Staatsfonds im Crash So clever hat die Schweizer Nationalbank ihre 700 Milliarden angelegt

Schweizer Franken Quelle: imago images

160 Milliarden Franken hat die Schweizer Nationalbank weltweit in Aktien gestreut. Im Crash haben die an Wert verloren, ebenso wie der Norwegische Pensionsfonds. So richtig schlimm hat es sie aber nicht getroffen, denn die Manager haben vorgesorgt. Daran könnte sich auch Deutschland ein Beispiel nehmen.

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In der Schweiz haben Banker eine lange Tradition. Die Vermögensverwaltung steckt den Eidgenossen in den Genen. Dass sie zumindest die Grundlagen der Geldanlage gut beherrschen, zeigt sich  bei der Schweizer Nationalbank. Sie hat Devisenreserven von rund 700 Milliarden Franken. Aber sie hat die Milliarden aus ihrer Bilanz nicht nur auf Konten gebunkert, sondern auch teilweise am Kapitalmarkt angelegt.

Wie kommt die kleine Schweiz an so viel Geld? Wie immer in Krisen ist der Schweizer Franken auch in der Coronakrise eine Fluchtwährung. Anleger aus aller Welt sind seit Jahrzehnten bereit, ihre Heimatwährungen – Euro, Dollar oder noch weichere Devisen - abzugeben, um dafür Schweizer Franken zu kaufen. Gebucht werden die Währungskäufe der Flüchtenden als Devisenreserven der Schweizer Nationalbank (SNB). Die hat aber alle Hände voll zu tun, damit der Frankenkurs bei so viel Nachfrage nicht durch die Decke geht, denn das belastet die Schweizer Exportwirtschaft. Um ihren sagenhaften Devisenschatz loszuwerden und den Franken zu drücken, gehen die Schweizer in die Welt und verteilen ihre Franken global – auch auf Gold, Anleihen und Aktien –, vor allem US-Titel und Euroland-Papiere sind dabei.

Kann Deutschland jetzt froh sein, dass es keinen Staatsfonds gibt? Aktien haben weltweit in diesem Jahr im Schnitt ein Drittel verloren. Aber die Schweizer Nationalbanker sind ja nicht blind in ihr Verderben gerannt. Sie haben beherzigt, was jeder Anlageberater seinen Kunden predigt: Nicht alle Eier in einen Korb legen, sondern das Vermögen verteilen, lautet stets die Mahnung. Die Schweizer haben diversifiziert und immer noch genug Liquidität – die könnten Notenbanken zudem auch selbst herstellen.

Die SNB hatte Ende 2019 etwa 70 Prozent ihrer Devisenreserven sicher in Staatsanleihen mit im Schnitt 4,7 Jahren Restlaufzeit gesteckt und davon etwa zwei Drittel in solche mit der höchsten Bonitätsnote von Triple-A. Da kommen nur die Schweiz selber sowie Deutschland, Niederlande und Luxemburg infrage. Mit Käufen solcher Anleihen hat sie versucht, den Frankenkurs gegenüber dem Euro zu drücken. Anleihen sind gewöhnlich in Krisen ein sicherer Hafen, Verluste aus Aktien federn sie ab. Die Kurse dieser Anleihen sind in der Coronakrise leicht gestiegen.

Der Aktienanteil in dem Depot hat Verluste, aber er machte Ende 2019 auch nur etwa 20 Prozent des Gesamtbestandes aus – das waren Ende Januar etwa 160 Milliarden Franken. Die Schweizer haben die Prozesse ihrer Anlagestrategie genau dargestellt, lassen sich aber bei der genauen Anlage der Gelder – anders als etwa Norwegen beim nationalen Pensionsfonds – nicht in die Karten schauen.

In den USA sind allerdings Großanleger zur Veröffentlichung ihres Bestandes verpflichtet. Und dort gewährt dann auch die SNB einen Einblick ins Depot: Man sieht hunderte Aktien von kleineren und großen US-Unternehmen aus Indizes wie Dow Jones und Nasdaq. Die Liste reicht von Abbott Laboratories (Pharma) und Abercrombie & Fitch (Mode) bis zu Zynga (Spieleanbieter). Ende Februar machten US-Aktien rund 97 Milliarden Schweizer Franken aus. Am Jahresende könnten es, vor dem Crash, 20 Milliarden Franken mehr gewesen sein. Das klingt gewaltig, aber allein die Marktkapitalisierung der Deutschen Bank ist in den vergangenen Wochen in einer ähnlichen Größenordnung gesunken.

Ganz genau lässt sich das nicht kalkulieren: Die SNB verweist auf ausgefeilte Risikosysteme. Manche Vermögensverwalter haben bei den kippenden Kursen schon in der Karnevalswoche mit Indexfutures ihre Aktien vor weiteren Verlusten abgesichert. Sie behalten dann die Aktien im Bestand und kassieren weiter die Dividenden, verringern aber die Verluste. Mit Kurslimits wären sie aus allen Aktien rausgeflogen und müssten sie mühsam und teuer später wieder nachkaufen.

Mitunter haben es die Schweizer ähnlich gemacht - oder auch einfach gar nichts unternommen und das Depot den Marktkräften überlassen. Denn Eingriffe könnten wiederum für ihre Währungspolitik kontraproduktiv sein. Notenbanken haben gewöhnlich viel Zeit und können auch Aktienverluste aussitzen.

In systemrelevante Banken investiert die SNB nicht. Sie hat bei ihrer Anlage ähnliche Probleme wie Privatanleger: Fast die Hälfte der Anleihen im Depot hatten 2019 negative Renditen. Bei den Aktien wählt sie nicht frei aus, sondern orientiert sich an Indizes, um Interessenkonflikten vorzubeugen. Umstrittene Branchen sollen gemieden werden, die SNB kauft keine Aktien von Unternehmen, die „Menschenrechte massiv verletzen, gravierende Umweltschäden verursachen oder in die Produktion international geächteter Waffen involviert sind“, schreibt sie in den Statuten. Die Aktienportfolios enthielten Ende 2019 hauptsächlich Aktien mittel- und großkapitalisierter Unternehmen aus Industrieländern. Daneben wurden auch Aktien kleinkapitalisierter Unternehmen (Small Caps) aus Industrieländern sowie Aktien aus Schwellenländern gehalten. Daraus ergab sich ein global breit diversifiziertes Aktienportfolio mit rund 6800 Einzelaktien, davon knapp 1500 Titel mittlerer und großer sowie rund 4300 kleiner Unternehmen.

Da die SNB durch die Anlagen ihre Währung schwächen möchte, muss sie stets damit rechnen, dass ihre Geldanlagen durch Währungsverluste weniger Rendite erzielen, weil die Währungen anderer Länder gegenüber dem Franken tendenziell abwerten. Ein Dilemma, das sie nicht ändern kann, ohne nicht wieder den Franken zu stärken. Also bleiben Währungssicherungsgeschäfte aus. Auch das hat die Performance in diesem Jahr belastet.

Aber das große Plus ihres Aktienbestandes würde sich zeigen, so zumindest sehen es manche Experten, wenn es hart auf hart kommt, etwa in einer Währungsreform. Die SNB hält Devisenreserven nicht nur auf Konten und bläht mit Geld ihre Bilanz auf, sondern legt Gelder substanzstark an. Die Schweizer haben im Krisenfall Unternehmen mit Produkten, Patenten, Gebäuden, Maschinen im Bestand. Mit solchen Unternehmensbeteiligungen wären die Schweizer in einem Geldcrash vielleicht fein raus. Da sie allerdings nur 20 Prozent ihrer Gelder in Aktien parken, mögen sie das Risiko momentan als gering einschätzen. Der Goldbarren-Anteil im Bestand ist auch kein Hinweis darauf, dass man einen Kollaps im Finanzsystem erwartet. Allerdings ist Verschwiegenheit bei Schweizer Bankern ebenfalls legendär. Falls man wirkliche Vorsorgemaßnahmen gegen einen Kollaps träfe, würde man sich gar nicht in die Karten schauen lassen.

Norwegens Staatsfonds mit Verlusten

Deshalb ist die Schweiz nicht mit Norwegen vergleichbar. Dort wird sekündlich der aktuelle Stand des Norwegischen Staats-Pensionsfonds beziffert, alle Einzelinvestments in einem Land sind transparent, sogar die Kandidatenliste für den neuen Chefposten war öffentlich einsehbar. Neuer Chefanleger der Norweger wird Nicolai Tangen, ein Vermögensverwalter, der die vergangenen 28 Jahre in London gelebt und gearbeitet hat. Tangen muss den Fonds aus dem Minus holen. War der Fonds Ende 2019 noch 871 Milliarden Euro schwer, ist er bis zum 26. März 2020 auf 849 Milliarden Euro gefallen. Das wäre ein geringes Minus von nur 2,5 Prozent, es entspricht aber nicht dem Anlageerfolg, denn es sind in der Zwischenzeit noch Einzahlungen gemacht worden. Der Fonds hat mit einem Aktienbestand von 70 Prozent ein Minus von 16 Prozent im laufenden Jahr erzielt.

Er konnte von hohen Währungsgewinnen profitieren, die Norwegische Krone hat durch den niedrigen Ölpreis stark an Wert verloren, da lohnen sich Investments im Ausland. Die Norweger verzichten auf Gold, nutzen aber Anleihen sowie Immobilien. Jeder kann dem neuen Chef jetzt quasi dabei zusehen, wenn er das Portfolio verändert.

Diese Chance bieten die Schweizer nicht. Die gigantischen Summen aber, die beide Länder angelegt haben, sind ein gutes Polster für die Zukunft. Auf Rettungspakete, mit denen man künftigen Generationen noch mehr Lasten aufbürdet, weil man sie mit Schulden finanziert, könnten diese Staaten verzichten. Das wäre auch ein Modell für das viel größere Deutschland – auch wenn ein Vielfaches der Mittel benötigt würde. Vor Ausbruch der Coronakrise gab es diverse Vorstöße für einen Staatsfonds zur Altersvorsorge. Bisher hat sich hier noch nichts konkretisiert. Das kann aber noch kommen – und sei es, um deutsche Unternehmen vor Übernahmen zu schützen.

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