Stelter strategisch

Meine Top-Ten-Thesen für 2019

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2019 drohen Rezession, Deflation, fallende Börsen und steigende Goldpreise

In anderer Hinsicht macht es durchaus Sinn, sich über die Entwicklung des kommenden Jahres Gedanken zu machen. Nimmt man die Übung ernst und sieht sie nicht nur als ein Marketinginstrument, schärft es den Blick auf die Märkte. Wenn man dann noch akzeptiert, dass es meist nur eine Verschiebung einer Entwicklung auf der Zeitschiene ist, und nicht unbedingt eine falsche Sicht, können Anleger daraus durchaus Nutzen für die eigene Portfolioallokation ziehen.

Deshalb auf vielfältigen Wunsch der Leser von Stelter Strategisch meine Thesen für 2019. Persönlich hoffe ich auf eine Quote von weniger als 50 Prozent, wenn ich in einem Jahr zurückblicke, sind doch meine Erwartungen für 2019 sehr gedämpft:

1. Der Handelskrieg verlagert sich auf Europa: Obwohl es bei dem Konflikt zwischen den USA und China um weit mehr geht als den Handel, nämlich um den Konflikt zwischen einer Hegemonialmacht und einem aufstrebenden Konkurrenten, könnte es gut sein, dass China und die USA einen (Formel-) Kompromiss finden, den der amerikanische Präsident als Sieg verkaufen kann. Danach dürfte es gegen Europa und vor allem die Automobilindustrie weitergehen. Dieser Konflikt dürfte Deutschland am härtesten treffen und nochmals verdeutlichen, wie falsch die einseitige Ausrichtung auf den Export ist. Am Ende steht ein verstärkter Druck auf Arbeitsplätze hierzulande, weil den Unternehmen nichts anderes bleibt, als mehr Wertschöpfung ins Ausland zu verlagern.

2. Chinas Wirtschaftswachstum fällt weiter: Trotz der möglichen Entspannung im Handelskonflikt dürfte das Wirtschaftswachstum in China im kommenden Jahr weiter zurückgehen. Zu hoch ist die Schuldenlast, die das Land in den letzten Jahren angehäuft hat, zu hoch die Überkapazitäten in wichtigen Industrien und am Immobilienmarkt. Der Umbau der Wirtschaft weg von Investitionen und Export zu mehr Binnennachfrage bleibt schwierig und obwohl das Land nicht zwingend in eine Krise stürzen muss, dürfte es als Zugmaschine für die Weltwirtschaft ausfallen.

3. USA und Europa fallen in die Rezession: Bekanntlich hat die Börse zehn der letzten fünf Rezessionen vorhergesagt und es ist durchaus möglich, dass die jüngsten Turbulenzen an den Börsen kein klarer Indikator für eine Rezession in den USA und Europa sind. Andererseits sind die maßgeblichen Notenbanken (USA, Eurozone, Japan) vom Gas gegangen und die weltweite Liquidität wächst nicht mehr wie in den Jahren zuvor. Angesichts der hohen Verschuldung in der Welt schlägt sich bereits eine Verlangsamung des Geldmengenwachstums negativ an Kapitalmärkten und in der Realwirtschaft nieder. Der (künstliche) Aufschwung seit 2009, im historischen Vergleich ohnehin sehr schwach, dürfte 2019 offiziell enden. Wie immer wird es von den Statistikämtern erst im Nachhinein bestätigt werden.

4. Die Deflation kehrt zurück: Obwohl zunächst die Inflationsangst die Märkte bewegen wird, ausgehend von der berechtigten Erwartung, dass sich steigende Löhne (vor allem in den USA) in entsprechenden Preissteigerungen niederschlagen, dürfte 2019 das Jahr werden, in dem die Angst vor einer deflationären Entwicklung zurückkehrt. Nachlassende Nachfrage, anhaltende Überkapazitäten und untragbare Schuldenlast vergrößern den weltweiten Deflationsdruck. In der Folge werden die Notenbanken umschalten und statt Zinserhöhungen werden weitere geldpolitische Maßnahmen zur Rettung von Weltwirtschaft und Finanzmärkten diskutiert werden.

5. Krise bei Unternehmensanleihen: An meiner Erwartung einer Krise im Bereich der Unternehmensanleihen in den USA und auch Europa halte ich fest. Seit 2009 ist das Volumen an BBB Bonds in den USA um fast 230 Prozent auf nunmehr 2500 Milliarden US-Dollar angewachsen. Gut 1000 der 2500 Milliarden Dollar in Anleihen, die noch mit BBB geratet sind, haben einen Verschuldungsgrad auf Junkbond-Niveau. Diese müssten also eigentlich ihr Rating verlieren. Noch können Unternehmen und Ratingagenturen die Illusion aufrechterhalten, alles sei bestens. Kommt es zu einer Welle an Herabstufungen, drohen massive Kursverluste im Anleihebereich. Zwangsverkäufe treffen auf keine oder unzureichende Nachfrage. Ein Margin Call nimmt sich im Vergleich dazu als Spaziergang aus. Schlimmer noch sieht es bei Leveraged Loans aus, also Krediten, die an Unternehmen mit hoher Verschuldung gegen unzureichende oder gar ohne Sicherheiten gegeben wurden. Hier fehlt im Markt jegliche Liquidität und die Investoren stehen vor erheblichen Verlusten, die auf das gesamte Finanzsystem ausstrahlen.

6. Die US-Börse fällt weiter: Deshalb steht uns ein veritabler Bärenmarkt ins Haus. Schon heute ist offensichtlich, dass die Börsen angeschlagen sind und viele Werte sich in einer Baisse (definiert als ein Verlust von mehr als 20 Prozent gegenüber dem Höchststand der vergangenen zwölf Monate) befinden. Eine Konjunkturabschwächung, knappere Liquiditätsversorgung und die Krise an den Anleihenmärkten werden die Börsen nachhaltig belasten. Obwohl Europa, Japan und die Schwellenmärkte deutlich günstiger als die US-Börse sind, werden sie sich diesem Trend nicht entziehen können. 2019 wird an den Börsen keinen Spaß machen.

7. Der Dollar fällt: Ungeachtet der sich weiter zuspitzenden Probleme in der Eurozone dürfte der US-Dollar gegenüber dem Euro und den anderen maßgeblichen Währungen der Welt deutlich verlieren. Angesichts tendenziell fallender Zinsen, einer Rezession in den USA und den Problemen am Markt für Unternehmensanleihen, dürfte der Dollar zu relativer Schwäche neigen.

8. Gold hingegen steht vor einem (relativ) guten Jahr: Von einigen Ausnahmen abgesehen, wie der aktuellen Titelgeschichte der WirtschaftsWoche, ist die Haltung in den Märkten mit Blick auf Gold eher negativ. Angesichts der sich abzeichnenden Probleme in den Finanzmärkten und den sich daraus zwangsläufig ergebenden Rettungsmaßnahmen der Notenbanken (Stichwort: Helikoptergeld) dürfte Gold an relativer Attraktivität gewinnen und sollte 2019 zu den Gewinnern gehören.

9. Cash als bestes Investment:2019 dürfte man am besten mit einer hohen Liquiditätsquote, geparkt in kurzlaufenden Anleihen sicherer Schuldner überstehen. Zwar spricht die schlechte Performance fast aller Assetklassen in diesem Jahr für ein besseres 2019, doch fällt die Vorstellung schwer, angesichts der erheblichen realwirtschaftlichen und monetären Gegenwinde auf eine Umkehr an den Märkten zu wetten. So schnell und leicht dürften sich die Folgen von zehn Jahren außergewöhnlicher geldpolitischer Maßnahmen zur Stabilisierung des weltweiten Schuldenturms nicht bewältigen lassen.

10. Die CDU verliert weiter: Die Europawahl wird in einem Umfeld nachlassenden Wachstums und zunehmender politischer und sozialer Spannungen stattfinden. Überall gewinnen die EU- und Euro-kritischen Parteien deutlich hinzu. Der CSU-Politiker Manfred Weber wird nicht der nächste Kommissionspräsident.

Der eine oder andere Leser mag sich fragen, weshalb ich nicht den Brexit, eines der größten Risiken für die weitere Entwicklung, auf der Liste habe. Der Grund dafür ist einfach. Ich denke es ist unmöglich, eine Aussage zu treffen, wie es in Großbritannien weitergeht. Mittel- und langfristig muss ein EU-Austritt für das Land keine negativen Wirkungen haben, wie ich an dieser Stelle schon mehrfach ausgeführt habe. Kurzfristig ist unstrittig, dass ein sogenannter Hard-Brexit nicht nur Großbritannien, sondern auch die EU in eine wirtschaftliche und politische Krise stürzen würde. Bleibt nur zu hoffen, dass es den Akteuren gelingt, dieses Szenario zu verhindern.

Bleibt mir, mich bei Ihnen, meinen regelmäßigen Lesern zu bedanken. Ich wünsche Ihnen erholsame Weihnachtstage und ein 2019, welches sich deutlich besser darstellt, als hier prognostiziert. Die nächste Folge „Stelter Strategisch“ lesen Sie dann am 17. Januar 2019.

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