




Ben Bernanke, Chef der US-Notenbank Fed, hat vergangene Woche angedeutet, dass die Fed die Märkte mit weniger Geld fluten könnte. Konkret werde sie bei weiterhin positiver Konjunktur zum Jahresende für weniger als die bisherigen 85 Milliarden Dollar pro Monat Anleihen aufkaufen. Schon diese verhaltene Ankündigung reichte, um Anleger weltweit über eine Zinswende spekulieren zu lassen. Ihr Kalkül: Schließen die Zentralbanken ihre Geldschleusen, sinkt die Nachfrage nach Anleihen, deren Zinsen müssen steigen, damit sich andere Käufer zum Kauf entschließen.
Fragen und Antworten zum EZB-Zinsentscheid
Weil der Leitzins auf seinem bisherigen Rekordtief von 0,75 Prozent nicht genügend Durchschlagskraft hatte: Der Euroraum steckt weiterhin tief in der Rezession. Zwar ist umstritten, ob der niedrigere Zins die Konjunktur spürbar antreiben kann. Aber die Notenbank signalisiere mit dem Schritt, dass sie „den Ernst der Lage erkannt habe“, sagte Michael Krautzberger, Leiter des Teams für europäische Anleihen bei Blackrock. Aus Sicht von Helaba-Ökonom Ulf Krauss sind die Vorteile einer Zinssenkung eher psychologischer Natur: „Vielleicht reicht ja ein kleiner Flügelschlag der Geldpolitik aus, um der zuletzt gedrückten Stimmung bei den Unternehmen den entscheidenden Anschub zu geben, wird sich der eine oder andere Notenbanker denken“, schrieb Krauss vor der EZB-Sitzung.
Niedrige Zinsen verbilligen tendenziell Kredite. Unternehmen können dann im Prinzip mehr investieren und Verbraucher mehr kaufen, was nicht sofort aus eigener Tasche bezahlbar ist. Beides kann die Konjunktur ankurbeln. Solche Wachstumsimpulse sind aktuell vor allem in den Krisenstaaten im Süden Europas gefragt: Griechenland, Italien, Portugal, Spanien - sie alle ächzen unter harten Reformen, rigiden Sparauflagen und hoher Arbeitslosigkeit. Aber auch in Deutschland profitieren zumindest einige vom billigen Zentralbankgeld: Darlehen für Hausbauer und Wohnungskäufer sind derzeit extrem günstig.
In der Tendenz ja. Die Wirtschaft in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren deutlich besser entwickelt als im Euroraum. Auch der Arbeitsmarkt steht gut da, das macht hohe Tarifabschlüsse wahrscheinlicher. Daher kann billiges Geld hierzulande schneller die Inflation anheizen als in Spanien, Zypern oder Griechenland. Doch im Moment ist das nicht in Sicht. Kommt es zum Preisauftrieb, könnten höhere Zinsen dagegen helfen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte kürzlich auf das Dilemma der EZB aufmerksam gemacht: Die Zinsen für Deutschland seien eigentlich schon zu niedrig, während die EZB für andere Länder eigentlich noch mehr tun müsse. Allerdings ist die Lage hierzulande ebenfalls noch gedämpft - im Schlussquartal 2012 schrumpfte die deutsche Wirtschaft und auch 2013 läuft bisher nicht wirklich rund.
Billiges Geld kann zu Inflation, also Geldentwertung, führen. Je mehr das Geld entwertet wird, umso weniger Waren und Dienstleistungen können Verbraucher kaufen. Die Kaufkraft sinkt also, ebenso der Wert der Ersparnisse. Auf der anderen Seite zehrt Inflation aber auch Schulden auf. Die EZB strebt mittelfristig eine Teuerungsrate von „unter, aber nahe bei“ 2,0 Prozent als stabiles Preisniveau an. Im April sank die Inflation im Euroraum auf 1,2 Prozent - trotz der seit Monaten weit geöffneten Geldschleusen der EZB.
Tendenziell ja. Verbraucherschützer haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass Banken eine Erhöhung der Leitzinsen bei Krediten schneller an ihre Kunden weitergeben als eine Senkung.
Im Prinzip ja. Zwar ist die Inflation derzeit auf dem Rückzug, dennoch liegen die Sparzinsen meist noch deutlich darunter. Heißt: Wer Geld auf Sparbuch, Tagesgeldkonto oder in Bundesanleihen anlegt, macht nach Abzug der Inflation zumeist ein Verlustgeschäft. In einer gemeinsamen Erklärung vor der EZB-Sitzung hatten die Verbände von Volksbanken, Sparkassen und Versicherungswirtschaft in Deutschland davor gewarnt, die Zinsen noch weiter zu senken: „Jeder Zinsschritt nach unten lässt die Sparguthaben schmelzen. Sinkende Zinsen bedeuten einen sinkenden Anreiz für das Sparen und Vorsorgen. Dabei müssen die Menschen heute mehr als bisher vorsorgen, um ihren Lebensstandard im Alter zu sichern.“
Ob die Zinswende wirklich eingeläutet ist, ist aber keinesfalls sicher. Längst hat die Fed klargestellt, dass sie an einer extrem lockeren Geldpolitik auf jeden Fall festhalten wird. Die europäische Zentralbank EZB will ihren Leitzins weiter niedrig halten und ihn eventuell sogar von seinem Rekordtief von 0,5 Prozent noch einmal senken. Europäische Geschäftsbanken können sich daher bei der Zentralbank sehr günstig Geld beschaffen und es zum Beispiel in Form von Krediten vergeben.
Doch vorerst haben die Anleger an den weltweiten Finanzmärkten Fakten geschaffen: So ist etwa die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen der Bundesrepublik seit Anfang Mai von 1,2 auf 1,8 Prozent pro Jahr gestiegen. "Nach über 30 Jahren fallender Zinsen verdichten sich die Anzeichen, dass sich der Zinsmarkt gedreht hat", sagt Tobias Spies, Geschäftsführer beim Vermögensverwalter Dr. Kohlhase aus München.
Ein guter Zeitpunkt also sich auf steigende Zinsen vorzubereiten: Wie wirken sie auf Tages- und Festgeld, Anleihen, Kredite und Versicherungen? Was müssen Sparer und Schuldner beachten, um auf steigende Zinsen gut vorbereitet zu sein?
Tagesgeld/Festgeld
Noch hat der jüngste Zinsanstieg Sparern wenig gebracht: Für täglich verfügbare Anlagen bekommen sie durchschnittlich nur 0,8 Prozent. Legen sie Geld für zwölf Monate fest an, wirft es mit 0,7 Prozent Zins sogar noch etwas weniger ab. Seit Ende 2011 sind die Zinsen für solche Bankanlagen kontinuierlich gefallen.
Wie wirken steigende Zinsen?
Die Zinsen für Tages- und Festgeld hängen nicht direkt von Anleiherenditen oder dem Leitzins der EZB ab. Banken orientieren sich am ehesten an den Geldmärkten, wo sich Banken gegenseitig Geld leihen. Häufig hängt der Zins aber noch stärker von der Situation der einzelnen Bank ab: Kommt sie neu auf den Markt und will viele Privatkunden gewinnen, kann ein hoher Zins auf Tagesgeld helfen. Bei solchen Lockangeboten müssen Kunden jedoch damit rechnen, dass die Zinsen auch schnell wieder fallen. Wer nicht ständig zu einer anderen Bank wechseln will, sollte solche Angebote meiden.
Wie sollten Sparer auf steigende Zinsen reagieren?
Fallen die Zinsen nicht mehr weiter, sondern steigen sogar, sollten Kunden langlaufende Geldanlagen meiden. Sonst stecken sie im Zweifel über Jahre fest und müssen sich über mickrige Zinsen ärgern.
Für Tagesgeld können Kunden derzeit maximal 1,5 Prozent Zins bekommen - oft sind ihre Einlagen dann aber nur von einer ausländischen Einlagensicherung geschützt. Die Akbank zahlt Kunden auf Tagesgeld noch 1,3 Prozent. Für diese Bank, die zur türkischen Sabanci Group gehört, gilt immerhin die deutsche Einlagensicherung.
Wem die deutschen Ableger von Auslandsbanken zu exotisch sind, der sollte einen Blick auf die Zinsangebote von Wohn- und Baugenossenschaften werfen. Einige von ihnen haben mit Erlaubnis der Aufsichtsbehörde Bafin sogenannte Spareinrichtungen, mit denen sie Geld für Kauf und Instandhaltung ihrer Immobilien einsammeln. Ihre Zinsen sind vergleichsweise attraktiv: So bietet die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 Sparern für Festgeldanlagen über ein Jahr aktuell 1,5 Prozent, bei der Chemnitzer Siedlungsgemeinschaft sind es 1,25 Prozent. Um die Spareinrichtungen zu nutzen, müssen Sparer Mitglied der Genossenschaft werden. Meist sind dafür aber nur geringe Genossenschaftseinlagen nötig. Die genannten Spareinrichtungen stehen auch Sparern aus dem ganzen Bundesgebiet offen.
Anleihen





Eigentlich sind Anleihen eine verlässliche Sache. Kaufen, liegen lassen, jedes Jahr Zinsen kassieren und am Schluss das eingezahlte Geld zurückbekommen. Einziges Risiko: Wenn der Schuldner in die Pleite rutscht, ist das Geld perdu.
Wie wirken steigende Zinsen?
Nicht alle Sparer wollen Anleihen bis zum Laufzeitende halten. Dann können steigende Zinsen schnell bares Geld kosten. Denn steigen die Zinsen, sinken die Kurse der Anleihen - das ist simple Finanzarithmetik. Andersherum könnte man auch sagen: Nur wenn die Kurse sinken, steigen die Zinsen. Die Folgen sind trotzdem beeindruckend. So würde eine Bundesanleihe mit zehnjähriger Laufzeit knapp fünf Prozent an Wert verlieren, wenn die Rendite von derzeit 1,8 auf 2,3 Prozent pro Jahr steigen würde. Ein Anstieg der Rendite auf 2,8 Prozent - also um einen Prozentpunkt - würde Anleger beim sofortigen Verkauf schon neun Prozent ihres Investments kosten.
Wie sollten Sparer auf steigende Zinsen reagieren?
Wie beim Festgeld sind lange Laufzeiten zu meiden, wenn die Zinsen steigen. Je länger die Laufzeit, desto stärker die Wertverluste bei steigenden Zinsen. So würde eine 30-jährige Bundesanleihe bei einem Zinsanstieg um 0,5 Prozentpunkte schon knapp 14 Prozent verlieren. Steigt der Zins um einen Prozentpunkt, würde sie gar ein Viertel ihres Wertes verlieren.
Immobilienkredite
Wie bei allen Krediten hängen die Zinsen von Immobilienkrediten stark vom jeweiligen Kunden und der Immobilie ab. Wer ein hohes frei verfügbares Einkommen hat und nur bis zu 60 Prozent des Kaufpreises finanzieren will, bekommt die besten Zinsen.
Wie wirken steigende Zinsen?
Bei gleicher Ausgangslage haben sich Immobilienkredite in den vergangenen Wochen schon wieder etwas verteuert. Ein zehnjähriger Baukredit kostet jetzt bei guter Bonität 2,5 Prozent pro Jahr. Mitte Mai gab es ihn noch zu 2,3 Prozent Zins. Die Zinsen für Immobilienkredite hängen relativ direkt von der Entwicklung der Renditen von Staatsanleihen und Pfandbriefen ab, für die Banken alternativ und bei ähnlich hoher Sicherheit ihr Geld herausrücken könnten. So muss ein Immobilienkäufer für einen zehnjährigen Kredit bei guter Bonität im Zeitverlauf recht konstant 0,6 Prozentpunkte mehr pro Jahr zahlen als Pfandbriefe mit zehnjähriger Laufzeit an Rendite bringen.
Wie sollten Immobilienkäufer auf steigende Zinsen reagieren?
Eile ist beim Immobilienkauf nie ein guter Ratgeber. Selbst wenn die Zinsen wirklich steigen sollten - was viele Baufinanzierer ihren Kunden schon seit Jahren prognostizieren, bislang zu Unrecht -, ist es wichtiger das richtige Objekt zu einem vertretbaren Preis zu finden. Das ist in vielen Großstädten schon schwer genug.
Wer Haus oder Wohnung schon gefunden hat und nun noch die passende Finanzierung braucht, der sollte lange Laufzeiten vorziehen. Immobilienkredite über 15 oder 20 Jahre gibt es derzeit zu vergleichsweise geringen Zinsaufschlägen. Sollten die Zinsen wider Erwarten nicht steigen, sind Eigentümer ohnehin nur für 10,5 Jahre an ihren Kredit gebunden. Nach zehn Jahren haben sie ein gesetzliches Ausstiegsrecht mit sechs Monaten Kündigungsfrist.
Wer bereits einen laufenden Immobilienkredit hat und sich für eine Anschlussfinanzierung vor steigenden Zinsen schützen will, der kann auf Forward-Kredite zurückgreifen. Sie bieten Schuldnern die Möglichkeit, schon jetzt die Konditionen für den Folgekredit festzuzurren. Letztlich sind solche Forwards eine Wette auf steigende Zinsen. Geht diese Wette nicht auf, zahlen die Immobilieneigentümer für ihren Folgekredit mehr als eigentlich nötig. Andererseits kann im Einzelfall die Planbarkeit ihr Geld wert sein. Sinnvoll sind Forwards meist maximal zwei bis drei Jahre im Voraus.
Lebensversicherung





Kaum jemand leidet so unter den niedrigen Zinsen wie die Lebensversicherer. Sie haben ihren Kunden einen festen Zins zugesagt, oft über 30 Jahre und mehr. Wer zwischen Juli 1994 und Juli 2000 seine Lebensversicherung abschloss, der bekommt wenigstens 4,0 Prozent auf die Beiträge nach Abzug der Kosten des Lebensversicherers. Den Versicherern fällt es derzeit extrem schwer, solche Renditen mit ihren Geldanlagen zu erzielen. Schließlich steckt ein Großteil des verwalteten Vermögens in festverzinslichen Wertpapieren. Ältere Geldanlagen, die noch mehr Zins bringen, laufen langsam aus. Für neue Policen beträgt der Garantiezins heute nur noch 1,75 Prozent. Die Branche spekuliert sogar über ein weiteres Absinken.
Geldanlage
Wie wirken steigende Zinsen?
Da die Lebensversicherer ganz überwiegend in Festzinsanlagen investieren, würden sie von steigenden Zinsen langfristig profitieren. Sie würden es ihnen wieder erleichtern, die zugesagten Zinsen für ihre Kunden zu erwirtschaften. Kunden, deren Verträge in Kürze auslaufen, könnten unter Umständen aber sogar unter steigenden Zinsen leiden. Der Hintergrund: Die Versicherer müssen Kunden zum Vertragsende an ihren stillen Reserven beteiligen. Solche Reserven entstehen, wenn Geldanlagen am Markt mehr wert sind als in den Büchern des Versicherers. In den vergangenen Jahren sind durch die abgesunkenen Zinsen die Anleihen im Bestand der Versicherer im Kurs gestiegen, so dass stille Reserven in Milliardenhöhe entstanden sind. Steigen die Zinsen nun, würden diese Reserven schrittweise verschwinden. Bei kurzen Restlaufzeiten könnte dieser Effekt aus Sicht der Versicherten den langfristigen Vorteil überwiegen.
Wie sollten Versicherte auf steigende Zinsen reagieren?
Wer einen Vertrag hat, der noch eine Weile läuft, darf sich freuen. Denn ohne einen Zinsanstieg würden viele Versicherer langfristig Probleme bekommen, die versprochenen Garantien auch wirklich zu erfüllen. Versicherte mit kurzer Restlaufzeit ihres Vertrags könnten bei einem raschen Zinsanstieg Nachteile haben. Sie müssen damit wohl oder übel leben: Ein vorzeitiger Ausstieg ist meist ebenfalls mit Abschlägen verbunden. Ihr Trost: Auch ohne eine Beteiligung an den Reserven bekommen sie wohl deutlich mehr ausgezahlt als Neukunden heute erwarten dürfen.