Bei seiner Norwegen-Kreuzfahrt von Bergen zum Nordkap macht der Touristendampfer von Hurtigruten stets einen kurzen Stopp in Måløy. 20 Kilometer von der Postkarten-Kulisse entfernt liegt das Lefdal Mine Data Center. Betrieben wird es fast ausschließlich mit erneuerbarer Energie aus Wasserkraft. Und dafür nehmen Firmen wie Northern Bitcoin sogar den weiten Transport ihrer Container in Kauf: „Wir zahlen hier etwa vier Cent pro Kilowattstunde“, rechnet Jäger vor. Ein weiterer Bonus: Das acht Grad kalte Fjordwasser fließt in einen Wärmetauscher, über den Wasser aus der Kühlanlage von 30 Grad auf 18 Grad abgekühlt wird. In Frankfurt muss Northern Bitcoin sich dafür auf zwei Kühlanlagen verlassen. So könne man in Lefdal im Vergleich zu Frankfurt fast 50 Prozent an Energie sparen, sagt Jäger und: „Wir wollen zeigen, dass sich Bitcoins nachhaltig produzieren lassen.“ Auch im Industriepark bei Frankfurt beziehe ihr Container Strom aus Biogas.
Nicht nur die deutschen Bitcoin-Goldgräber zieht es nach Norwegen. Obwohl das Rechenzentrum gerade erst ausgebaut wird, könnte Mats Andersson bereits jeden Stollen mit Bitcoin-Minern füllen. „Die größte Nachfrage haben wir aus Asien“, sagt der Vorstandssprecher der Lefdal Mine. „Das sind Anfragen von riesigen Institutionen, die Kapazitäten mit bis zu 200 Megawatt anfragen.“ Auch aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Großbritannien wollen Miner in seine Stollen ziehen.
Bislang haben die meisten Miner, wie gesagt, ihre Superrechner in China, vor allem im südwestlichen Sichuan und in der Inneren Mongolei, betrieben. In Orten wie Ordos, einer alten Kohlestadt, die viele Menschen verlassen haben, nachdem sich der Abbau nicht mehr lohnte. Am Rand der Geisterstadt fanden in den vergangenen Jahren Mitarbeiter einer neuen Branche ihre Heimat: Krypto-Miner. Das Land war billig, der Strom war billiger. Und die Außentemperaturen liegen für die anfälligen Superrechner im erträglichen Bereich.
Die Lokalregierung lockte die Pioniere anfangs, um vom Kryptoboom zu profitieren. Sie bot einen 30-prozentigen Rabatt auf den Strompreis. So viel wie 12.000 Haushalte sogen die Firmen pro Tag aus der Dose. Für die Glücksritter ein grandioses Geschäft: Zwischenzeitlich sollen die chinesischen Schürfer zwei Drittel aller neuen Bitcoins weltweit kassiert haben.
Nun, nur wenige Jahre nach dem Niedergang der Kohleindustrie, erlebt Ordos das nächste Debakel: den Niedergang der IT-Industrie. Die chinesische Regierung hat die Stromsubventionen gestoppt. Man plane den „kontrollierten Ausstieg“ aus dem Bitcoin, schrieb die chinesische Staatspresse Anfang des Jahres. „China nimmt den hohen Energieverbrauch nicht mehr hin“, sagt Bitcoin-Pionier Bobby Lee, der die chinesische Bitcoin-Börse BTCC gegründet hat. Selbst Bitmain, einer der größten Miner weltweit, dürfte in China keine Chance mehr haben.
Marco Falke gehört zu dem kleinen Team, das die weltweite Entwicklung der Bitcoin-Software koordiniert. Er erlebt eine Branche, die derzeit um energiesparendere Methoden ringt. Und betont, dass sie deshalb nicht jede Stromquelle anzapfen darf. Sonne und Wind würden zu bestimmten Zeiten viel Strom bereitstellen, zuweilen aber gar keinen: „So lassen sich keine Bitcoins schürfen“, sagt Falke. Die Geräte müssten immer ausgelastet sein, damit es sich lohne, sie zu betreiben.
Trotzdem versuchen es einige Miner: So plant etwa ein Firmenteam mithilfe des Dienstleisters Innovo Cloud, der auch die Container für Northern Bitcoin ausrüstet, genau die Energie zum Schürfen der digitalen Währungen zu nutzen, die bisher mit Verlusten ins Ausland verkauft werden muss – wenn deutsche Windräder mehr Strom produzieren, als hierzulande benötigt wird.