Stelter strategisch

GE steht symptomatisch für die Krise des Systems

Seite 2/2

Der gesamte Anleihemarkt ist anfällig

Schon seit Monaten zeichnet sich eine Rotation in Unternehmen mit geringerer Verschuldung ab – wie ebenfalls diskutiert ein untrügliches Zeichen für ein baldiges Ende des Aufschwungs. Der Anleihenmarkt zeigt sich davon jedoch noch unbeeindruckt. Obwohl sich die Anzeichen für ein Ende der Hausse mehren und die schlechte Finanzlage der US-Unternehmen allgemein bekannt ist – immerhin hat sogar der IWF diesbezüglich gewarnt – ist der Risikozuschlag („Spread“) für High Yield Anleihen (also Anleihen von Unternehmen, die nicht mehr Investment Grade sind) nur geringfügig gestiegen und liegt noch deutlich unter dem Niveau von vor einem Jahr.

Der Absturz von GE könnte hier der berühmte Kanarienvogel in der Kohlemine sein. Immerhin Anleihen im Volumen von über 1000 Milliarden US-Dollar könnten in einer Rezession schnell den Investmentgrade Status verlieren und zu Junkbonds werden. Eine massive Krise wäre die unweigerliche Folge.

Seit 2009 ist das Volumen an BBB Bonds in den USA um fast 230 Prozent auf nunmehr 2500 Milliarden US-Dollar angewachsen. Immerhin die Hälfte aller Investment Grade Anleihen haben nur noch ein BBB Rating. Ein Rating, was – wie im Falle von GE – von Ratingagenturen kommt, die schon in der letzten Finanzkrise erst nachlaufend ihre Einschätzung ändern. Das Votum des Marktes ist deshalb besonders wichtig und zeigt eindeutig: Gefahr voraus.

Kommt es zu einer Welle an Herabstufungen drohen massive Kursverluste im Anleihebereich. Zwangsverkäufe treffen auf keine oder unzureichende Nachfrage. Nicht zuletzt in Folge der Regulierung nach der Finanzkrise nehmen die Banken ihre frühere Rolle als Market Maker, die immer für Liquidität sorgen (wenn auch zu einem saftigen Preis), nicht mehr wahr. Ein Margin Call nimmt sich im Vergleich dazu als Spaziergang aus.

Gut 1000 der 2500 Milliarden Dollar Anleihen die noch mit BBB geratet sind, haben einen Verschuldungsgrad auf Junkbond-Niveau, müssten also eigentlich ihr Rating verlieren. Noch können Unternehmen und Ratingagenturen die Illusion aufrechterhalten, alles sei bestens. Die Frage ist nur: wie lange noch? Gut möglich, dass GE nicht nur den Auftakt zu Krise am Anleihenmarkt gibt, sondern zum größten Verlustfall wird.

von Georg Buschmann, Frank Doll, Anton Riedl

GE ist überall

Der Niedergang von General Electric ist traurig. Ein Unternehmen, welches eine wesentliche Rolle in der Entwicklung der US-Wirtschaft gespielt hat, steht vor einer möglicherweise existenziellen Krise. Zugleich ist es jedoch ein Symbol für die breitere Systemkrise, in der wir uns befinden und die in den kommenden Jahren noch so richtig aufbrechen wird.

Seit Mitte der 1980er Jahren setzen wir weltweit auf die Droge des billigen Geldes. Die „Financializationder Wirtschaft wurde immer weiter getrieben. Banken, die eigentlich eine unterstützende Rolle für die Realwirtschaft spielen sollten, zogen einen immer größeren Teil der Gewinne des Unternehmenssektors auf sich. Banker begannen wieder deutlich mehr zu verdienen, als Mitarbeiter anderer Branchen, ein Effekt, der zuletzt in den 1920er Jahren zu beobachten war. Unternehmen aus der Realwirtschaft begannen eigene Finanzgesellschaften aufzubauen und trieben mit immer mehr Financial Engineering die Bewertung nach oben. Übernahmen wurden getätigt, weil sie mehr Rendite versprachen als der Kredit zur Finanzierung kostete. Politiker setzten auf zunehmende Staatsschulden (Europa) und Privatschulden (USA, einige Länder Europas) um von den Wirkungen der Globalisierung abzulenken.

In der Folge wuchsen die Vermögenswerte deutlich schneller als die Wirtschaft, was politische Unzufriedenheit mit sich bringt und zugleich erlahmte die Kraft der Wirtschaft, wirklichen Wohlstand zu schaffen. Die Produktivitätszuwächse nahmen immer mehr ab, während der Anteil der Zombies an den Unternehmen immer mehr zunahm.

Drohte die Party zu enden, wie zuletzt 2009, waren die Notenbanken bereitwillig zur Stelle und haben mit noch billigerem Geld die Party wieder in Gang gesetzt. Ewig wird das aber nicht funktionieren. So wie es bei GE nicht ewig funktioniert hat. Es wird uns so ergehen wie GE. Und zwar nicht nur einzelnen Unternehmen, sondern ganzen Volkswirtschaften. Natürlich werden die Notenbanken und Politiker nochmal alles versuchen um die unweigerliche Anpassungskrise zu verhindern. Die geldpolitischen Helikopter werden schon intellektuell vorbereitet. Das ist aber nur vordergründig eine gute Nachricht, werden die Probleme dadurch noch größer und damit die Schwere und Tiefe der nächsten Krise.

Vorsicht bei Unternehmensanleihen

Das Fazit dieser Überlegungen liegt auf der Hand: wir stehen vor erheblichen Verlusten im Markt für Unternehmensanleihen. Besonders gefährdet sind Junk-Bonds und Anleihen von Unternehmen, die von den Ratingagenturen besser eingestuft werden, als es ihrem Verschuldungsgrad entspricht. Gerade in den USA bieten Staatsanleihen nach dem Zinsanstieg eine durchaus attraktive Möglichkeit, das Geld sicherer anzulegen. In Europa, wo die Situation nur geringfügig besser ist, besteht diese Möglichkeit leider nicht. Doch auch hier ist es besser, auf Rendite zu verzichten.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%