Sparverhalten Der Deutsche, sein Sparbuch und die D-Mark

Das gespaltene Verhältnis der Deutschen zum Euro, sein Misstrauen gegenüber der Börse und die Angst vor Inflation werden uns noch lange begleiten. Am Sparverhalten wird sich dennoch wenig ändern.

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Welche Geldsünden Deutsche am meisten bereuen
Platz 5:Geld auf einem schlecht verzinsten Sparbuch oder Tagesgeldkonto liegen gelassen? Da kann man es auch gleich unter die Matratze oder in den Sparstrumpf stecken. Im Durchschnitt bereuen 8,9 Prozent der Befragten solche Schludereien. Vor allem Männer "vergessen" ihr Geld: 10,6 Prozent gaben an, ungenutzte Zinschancen zu bereuen. Bei Frauen waren es nur 6,9 Prozent, die sich nicht darum gekümmert hatten.Datenquelle: Die GfK-Marktforschung hat im Auftrag der Gothaer Versicherung über 1000 Menschen gefragt, was die Deutschen als ihre größten Sünden im Jahr 2013 betrachten. Quelle: dpa
Platz 4:Wird die Rente später reichen? Dafür muss man schon privat vorsorgen. 13,1 Prozent der Deutschen plagen sich mit Selbstvorwürfen, im vergangenen Jahr zu wenig für die eigene Altersvorsorge getan zu haben. Frauen und Männer liegen bei dieser Sorge fast gleich auf. Dieser Punkt wurde auch genauer nach Berufsgruppen aufgeschlüsselt. Demnach sind Selbstständige bei der verpennten Altersvorsorge mit 19,5 Prozent ganz vorne dabei, dicht gefolgt von Arbeitern (19,2 Prozent). Beamte sorgten sich am wenigsten darum, zu wenig für das Alter getan zu haben (10,1 Prozent). Quelle: dpa
Platz 3:Immer wieder saftige Preiserhöhungen - beim Wechsel des Strom- oder Gasanbieters lässt sich bares Geld sparen. Dass sie einfach zu faul waren, solche Chancen zu nutzen, bereuen im Nachhinein 14,8 Prozent der Befragten. Frauen fuchst das allerdings weniger (10,8 Prozent) als Männer (18,0 Prozent). Quelle: AP
Platz 2:Rauscht das Konto in die roten Zahlen, fallen deftige Überziehungszinsen an. Grund genug, sich über die mangelnde Selbstkontrolle zu ärgern ist das für 17,7 Prozent der Befragten. Männer ärgern sich häufiger darüber, dass sie ihr Konto überzogen haben (18,4 Prozent, Frauen: 16,8 Prozent). Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Platz 1:Das 40. Paar Schuhe, dekadente Restaurant-Besuche, ein Urlaub, der eigentlich zu teuer war - darüber ärgern sich die Deutschen am meisten. Im Schnitt ärgern sich 27,3 Prozent der Befragten im Nachhinein über diese Ausgaben. Vor allem Frauen bereiten Shopping-Exzesse und Co. Sorgen (28,4 Prozent), bei Männern ist der Anteil etwas geringer (26,3 Prozent). Quelle: Reuters

Das Verhältnis der Deutschen zum Geld ist Gegenstand zahlloser Umfragen, Studien und Analysen. Grundtenor: Die Deutschen lieben ihr Sparbuch, ihre Lebensversicherung und festverzinsliche Geldanlagen mit null Verlustrisiko. Wenn es um Wertpapiere geht, ist die Zurückhaltung deutlich größer: Fonds gehen noch, Aktien sind den meisten Sparern schon zu riskant, Optionsscheine und andere Derivate hingegen nur etwas für Freaks und sowieso Teufelszeug. Steuern hingegen gilt es zu vermeiden wo immer es geht, auf kriminelle Steuerhinterzieher wie den frisch verurteilten Uli Hoeneß sehen viele zwar mit Schadenfreude, aber auch mit Milde und Verständnis. Und wenn es um die Währung geht, fürchtet der Deutsche nichts mehr als eine anziehende Inflation und schimpft auf die vielen Rettungsmilliarden, die auf ihre Kosten zum Erhalt des Euro ausgegeben wurden und werden. Dann doch lieber eine Immobilie oder Gold kaufen - da weiß man, was man hat, auch wenn die Inflation herangaloppiert.

So oder ähnlich klingen viele Umfrageergebnisse zum Thema Sparen und Geldanlage in Deutschland. Wenig überraschend ist dabei, dass sich zwischen zwei Untersuchungen zum Thema an der Einstellung wenig ändert. Warum auch? Sparsamkeit ist eine Tugend, soll der Dax doch ruhig Kapriolen schlagen.

Gerade erst hat die Zeitung "Die Welt" über eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Bank of Scotland berichtet, die die fast schon stoische Gelassenheit der Deutschen in Bezug auf ihr Geld eindrucksvoll zu bestätigen scheint: Mehr als die Hälfte der Deutschen rechnet noch immer die Euro-Preise in D-Mark um, zumindest bei größeren Anschaffungen. Wer es genauer wissen will: Frauen rechnen deutlich öfter in D-Mark um als Männer, Hausfrauen mehr als doppelt so oft wie Beamte, Alte doppelt so oft wie Junge, Hauptschüler doppelt so oft wie Abiturienten. In Brandenburg wünschen sich doppelt so viele Bürger (39 Prozent) die D-Mark zurück wie in Bayern, mehr als ein Viertel aller 1650 Befragten wünscht sich eine erneute Währungsreform. Nicht einmal die Hälfte glaubt, dass Deutschland von der Einführung des Euro profitiert hat.

Wenn es um Geld geht, ist der Sparer in seinem Denken eher unflexibel, oft altmodisch und geschichtsbewusst. Die Hyperinflation vor Einführung der D-Mark im Jahr 1949 hat sich in das kollektive Bewusstsein gebrannt, der Euro ist auch zwölf Jahre nach seiner Einführung noch immer umstritten – und ruft mit der Alternative für Deutschland (AfD) sogar eine neue Bundespartei auf den Plan, die aus dem Stand beachtliche Erfolge feiert, indem sie Euro-Skeptiker gezielt anspricht.

Dass die Deutschen ihre Ersparnisse immer noch lieber auf Sparbuch, Tagesgeld- oder Girokonto liegen lassen, belegt erneut der Spar- und Konsumindex der Comdirect, der Direktbank-Tochter der Commerzbank. Zumindest gibt es aber einen schwachen Trend: weniger Geld auf irgendwelchen Sparkonten, dafür mehr Konsum. 78 Prozent der Befragten gaben im Februar an, Sparbücher, Tagesgeldkonten und Co. für die Anlage ihrer Ersparnisse zu nutzen, drei Prozent weniger als im Januar. 58 Prozent bekannten, ihr Guthaben einfach auf dem Girokonto zu belassen, 27 Prozent bewahrten ihre Ersparnisse gar in bar auf. Der Sparanteil der Privathaushalte ging dabei um 0,2 Prozent auf 6,4 Prozent zurück. „Viele Deutsche sind offenbar der Meinung, dass sich gegenwärtig Sparen nicht lohnt. Sie geben ihr Geld lieber aus“, konstatiert Sabine Münster, Leiterin Banking bei der Comdirect. Dennoch gaben nur 17 Prozent der Befragten an, gar nicht zu sparen.

Dass sich die Deutschen nur sehr langsam von tradierten Sparformen wie Sparbuch und Lebensversicherung lösen und – wie in anderen Ländern durchaus üblich – für eine höhere Rendite nur ungern höhere Verlustrisiken eingehen, ist nachvollziehbar. In Zeiten solider Zinsen von mehr als drei oder sogar vier Prozent haben sie gute Erfahrungen mit diesen Produkten gemacht, die Rückzahlungsgarantie und Einlagensicherung gaben den Sparern ein gutes Gefühl. Das Empfinden großer Sicherheit für die Ersparnisse hält offenbar an. Dass sie dabei praktisch keine Rendite oder sogar Kaufkraftverluste erleiden, werden sie erst realisieren, wenn Sie ihre Ersparnisse auflösen – irgendwann in mitunter ferner Zukunft, wenn überhaupt. Da die Deutschen bereits auf rund fünf Billionen Euro Geldvermögen sitzen, ist der Handlungsdruck offenbar gering. Bis es soweit ist, hat sich womöglich die Verzinsung deutlicher bewegt, als die Einstellung deutscher Sparer.

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