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Schieflage bei Staatsanleihen Warum die Börse Europa zu optimistisch sieht

Vor zwei Jahren versprach Mario Draghi, die EZB werde den Euro retten. Diese Beruhigungspille hat Anleger offenbar blind gemacht. Nun drohen die ersten Rückschläge.

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Anleihen aus Europas kriselnden Peripheriestaaten sind bei Investoren begehrt. Dabei werden die Risiken vollkommen ausgeblendet. Die Europäische Zentralbank hat den Investoren eine rosa Brille aufgesetzt. Quelle: imago/montage

An der Börse nennen sie es den "Draghi-Put". Ein Put ist ein Optionsschein. Er erlaubt es dem Anleger, ein bestimmtes Wertpapier zu einem bestimmten Preisminimum zu verkaufen - selbst wenn das Wertpapier inzwischen viel weniger wert ist.

Doch der Draghi-Put ist keine verbriefte Kapitalgarantie. Er besteht lediglich aus drei Worten: "Whatever it takes." Frei übersetzt: "Komme, was wolle." Dieser Spruch feiert bald seinen zweiten Geburtstag. Am 26. Juli 2012 versprach der EZB-Präsident, die Gemeinschaftswährung Euro zu schützen.

Daran glauben die Investoren offenbar noch heute. Nach Irland, Spanien und Portugal hat sogar Griechenland bereits wieder Staatanleihen am Rentenmarkt platzieren können, ohne horrende Zinsen dafür zahlen zu müssen. "Draghi hatte damals gar keine andere Wahl. Er musste der Politik Zeit verschaffen, damit die ihre Hausaufgaben machen kann", sagt Heinz-Werner Rapp, Anlagestratege beim Vermögensverwalter Feri. "Das Problem ist aus heutiger Sicht: Draghi hat geliefert, aber die Politik ist ihren Pflichten nicht nachgekommen."

Mit anderen Worten: Die Krise könnte sich jederzeit wieder verschärfen. Denn die Ursachen sind nicht behoben, sondern nur verdeckt. Die Schuldensituation in Griechenland, Portugal, Spanien hat sich seit Ausbruch der Krise nicht verbessert, sondern verschlechtert. Italien und Frankreich sind heute ebenfalls schlechter dran als vor zwei Jahren. Die Akteure am Anleihenmarkt aber betrachten Europa offenbar durch eine rosarote Brille.

Als besonders problematisch betrachtet Rapp die Bewertung von Staatsanleihen aus den Krisenländern gegenüber Staaten mit bester Bonität. Eine Grafik zeigt deutlich: Die Risikoprämien der kriselnden Peripheriestaaten gegenüber einer zehnjährigen Bundesanleihe sind immer weiter gesunken.

Zins-Spread 10Y

Der Renditeabstand (Spread) zwischen Anleihen von Krisenstaaten mit einem schlechten Bonitätsrating von "BBB-" und deutschen Titeln mit dem besten Schuldner-Rating "AAA" ist auf 1,6 Prozentpunkte geschrumpft. Vor Draghis Rede im Juli 2012 betrug der Abstand noch bis zu sechs Prozentpunkte.

Mit seiner jetzigen Bewertung blendet der Markt die Staatsschuldenkrise völlig aus. Es herrschen wieder Zinsniveaus wie vor der Krise. Die Botschaft ist klat: Die Krisenländer sind als Schuldner ebenso gut wie der beste Schuldner der Welt vor drei Jahren - Deutschland.

Offensichtlich haben viele Investoren ihr Geld in Anleihen aus Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und Frankreich investiert, weil die deutlich höhere Zinsen boten. Das damit verbundene Risiko blendeten sie aber aufgrund des Draghi-Puts aus. So stiegen die Anleihekurse. Gleichzeitig fielen die Zinsen, die diese Länder für ihre Finanzierung am Kapitalmarkt zahlen müssen. Und nicht zuletzt ermöglichten es die niedrigen Zinsen diesen Ländern, den Europäischen Rettungsschirm zu verlassen.

Gefährliche Entwicklung

Diese Entwicklung ist gefährlich, denn die Spreads der Peripherieanleihen spiegeln nicht die Risiken im Vergleich zu Deutschland als Schuldner wider. An den Anleihemärkten braut sich demnach etwas zusammen, was auch andere Anlageklassen wie Aktien und Gold beeinflussen könnte. "Nach zwei Jahren Vollnarkose durch den Draghi-Put könnte bald ein böses Erwachen drohen", konstatiert Rapp.

Vor allem zwei Entwicklungen stehen der optimistischen Bewertung der Staatsanleihen entgegen.

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