Stelter strategisch

Der dumme deutsche Sparer

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Früher galten die belgischen Zahnärzte als Synonym für den dummen Investor, mittlerweile haben wir Deutsche sie locker abgehängt. Unser Wohlstand ist nur eine gut genährte Illusion.

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Lohnt sich Sparen überhaupt noch? Quelle: dpa

Obwohl wir die fleißigsten Sparer in Europa sind, liegen wir in punkto Vermögen weit abgeschlagen hinter Spaniern, Iren, Italienern und Franzosen – und Belgiern. Nach dem gerade veröffentlichten Bericht der Deutschen Bundesbank betrug das durchschnittliche Nettovermögen (Bruttovermögen abzüglich Verschuldung) im Jahr 2014 in Deutschland 214.500 Euro. Das ist doch ganz ordentlich, werden Sie sagen. Doch ein tieferer Blick in die Statistik zeigt, dass drei Viertel der Haushalte in Deutschland ein geringeres Nettovermögen haben als der Durchschnitt. Damit wird der sogenannte Median, das heißt der Wert, der die Haushalte in eine reichere und eine ärmere Hälfte teilt, viel aussagekräftiger, weil er kaum von Extremwerten beeinflusst ist. Dieser Median-Haushalt in der Mitte der Verteilung hatte 2014 aber nur ein Nettovermögen von 60.400 Euro. In der Eurozone hingegen lag dieser Wert schon vor vier Jahren annähernd doppelt so hoch.

Zur Person

Sicher: diese Vermögenslücke, die sich im Vergleich zu den vermeintlich ärmeren Nachbarn in Europa auftut, hat auch damit zu tun, dass zwei verlorene Weltkriege und Währungsreformen viel Vermögen vernichtet haben. Dennoch wage ich die Behauptung, dass sie auch dadurch entsteht,  dass unsere Politiker und die Medien so wenig von Wirtschaft verstehen. Sie freuen sich jedes Jahr aufs Neue, dass wir so erfolgreich im Export sind. Für 2016 rechnen die Experten gar mit einem Exportüberschuss von neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Was wir dabei aber nicht wahrnehmen: wenn ein Land für neun Prozent vom BIP mehr Waren aus- als einführt, exportiert es auch Kapital in gleicher Größenordnung. Das ist eine zwangsläufige Folge.

Für 2015 stellten sich die Zahlen so dar: Die privaten Haushalte sparten 4,8 Prozent des BIP; die Unternehmen, die eigentlich nicht sparen, sondern investieren sollten, sparten 3,2 Prozent vom BIP und sogar der Staat sparte 0,6 Prozent vom BIP. In Summe also 8,6 Prozent vom BIP, die wir nicht im Inland konsumiert oder investiert haben. Diese Ersparnisse flossen ins Ausland, finanzierten dort Konsum und Investition. Korrespondierend dazu konnten wir mehr exportieren als importieren.

So sparen die Deutschen
57 Prozent der Teilnehmer ihr Geld in ein Sparschwein Quelle: dpa
Girokonto Quelle: dpa
Sparbuch Quelle: dpa
Tagesgeld Quelle: dpa
Bausparvertrag Quelle: Fotolia
Lebensversicherung Quelle: dpa
Altersvorsorge Quelle: dpa

Die Verluste im Zuge der Finanzkrise werden auf 600 Milliarden geschätzt

Soweit so gut, könnte man anmerken, bauen wir doch damit Forderungen an das Ausland auf, die wir dann, wenn wir das Geld mal brauchen, zum Beispiel um Renten zu bezahlen, wieder abbauen. Idealerweise legen wir das Geld sogar so an, dass wir deutlich mehr zurückbekommen, als wir verliehen haben. Doch genau danach sieht es nicht aus. Schon in der Subprime Krise verloren die deutschen Kapitalsammelstellen – also all jene Institutionen, deren Aufgabe es ist, Geld zu verwalten und zu vermehren – 400 Milliarden Euro. Insgesamt werden die Verluste alleine im Zuge der Finanzkrise auf 600 Milliarden geschätzt.

So sieht die Geldanlage der Deutschen aus

Falsche Perspektive vom Exportweltmeister nährt die Illusion von Wohlstand

Selbst der Zahlungsverkehr zwischen den Euroländern, der über das sogenannte Target II-System der Notenbanken abgerechnet wird, kann den deutschen Steuerzahlern noch Verluste einbringen. So liegen die Target II Forderungen der Bundesbank an die anderen Notenbanken im Eurosystem bei atemberaubenden 605 Milliarden Euro. Die werden kaum beglichen werden, wenn eines der Länder mit negativem Saldo wegbrechen sollte. So nährt die falsche Perspektive vom Exportweltmeister die Illusion von Wohlstand.

 

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