Stelter strategisch

Inflation? - Kein Selbstmord aus Angst vor dem Tod!

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Einseitige Wetten

Gegen diesen Trend zur säkularen Stagnation kämpfen die Notenbanken mit immer aggressiveren Instrumenten an und allen Beteuerungen zum Trotz dürften wir das Ende noch nicht erreicht haben. Dass bisher trotz der gigantischen Ausweitung der weltweiten Notenbankbilanzen noch keine deutliche Inflation zu sehen ist, zeigt, wie stark der deflationäre Trend ist. Auch der Anstieg der Inflation in den letzten Monaten dürfte nur ein vorübergehendes Phänomen sein.

Inflation gibt es in diesem Umfeld nur in zwei Szenarien: entweder es kommt zu einem grundlegenden Wandel in den vier genannten Faktoren – bisher noch nicht abzusehen – oder aber es kommt zu einer Zerrüttung des Vertrauens in Geld. Letzteres ist natürlich in Teilen schon zu beobachten – unter anderem in der Flucht in Sachwerte. Wie sonst lassen sich Kaufpreise von Mietimmobilien zum 50-fachen der Jahresnettokaltmiete, wie in einigen Regionen Deutschlands zu beobachten, rechtfertigen? Von einem breiten Vertrauensverlust sind wir jedoch noch weit entfernt.

Vermögensrettung in der Inflation

Will man sich dennoch gegen das Risiko einer Inflation absichern, so sind die Antworten keineswegs so eindeutig, wie die Verkäufer einfacher Lösungen suggerieren. So zeigen Studien keine eindeutige Korrelation zwischen der Inflationsrate und dem Goldpreis, wie man eigentlich erwarten würde. Selbst Immobilien können in einem Umfeld von Inflation an Wert verlieren, weil die Zinskosten deutlich steigen. Gleiches gilt für Aktien.

Deutsches Trauma - die Hyperinflation von 1923
Ein Mann vor Geldbündeln Quelle: AKG
Derzeit liegt die Inflationsrate unter der EZB-Zielmarke von zwei Prozent, eine Hyperinflation rückt damit in weite Ferne. Aber die massive Geldmengenausweitung der Europäischen Zentralbank schürt die Sorgen vor einer deutlichen Abwertung des Euro - und damit realen Wertverlusten für Sparer und Anleger. Quelle: zwehren - Fotolia
Heute kurios - damals die harte Realität: Inflationsbriefmarken zu 2 Millionen Mark das Stück. Quelle: pit24
Spielende Kinder: Nach der Hyperinflation war die damalige Reichsmark nicht mehr als Altpapier - und damit auch Spielzeug für Kinder. Quelle: dpa
Geldscheine wurden damals für alles mögliche benutzt, nur bezahlen ging damit nicht mehr. Die Kinder gingen kreativ mit den Geldbündeln um, und bauten Skulpturen aus Geldscheinen. Quelle: dpa
Die Geldscheine wurden in dicken Bündeln gelagert. Quelle: dpa
Kinder und ein Geldturm Quelle: dpa

Kommt es zu einer Inflation in normalem Rahmen, leidet alles. Liquidität ist in so einem Umfeld nur auf den ersten Blick eine schlechte Anlage. Ermöglicht sie doch, von steigenden Zinsen zu profitieren, während alles andere fällt. Wie anfällig praktisch alle Märkte für Zinssteigerung sind, habe ich hier bereits vor Monaten gezeigt. Wer also an eine „normale Inflation“ glaubt, sollte eher in Liquidität bleiben und erst kaufen, wenn die überzogenen Bewertungen zurückgekommen sind.

Glaubt man stattdessen an eine Hyperinflation als Folge der Notenbankpolitik – vielleicht noch verstärkt durch Protektionismus und Handelskriege – dann sollte man in der Tat voll auf Realwerte setzen. Verglichen mit dann zu erwartenden Preissteigerungen von mehreren hundert Prozent spielt es wahrlich keine Rolle, wie viel man heute bezahlt. Man muss sich aber bewusst sein, dass diese Strategie, sollte die Hyperinflation ausbleiben, bestenfalls zu Nullrenditen führt – wie im Falle der Immobilie zum Faktor von 50 – oder aber zu garantierten Verlusten.

Doch selbst wenn die Hyperinflation kommt, dürfte die Freude nur von kurzer Dauer sein. Eine große Koalition der Verlierer wird sicherstellen, dass jene, die ihr Vermögen gerettet haben, zur Kasse gebeten werden. Die Geschichte ist voll von Sondersteuern auf Immobilien (Hauszinssteuer), Verboten von Goldbesitz bis hin zum Lastenausgleich.

Angesichts dieser Aussichten kommt die einseitige Wette auf die Inflation einem Selbstmord aus Angst vor dem Tod gleich.

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