Stelter strategisch

Die endlose Euro-„Rettung“ wird teuer

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Billionen Euro Schulden für die EZB

Mittelfristig spricht viel für den Austritt des Landes, einfach weil die Probleme zu groß sind und ohne einen Schuldenschnitt und eine Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit mittels einer schwächeren eigenen Währung eine nachhaltige Erholung undenkbar ist. Erfolgt dies ungeordnet, wäre eine unsteuerbare Kettenreaktion die Folge. Der Euro wäre Geschichte.

Das wäre zweifellos einer der größten Schocks in der Geschichte der Weltfinanzmärkte. Die Deutsche Bank rechnet mit einer Abwertung der wieder eingeführten Währungen in einer Größenordnung von rund vierzig Prozent für Spanien, Griechenland, Italien und Portugal und einem Verlust der neuen Deutschen Mark von rund zehn Prozent gegenüber dem Dollar. Hier wäre die Ursache die unvermeidliche schwere Rezession hierzulande. Was das für Anleger bedeuten würde habe ich hier schon 2015 diskutiert: Was wäre wenn der Euro platzt?

Die EZB-Lösung?

Um einen chaotischen Zerfall zu vermeiden, muss man bereit sein, ungewöhnliche und radikale Maßnahmen zu ergreifen. Selbst wenn am Ende des Prozesses eine verkleinerte Euro-Zone stehen soll, ist der Weg dahin intelligent zu managen. Dabei muss es aus Sicht der Politiker darum gehen, die faulen Schulden aus der Welt zu schaffen, ohne dass die Gläubiger durch diesen Abbau der Schulden etwas verlieren. Zumindest dürfen sie nicht merken, dass sie etwas verloren haben.

Die schier endlosen Finanzprobleme der südeuropäischen Länder
Mit einem Wachstum von 2,7 Prozent lag Portugal 2017 in der Eurozone gut vorne. Quelle: dpa
Portugals Ministerpräsident António Costa Quelle: dpa
Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy ist einer der wichtigsten Verbündeten von Angela Merkel bei der Gestaltung der Zukunft der EU. Quelle: dpa
In Sachen Wirtschaft kann man der spanischen Rajoy-Regierung aber nicht viel vorwerfen. Sie zog das Land mit Reformen und Sparplänen aus der Krise. Quelle: dpa
Arbeitslose stehen in einer Schlange vor einem Arbeitsamt in Alcala de Henares, bei Madrid, Spanien. Quelle: dpa
Sergio Mattarella, Präsident von Italien, spricht nach einem Treffen mit dem designierten Ministerpräsidenten Conte, vor Journalisten. Quelle: dpa
Nach einer langen Rezession wächst die Wirtschaft erst wieder seit 2015, aber nur schwach. Quelle: imago images

Im kleinen Stil kennen wir das durch die schleichende Inflation. Selbst bei den tiefen Inflationsraten in Deutschland verlor die D-Mark zwischen 1948 und 1999 rund 75 Prozent der Kaufkraft. Entsprechend entwerteten sich Schulden und Forderungen. Auch heute könnten (deutlich) höhere Inflationsraten helfen, die Schuldenlast zu reduzieren, doch gibt es angesichts der demografischen Entwicklung und der Globalisierung trotz der intensiven Bemühungen der EZB keine nennenswerte Geldentwertung. Was hingegen steigt, sind die Preise von Vermögenswerten.

Also wird es aggressivere Maßnahmen geben und auf diese müssen wir uns einstellen. Die EZB wird immer mehr in die Rolle des einzigen Garanten der Euro-Zone rutschen. Spätestens bei der nächsten durch eine Rezession oder anders ausgelösten heißen Phase der Euro-Krise, wird die EZB Wege suchen und finden, um diese Krise mit weiteren Interventionen zu unterdrücken.

Wer glaubt, dass dies durch die Verträge der Europartner verhindert wird, ist meines Erachtens naiv. Vor die Wahl gestellt, dass Projekt laut knallend untergehen zu lassen oder aber außergewöhnliche Maßnahmen der EZB zu tolerieren, werden die Politiker aller Staaten der Euro-Zone schweigen. Dabei hilft, dass die Masse der Bevölkerung ohnehin nicht mehr durchblickt, was da mit ihren Ersparnissen passiert.

Szenario der faulen Schulden

Konkret müssen wir uns auf folgendes Szenario einstellen: die EZB kauft in noch größerem Umfang Staatsanleihen, aber auch private Schulden in der Eurozone auf, vorzugshalber von Banken. Letztere verpacken dann auch Problemkredite in extra Wertpapiere, für die die jeweiligen Staaten bürgen und deshalb als „risikofrei“ von der EZB gekauft werden können.

Damit wandert ein immer größerer Brocken der faulen Schulden aus den Büchern der privaten Gläubiger auf die Bilanz der EZB. Kritiker werden die EZB zurecht als „Bad Bank“ schmähen, aber passieren dürfte sonst nichts. Es kommt auch nicht unbedingt mehr Geld in den Umlauf, weil es zunächst nur ein Tausch von Vermögenspositionen (Assets) ist. Die privaten Gläubiger halten dann statt Staatsanleihen etc. eben eine Forderung gegen die EZB. Das eigentliche Geld haben die Banken ja schon vorher geschaffen, als sie dem Staat und den privaten Schuldnern Kredit gewährt haben.

Betreibt man die Käufe lange genug, können drei bis fünf Billionen Euro so auf den Büchern der EZB landen - und damit faktisch verschwinden. Denn die EZB kann diese Forderungen einfach zinslos stellen oder gar offiziell annullieren. Letzteres hatten die vorerst vereitelten Koalitionäre in Italien bereits in die Diskussion eingebracht, mit ihrer Forderung 250 Milliarden Schulden durch die EZB zu erlassen. Angesichts der Dimensionen vor denen wir stehen, wäre das allerdings zu wenig.

Ist das nicht verbotene Staatsfinanzierung? Ja, das ist es. Doch es wäre nicht der erste Vertrag, den die Euro-Retter brechen würden, im Dienst der übergeordneten Sache.

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