Stelter strategisch
So ruiniert uns die Politik Quelle: dpa

Ein ernüchternder Blick auf Deutschland

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Medien und Politik schwärmen vom reichen Land Deutschland. In Wahrheit leben wir von der Substanz und überschätzen unsere Leistungsfähigkeit. Keine guten Aussichten.

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Gute Nachricht vergangene Woche: nach der jüngsten Untersuchung des World Economic Forum (WEF) macht Deutschland in der globalen Wettbewerbsfähigkeit zwei Plätze gut, überholt die Niederlande und die Schweiz und liegt nun nach Singapur und den USA auf Platz 3. Es geht also voran, dürfte man da meinen. Da spielt auch keine Rolle, dass hinter dem Aufstieg Deutschlands eine geänderte Methodik steht. Der WEF verlässt sich weniger auf Expertenmeinungen, die vom Image eines Landes verzerrt sein könnten und blickt stattdessen auf die harten Fakten, vor allem die Innovationsfähigkeit. Weil Deutschland hier besonders gut dasteht – der WEF misst das an Patentanmeldungen, wissenschaftlichen Veröffentlichungen, den Fachkenntnissen und dem bereits an den Schulen gefördertem kritischen Denken – sind wir für die Zukunft gut gerüstet. Trotz schlechter Breitbandinfrastruktur und fehlenden IT-Fähigkeiten – Themen, von denen man annehmen könnte, dass sie gerade für die Zukunft eine Rolle spielen – macht uns also so schnell niemand was vor. So das WEF.

Schlechte Nachricht vergangene Woche: nach einer Analyse des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist der deutsche Staat einer der Ärmsten der Welt. Für die Studie wurden 31 Länder untersucht, die immerhin für 61 Prozent des Weltbruttoinlandsprodukts stehen und über ein Nettovermögen von über 100 Billionen US-Dollar verfügen. Zum Vermögen zählt der Fonds dabei Bodenschätze, Infrastruktur, öffentliche Unternehmen und finanzielle Assets, wie beispielsweise Staatsfonds. Abgezogen werden davon die offiziell ausgewiesenen Schulden der Staaten aber auch die verdeckten Verbindlichkeiten wie beispielsweise für Pensionen. Wenig überraschend liegt Norwegen in der Untersuchung an der Spitze, dank des schon seit Jahren existierenden und gut gemanagten Staatsfonds, der die Öl- und Gaseinnahmen des Landes weltweit ertragsbringend investiert. Auf Platz zwei gefolgt von Russland, welches von geringer Verschuldung und enormen Rohstoffvorräten profitiert. Am anderen Ende des Spektrums, also mit geringem Vermögen rangieren Staaten wie Portugal, England, Frankreich und eben Deutschland.

Einem geringen staatlichen Vermögen – wir haben keinen Staatsfonds, keine Rohstoffe, nur noch wenige staatliche Unternehmen und eine zunehmend überalterte Infrastruktur – stehen in Deutschland erhebliche Schulden des Staates gegenüber. Zwar ist die offiziell ausgewiesene Verschuldung gering. Die verdeckten Verpflichtungen des Staates für Pensionen sind erheblich und dabei hat der IWF die Verpflichtungen aus dem formell separaten Renten- und Sozialsystem nicht einmal mitgerechnet. Dabei wissen wir alle, dass in Zukunft immer mehr Steuergelder darauf verwendet werden müssen, die Lücken in den Sozialversicherungen zu schließen. Die Schulden sind also noch höher.

Armer Exportweltmeister

Das WEF steht mit seiner positiven Beurteilung Deutschlands ziemlich alleine da. Schon seit Jahren wird Deutschland in den Rankings von Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit nach unten durchgereicht. Im „Doing-Business-Report“ der Weltbank auf Platz 20, im Wettbewerbsranking des IMD auf Platz 15. Die Leistungen in der Bildung, gemessen an Pisa und den für die künftige Innovationsfähigkeit besonders wichtigen mathematischen Fähigkeiten (TIMSS - Trends in International Mathematics and Science Study) geht es seit Jahren steil bergab. So erreichten in der jüngsten Studie nur etwas mehr als fünf Prozent der deutschen Viertklässler die höchste Leistungsgruppe in Mathematik, aber immerhin 50 Prozent der Schüler aus Singapur und über 30 Prozent der Japaner.

Deutschland altert rapide und der deutliche Rückgang der Erwerbsbevölkerung setzt gerade ein. Der geburtenstärkste Jahrgang, der 1964er, hat nur noch zehn bis 15 aktive Jahre vor sich. Spätestens jetzt müssten wir für das Alter vorsorgen, Vermögen bilden und künftige Einkommen sichern. Ein Blick hinter die Fassade verrät schnell, dass es Deutschland ergeht wie einem Mittfünfziger, der seine Hausaufgaben für die Altersvorsorge nicht macht. Wir überschätzen die Sicherheit unseres Arbeitsplatzes, wir überschätzen die reale Kaufkraft unseres Einkommens, wir überschätzen die Reserven fürs Alter und wir geben zu viel Geld für die falschen Dinge aus.

Der Exportweltmeister ist in Wahrheit ein armes Land. Abgewirtschaftet von einer falschen Politik, die Konsum vor Investitionen stellt.

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