „geschmacklose“ und „unzumutbare“ Artwork. Die Plattenfirma reagierte und zog das Album zurück. Um Kosten zu sparen, wurde die Plattenhülle jedoch nicht neu produziert, sondern lediglich mit einem Ersatzcover überklebt. Den Wert der wenigen Platten, die noch mit dem Originalbild ausgeliefert wurden, schätzt Record Collectors auf mehrere Zehntausend britische Pfund.

Vinyl klingt besser

Die alte Schallplatte hält sich wacker, der Absatz hat sich in den vergangenen vier Jahren verfünffacht. Quelle: dpa

Wer gezielt in Platten investieren will, sollte bei seiner Sammlung nicht zu weit streuen, sondern sich auf ein Genre konzentrieren, sagt Michael Cornell vom legendären Londoner Plattenladen Honest Jon’s. Doch genau wie in der Finanzwelt gibt es auch unter Plattensammlern immer wieder schnelllebige Trends. Klassik-Platten etwa laufen derzeit gar nicht, sagt Cornell, gefragt seien hingegen Jazz-, Rockabilly- und frühe Blues-Platten. Ganz oben auf den Wunschlisten der Sammler stehen seit Jahren Northern-Soul-Platten. Das Genre entstand in den Siebzigerjahren, als begeisterte Plattenfanatiker im Norden Englands bis dato unbekannte amerikanische Soul-Platten für sich entdeckten.

Retro-Boom für die Schallplatte

Und auch in Zukunft könnten neue Sammelstücke noch dazukommen, denn während die Plattenindustrie seit Jahren über Umsatzeinbrüche klagt, hält sich ausgerechnet die antiquierte Schallplatte, der krasse Gegenentwurf zum mobilen iTunes-Download, wacker. „Der Absatz von Schallplatten hat sich weltweit in den letzten vier Jahren verfünffacht“, schätzt Peter Suchy, Geschäftsführer von Clearaudio. Der Mittelständler baut seit 30 Jahren hochpreisige Plattenspieler und verkauft sie erfolgreich in der ganzen Welt.

Die Wiederauferstehung des betagten Tonträgers hat auch ganz praktische Ursachen. Während diverse Formate wie MCs, CDs, DVDs, Minidiscs oder neuerdings Digitalformate wie MP3 sich die Klinke in die Hand geben, sind Schallplatten von den Entwicklungszyklen abgeschnitten. „Das 331/3-Format der Schallplatte wird sich nie ändern“, sagt Suchy. Eine LP aus den Fünfzigerjahren lässt sich auch auf aktuellen Plattenspielern anhören. Ob für Audio-DVDs in 20 Jahren das Gleiche gilt, kann bezweifelt werden. Außerdem schwört Suchy auf den besseren Klang der Platten: Die moderne Schallplatte kann Frequenzen von 20 bis 80 000 Hertz speichern. Die CD kommt nur auf einen Frequenzumfang von 20 bis 20 000 Hertz. Menschen hören Frequenzen von 28 000 bis 100 000 Herz.

Vom Plattenladen ins Museum

Doch nicht nur die Tonträger sind begehrte Raritäten. Einige Sammler haben sich auf Plattenhüllen spezialisiert. Das Album „13“ der britischen Band Blur etwa ist nicht nur musikalisch das wohl wichtigste popkulturelle Werk der letzten 30 Jahre, sondern auch optisch eine Augenweide. Als Vorlage diente ein Ölgemälde von Gitarrist Graham Coxon. Signierte und limitierte Nachdrucke des Bildes gibt es ab 400 Euro zu kaufen.

„Es zählt das Gesamtprodukt, die optische Aufmachung beeinflusst für mich auch die Art und Weise, wie ich die Musik auf der Platte wahrnehme“, sagt Symon Bland, Inhaber der Galerie St. Pauls in Birmingham, die sich komplett auf Cover Art spezialisiert hat. Legendär ist auch das Debütalbum von The Velvet Underground, auf dem sich Andy Warhol 1967 mit einer Banane verewigte. Später schuf er mit der Hülle des Rolling-Stones-Albums „Sticky Fingers“ einen weiteren Klassiker: Zu sehen ist auf der Hülle eine enge Röhrenjeans – inklusive eingearbeitetem Reißverschluss

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