Schürfen von Kryptowährungen Grüne Energie für den Stromfresser Bitcoin

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Ein Bürgermeister zieht den Stecker

Vor allem die Kraft des Wassers betört die Szene. Beispielsweise in Plattsburgh, einem Ort mit 20.000 Einwohnern im Norden der USA, an der Grenze zu Kanada, nicht weit von den Niagarafällen und ihren großen Wasserkraftreserven. Plattsburgh bekommt jährlich eine bestimmte Menge an Strom aus Wasserkraft zugeteilt – zu fast unschlagbar günstigen Preisen, die wohl noch deutlich unter den vier Cent pro Kilowattstunde der Mine in Norwegen liegen. Doch die energiehungrigen Bitcoin-Unternehmen, die sich in dem Städtchen angesiedelt haben, drohen das Reservoir zügig auszuschöpfen. Laut der Nichtregierungsorganisation American Public Power Association sollen zwei Miner in Plattsburgh mit 11,2 Megawatt rund ein Zehntel der Kapazität des Ortes abzapfen. Die Gemeinde müsse Strom für ihre Privatkunden teuer zukaufen, heißt es. Bürgermeister Colin Read zog deshalb bereits den Stecker: Für 18 Monate sollen in seiner Stadt keine Kryptounternehmen mehr eine Betriebserlaubnis bekommen.

Auch am anderen Ende des Landes, in Chelan County im Bundesstaat Washington, gilt so ein Moratorium. Zu viele Miner haben ihre Bitcoins illegal geschürft – zu Strompreisen ab 1,9 US-Cent pro Kilowattstunde. Nicht einmal Kanadas größter Wasserkraftanbieter, Hydro-Québec, kann die Nachfrage der Kryptofirmen noch bedienen. Alleine im Februar, sagte Firmenchef Eric Martel der Nachrichtenagentur Bloomberg, habe er Anfragen von Unternehmen erhalten, die zusammen etwa 9000 Megawatt abgenommen hätten. Das ist ein Viertel der Kapazität aller Wasserwerke von Hydro-Québec. Und ein Zehntel dessen, was im gesamten Land an Wasserkraft bereitsteht.

Selbst Regionen mit großen Reserven an günstiger und erneuerbarer Energie können also die Gier der Bitcoin-Miner kaum bedienen. Und wollen es auch nicht. Denn anders als Industriekonzerne schaffen Bitcoin-Minen trotz hohen Energieverbrauchs kaum Arbeitsplätze. „Wir können zu jeder Zeit am Computer in unserem Büro überprüfen, ob die Bitcoin-Rechner laufen“, sagt Jäger. Weder in Frankfurt noch in Norwegen brauche Northern Bitcoin ein Team, das ständig vor Ort ist. Und so versuchen Politiker wie Colin Read, der Bürgermeister von Plattsburgh, alles, um die Miner zu verscheuchen. Ob mit verweigerten Betriebsgenehmigungen oder höheren Strompreisen.

Nur Russland sieht in den jungen Währungshippies eine Chance. Vor wenigen Wochen pries der Chef von Russlands größtem Wasserkraftversorger Rushydro, Nikolay Shulginov, den anwesenden Regierungsvertretern auf einer Konferenz die Chancen des grünen Minings an: Man könne überschüssige Energie in Sibirien dazu nutzen, Rechenzentren zu betreiben, in denen das digitale Geld geschöpft werde. Der Bitcoin als IT-Förderprogramm für eine Region, die bislang vor allem Öl und Gas fördert? Daniel Zakomolkin, Vorstandschef von BitBaza, einem russischen Bitcoin-Mining-Unternehmen, plant bereits mit Partnern, einen Kryptoindustriepark in Krasnojarsk aufzubauen. Russland solle davon profitieren, dass Chinas Regierung die Bitcoin-Miner aus dem Land drängen will. Die Forscherin Nadeschda Surova von der russischen Plechanow-Wirtschaftsuniversität in Moskau geht davon aus, dass die Abwärme der Bitcoin-Rechner Wohnungen nahe des Industrieparks beheizen könne.

Energie aus dem Weltall

Allein durch den Wechsel von Kohle- auf Wasserkraft aber wird der Bitcoin nicht grüner. Denn je mehr Nutzer und Rechner sich ihm anschließen, desto größer ist auch die Schwierigkeit, neue Münzen zu berechnen – und damit der Energieverbrauch. Doch wer einen Code schreibt, der das Zeug hat, das Finanzwesen auf den Kopf zu stellen, der ist auch klug und kreativ genug, um ganz neue Stromquellen zu ergründen. Wenn die Energie auf dem Planeten Erde endlich ist, müsse man sie eben im Exterrestrischen suchen.

Wie das gehen könnte? Beim Unternehmen Blockstream arbeiten Entwickler bereits daran, den Bitcoin vom Internet unabhängig zu machen. Das Netz ist neben seinem Energiehunger die größte Schwachstelle der Bitcoin-Technologie: Ohne Anschluss steht das System still. Blockstream testet deshalb Satelliten, die die Verbindungen zwischen den weltweit verteilten Rechnern aufrechterhalten sollen. Und Bitcoin-Entwickler Falke denkt das Forschungsprojekt noch weiter. Langfristig könnten Solarpaneele an Satelliten nachhaltig Sonnenenergie produzieren und damit „besonders wartungsarme Mining-Hardware direkt im All betreiben“.

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