Stelter strategisch

Die Sorglosigkeit der Anleger trügt - Cash ist King

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Aktien alternativlos

Wie kann es sein, dass bei der Alternative hoher Zinsen und tiefer Bewertungen die Anleger hohe Liquiditätspolster hielten – also offensichtliche Opportunitätskosten in Kauf nahmen – und heute bei bestenfalls mauer Rendite langfristige Anlagen vornehmen? Es hat mit den Erwartungen zu tun. Nachdem in den 1970er Jahren die Zinsen immer höher stiegen und die Aktien immer weiter fielen, war es menschlich, eine Fortsetzung des Trends zu erwarten.

Heute ist es umgekehrt. Nachdem die Zinsen über mehr als drei Jahrzehnte nur gesunken sind und die Börsen allen Schwankungen zum Trotz deutlich zulegten, fällt es schwer, eine Trendumkehr anzunehmen. So hat ein Leser mich auf die Aktienrisikoprämie verwiesen (in diesem Fall definiert als Differenz zwischen dem Kehrwert des Shiller-KGV und der Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen) welche immer noch für Aktien spricht. Den tiefen Zinsen sei Dank. Letztere könnten ja angesichts der ungelösten Schuldenprobleme in der Welt gar nicht steigen und selbst wenn die Inflation anziehen würde, wäre ja, wie ich immer wieder beschrieben hätte, ein Zinsanstieg ausgeschlossen, weil nur so die Notenbanken das Ziel der Entwertung von Schulden und Forderungen erreichten. Deshalb wären Aktien doch trotz der hohen Bewertung allemal besser als Cash.

Da war es wieder das Argument der Alternativlosigkeit der Anlage des Geldes, vor allem in Aktien. Eine Fortsetzung des Trends zu tieferen Zinsen und höherer Bewertung von Aktien wird vorausgesetzt. Dabei kann man durchaus eine andere Sichtweise einnehmen:

- Zunächst ist es unstrittig, dass es besser ist, Aktien zu kaufen, wenn die Prämie positiv ist und nicht negativ. Danach sind Aktien verglichen mit den Boomjahren der Wall Street billig. Allerdings zeigen die Daten auch, dass es neben dem Niveau vor allem auf die Veränderung ankommt. Sinken die Zinsen (wie in den 1980ern/90ern) und steigen die Gewinne, können Aktien ein gutes Investment sein, obwohl die Aktienrisikoprämie niedrig oder gar negativ ist.

- Allerdings stellt sich die Frage ob es wirklich sachlich richtig ist, entsprechende künftige Gewinne anzunehmen, wenn das Zinsumfeld eher tiefe Wachstumsraten signalisiert. Demnach dürften die Gewinne in Zukunft auch nur noch wenig zunehmen (außer man nimmt ewig steigende Margen an, was ebenfalls unrealistisch ist). Dann ist die Erwartung der Aktienrendite jedoch zu hoch.

- Ich denke, es muss keinen Crash geben (wobei es genug Gründe gäbe), allerdings sinken die zu erwartenden Renditen mit Aktien deutlich, je mehr man heute für sie bezahlt. Asymptotisch nähert sich dann die Rendite der von Cash an.

- Natürlich dürfen die Zinsen nicht steigen. Das ist eine Grundvoraussetzung, damit es nicht zum finalen Crash kommt. Allerdings dürfte der damit nur aufgeschoben, nicht aufgehoben sein. Zumindest wenn wir noch an die Funktionsfähigkeit der Märkte glauben. Alles andere wäre Notenbanksozialismus, der aber ebenso wie der real existierende Sozialismus nur temporär funktionieren kann. Immer wieder lesenswert dazu mein Beitrag: Margin Call für die Weltwirtschaft.

- Käme es zur Inflation, würden die Notenbanken natürlich nicht gegensteuern, weshalb es zu einem deutlichen Ausbruch kommen könnte, so die Umlaufgeschwindigkeit entsprechend steigt. Dann jedoch steigen die Zinsen, egal, was die Notenbanken machen. Außer, sie kaufen alles zu einem gesetzten Preis auf.

- Sobald die Inflation wirklich steigt, dürften Aktien ebenfalls unter Druck kommen. Zumindest solange wir keine Hyperinflation haben. Das war in den 1970er-Jahren in den USA gut zu beobachten. Vor allem Unternehmen, die hoch verschuldet waren, sind damals unter Druck gekommen. Da wir es heute mit einer Rekordverschuldung der US-Unternehmen zu tun haben, bekommen diese dann Druck von zwei Seiten: Marge und Zinskosten.

- Kommt es zu einer Hyperinflation, ist alles besser als Cash.

Fazit: Was mich stört, sind der Konsens und die Sorglosigkeit. Alle glauben, es geht (ewig?) so weiter. Die Erfahrung spricht aber dagegen!

Wenn alle glauben es geht ewig weiter, wenn alle denken, die Notenbanken wären allmächtig und würden jeden Einbruch verhindern, wenn schon (fast) alle investiert sind und jene, die es noch nicht sind, nur auf eine Gelegenheit zum Einstieg warten, ist das Ende der Party nah. So wie man in den 1980er Jahren wenig statt viel Liquidität hätte halten sollen, gilt heute das Umgekehrte: Cash ist King.

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