Das Formular wirkt so harmlos wie ein Einkaufszettel, doch hat es das Schicksal einer einst gut situierten bayerischen Familie besiegelt. Es handelt sich um einen Bautenstandsbericht, in dem Banken festhalten, wie schnell Baukreditnehmer mit der Errichtung ihres Hauses vorankommen. Damit belegen die Schuldner, dass sie das geliehene Geld nicht zweckentfremden und nur für Lieferanten oder Handwerker ausgeben. Ein solches Dokument wurde dem Bankkunden Wolfgang Rixner zum Verhängnis und leitete den Ruin seiner Familie ein. Lag es daran, dass er die Bedeutung des Formulars ignorierte, was ein gewissenhafter Schulder nicht hätte tun dürfen?
Die Frage ist zwischen beiden Parteien hoch umstritten und kann auch in diesem Artikel nicht abschließend geklärt werden. Klar ist, dass die Differenzen zwischen Bank und Kunde zu einem erbitterten Streit geführt haben, aus dem der Kunde Rixner auch vor Gericht als Verlierer hervorging. Die Bank hat sich juristisch voll durchgesetzt und gewann mehrere Zivilprozesse. In einem Strafprozess wurde Rixner allerdings freigesprochen. Obwohl das alles schon Jahre her ist und sein Fall rechtskräftig entschieden, konnte Rixner den Schicksalsschlag nicht verwinden. Aus seinem Groll gegenüber der Bank und deren Mitarbeitern macht er keinen Hehl. Bei sich selbst will er dagegen keine Versäumnisse erkennen.
Was ist passiert? 2005 leiht Rixner sich bei der Sparkasse Kelheim 300.000 Euro zu 4,1 Prozent Zinsen. Das kommunale Kreditinstitut mit etwas mehr als zwei Milliarden Euro Bilanzsumme gehört dem Landkreis und der Stadt Kelheim, die zwischen Regensburg und Ingolstadt an der Donau liegt. Es soll die örtliche Kundschaft mit Finanzdienstleistungen versorgen.
Rixner ist ausgebildeter Großhandelskaufmann, Betriebswirt und Maurermeister, war Fuhrparkmanager bei einem großen Elektronikfachhändler aus Ingolstadt, schließlich Prokurist bei einer Brauerei in München. Er ist ein zupackender Typ. Sein wechselvoller Lebenslauf zeigt, dass er seine Arbeit ernst nimmt aber nicht als idealistische Berufung versteht, sondern als Mittel zum Zweck. Als Zweck ganz vorn steht die Absicherung seiner Familie, dem Vater hat er ein lebenslanges Wohnrecht in einem seiner Häuser garantiert. Darüber hinaus hatte Rixner sich und der Familie einen gehobenen Lebensstandard aufgebaut – Schwimmbecken, Sauna, eine große Modellbausammlung. Das alles ist jetzt futsch. Derzeit hält Rixner sich mit Bauarbeiten über Wasser, war zwischenzeitlich auf Sozialleistungen angewiesen. Der Vater musste vom verpfändeten Eigenheim in einen Baucontainer umziehen.
Mit dem 2005 geliehenen Geld wollte Rixner Wohnhäuser bauen und diese zum Zweck der privaten Vermögensbildung verkaufen. Der Kreditzins von über vier Prozent erscheint verglichen mit den heute herrschenden niedrigen Zinsen recht teuer. Damals aber war er ziemlich günstig, deshalb schließt Rixner ihn bei der Kreissparkasse Kelheim ab. Die verlangt etwas weniger als die Konkurrenz. Soweit ein normales Geschäft mit einem normalen Kunden.
Baufortschritt übertrieben?
Doch dann wirft die Sparkasse ihrem Kunden vor, sie über den Baufortschritt bei einem seiner Projekte getäuscht zu haben. Diesen Vorwurf erhebt sie nach einem Ortstermin mit Rixners Kundenbetreuer Christian Lanzinger und Vorstand Dieter Scholz, zu dem Rixner die beiden Banker selbst eingeladen hatte. Die drei verabschieden sich noch in bestem Einvernehmen, doch schon am Tag darauf lädt die Bank Rixner plötzlich zu einer Aussprache vor, anberaumt in der Sparkasse um 20 Uhr, eine ungewöhnliche Uhrzeit.
Nur ein Jahr nach der Kreditvergabe kündigt die Bank die Geschäftsbeziehung und zieht die als Sicherheit hinterlegten Privatimmobilien ein. Die zuvor wohlhabende Familie Rixner verliert ihre finanzielle Existenz und stürzt in eine Tragödie. Wie konnte es dazu kommen? Die Sparkasse hat detailliert auf Fragen der WirtschaftsWoche zum Fall Rixner geantwortet. „Wir sind davon überzeugt, dass unsere Handlungsweise notwendig und richtig war“, teilt der Sparkassenvorstand mit.