




Vor gut einer Woche wurde es dem Vermögensverwalter Pimco zu heiß. Die ständigen Rettungsaktionen der Bundesrepublik gefährden die eigene Bonität, der Retter drohe mitunterzugehen. "Deutschland verliert durch die zunehmenden Risiken an Qualität", bestätigte Andrew Bosomworth, Fondsmanager und Deutschland-Chef bei Pimco. Nun ziehen andere Großinvestoren nach. So sagte Jamil Baz, Investmentchef beim Hedgefonds GLG Partners, bei der GAIM 2012-Konferenz in Monaco, dass er sehr pessimistisch gestimmt sei, was die europäische Schuldenkrise angeht: "Die Krise hat gerade erst begonnen." Es werde noch sehr lange dauern, bis die Schuldenkrise ihren Höhepunkt erreicht. "Und mit sehr lange meine ich 15 bis 20 Jahre", sagte er.
Fragen und Antworten zur Kreditwürdigkeit
Die Noten der drei führenden Agenturen S&P, Moody's und Fitch sind maßgeblich für die Finanzierungskosten der Staaten am Kapitalmarkt. Die Faustregel: Je besser die Bonitätsnote, desto günstiger das Zinsniveau, zu dem ein Land Geld aufnehmen kann.
Es gibt Ausnahmen: So haben die USA trotz immenser Verschuldung und einer Herabstufung durch S&P im vergangenen Sommer nach wie vor keine Probleme, günstig Mittel einzusammeln. Die weltgrößte Volkswirtschaft gilt weiter als „sicherer Hafen“, weil der US-Dollar die globale Leitwährung ist und die Notenbank Fed bereit ist, ihn in unbegrenzten Mengen zu drucken. Diese Quasi-Versicherung gegen einen Zahlungsausfall für US-Staatsschulden überzeugt internationale Gläubiger bislang noch - zumal die Alternativen rar sind.
Die Wahrscheinlichkeit liegt nun laut S&P bei 50 Prozent, dass die verbleibenden Euro-Staaten mit Spitzenbonität ihre Bestnote in den kommenden 90 Tagen verlieren. Das sind neben Deutschland Frankreich,Österreich, Luxemburg, die Niederlande und Finnland. Frankreich, das bereits seit längerem unter Abwertungsdruck steht, könnte sogar gleich um zwei Bonitätsstufen abgesenkt werden. Zudem hat in Moody's auch die zweite große Ratingagentur das Land auf dem Kieker. Für die Euro-Rettung ist dies äußerst brisant: Mit Frankreich wackelt die zweitwichtigste Finanzierungssäule des Krisenfonds EFSF.
Für den EFSF hätte ein Verlust der Spitzenbonität weitreichende Folgen. Die Topnoten der Ratingagenturen sind Voraussetzung, damit der Krisenfonds mit maximaler Schlagkraft agieren kann. Eine Herabstufung der wichtigsten Garantiegeber Deutschland und Frankreich würde auch die Note des EFSF gefährden und damit das Aus des Rettungsschirms in seiner bisherigen Konstruktion bedeuten.
Der Ratingagentur zufolge haben die Probleme im Euroraum ein Maß erreicht, das die Währungszone als Ganzes unter Druck setzt. S&P kritisiert auch unkoordiniertes und unentschlossenes Handeln der Politiker. Es gebe zudem das Risiko, dass die Eurozone im kommenden Jahr in die Rezession rutsche. Auch Deutschland könnte nach Einschätzung der Agentur in den Abwärtssog geraten.
Experten sind sich uneins: Die Commerzbank-Analysten bezeichnen den Vorstoß als „aggressiv“, aber vertretbar. Er unterstreiche, „dass es in dieser Krise kein Entrinnen gibt - nicht einmal für die absoluten Top-Credits in der Eurozone“. Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, hat dagegen kein Verständnis. Angesichts der jüngsten Entspannung in der Schuldenkrise liefere S&P in seiner Begründung „schlichtweg und ergreifend Unwahrheiten“.
Damit setzt die Ratingagentur die Euro-Retter unter Handlungsdruck. Das Unternehmen weist darauf hin, dass die Gipfel-Ergebnisse entscheidend für die weitere Bewertung der Länder der Eurozone seien. Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsident Nicolas Sarkozy könnte die Drohung zur Unzeit sogar in die Karten spielen. Merkel liefert sie Argumente dafür, die europäischen Verträge zugunsten von mehr Haushaltsdisziplin und automatischen Schuldenbremsen zu ändern. Sarkozy stärkt sie innenpolitisch den Rücken, um die Sparanstrengungen zu forcieren.
Weltweit verfügen noch nicht einmal 20 Staaten über ein „AAA“-Rating von S&P, dazu zählen aber auch einige Steueroasen und Zwergstaaten. In Europa verfügen - noch - zwölf Länder über ein Top-Rating. Von den großen Industrie- und Schwellenländern (G20) sind es fünf. Dazu gehören Deutschland, Frankreich, Kanada, Australien und Großbritannien. Industriegiganten wie die USA („AA+“), China („AA-“) oder Japan („AA-“) sind nicht darunter. Investoren reagieren jedoch häufig erst auf Herabstufungen, wenn mindestens zwei Agenturen sie vornehmen. Die USA beispielsweise werden von Fitch und Moody's bislang noch mit „Triple A“ bewertet.
Grundsätzlich legen die großen Agenturen ihre Methodik nicht im Detail offen. Kritiker bemängeln besonders im Zusammenhang mit der Schuldenkrise im Euroraum, dass die Ratingunternehmen lediglich den Marktentwicklungen folgen und auf neue Zuspitzungen reagieren, auch wenn diese fundamental nicht immer gerechtfertigt seien. Experten sehen den harten Kurs allerdings auch im Zusammenhang mit den laschen Bewertungsstandards während der US-Hypothekenkrise waren. Damals mussten sich die Bonitätsprüfer häufig den Vorwurf gefallen lassen, riskante Papiere tendenziell zu positiv zu bewerten.
Die Auswirkungen der Krise werden verheerend seien, orakelte er - dementsprechend gefährlich werde das Engagement in die Anleihen der Euro-Staaten. Und da gehört Deutschland nun mal dazu. Die betroffenen Länder würden nun darum kämpfen, dass Investoren wie GLG Partners ihre Anleihen kaufen, sagte Baz. Und er ist nicht der einzige, der so denkt: Rund die Hälfte der Hedgefonds-Manager, die an der Branchenkonferenz teilnahmen, äußerten sich gegenüber der Financial Times England ähnlich pessimistisch. Sie gehen davon aus, dass sich die Renditen für deutsche Staatsanleihen binnen eines Jahres verdoppeln werden. Auch ein Ex-Goldman Sachs-Banker sagte, dass Deutschland sich nicht ewig mit günstigem Kapital versorgen könne.
Zwar haben zehnjährige Bundesanleihen derzeit eine vergleichsweise niedrige Rendite von 1,53 Prozent. Anfang Juni waren es jedoch noch 1,13 Prozent. Das zeigt, wie nervös die Anleger werden. Es sieht ganz so aus, als könnten künftig einige Investoren dem Beispiel Pimcos folgen. Das war noch vor wenigen Wochen für Analysten völlig ausgeschlossen: "Sollte ein Bruch der Euro-Zone wahrscheinlicher werden, wären deutsche Bonds erst recht wieder Zufluchtsort,“ sagten die Analysten der Metzler Bank.