Stelter strategisch

Es droht der Kontrollverlust der Notenbanken

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Fallende Preise bei gleichzeitig hohen Staatsschulden – das ist ein realistisches Szenario und ein großes Risiko. Denn die Notenbanken könnten die Deflation nur mit noch viel mehr billigem Geld stoppen – wenn überhaupt.

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Kommt es zu einem erneuten Abschwung mit fallenden Preisen, haben Notenbanken und Staaten nur noch wenig Munition um Gegenzuhalten. Quelle: dpa

Was für ein Paukenschlag! In meiner Kolumne von vergangener Woche habe ich mich mit den drohenden japanischen Verhältnissen in Europa und den USA beschäftigt. Ausgehend von der Abwertung des Renminbi und den starken deflationären Tendenzen in China, ein nicht unwahrscheinliches Szenario mit erheblichen Effekten für alle Vermögensklassen. Nur Anleihen solider Schuldner dürften sich in diesem Umfeld gut entwickeln. Alle anderen Vermögenswerte kämen unter Druck und würden die konjunkturellen Probleme damit verschärfen.

Genau das haben die Kapitalmärkte in den letzten Tagen realisiert. Der Irrglaube, billiges Geld im Westen und unbegrenztes Wachstum in China könnten uns aus dem Schuldensumpf, in den wir in den letzten Jahren marschiert sind, befreien, wurde enttäuscht. Nun ist klar, dass wir uns der Realität stellen müssen. Der Absturz vom Gipfel des Vertrauens in die Allmacht der Notenbanken wird brutal werden.

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Munition ist alle

Nach sieben Jahren Erholung ist es immer noch die Geld- und Fiskalpolitik, die den Stimulus für das magere Wachstum liefert. Alleine in diesem Jahr wurde für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung der Leitzins gesenkt. Wahrlich kein Anzeichen für eine sich selbst tragende, boomende Weltkonjunktur. Kommt es nun zu einem erneuten Abschwung mit fallenden Preisen, haben Notenbanken und Staaten nur noch wenig Munition um Gegenzuhalten. Eine Frage, die auch die Politik beschäftigt. Nicht zufällig erreichen uns dieser Tage immer neue Ideen, was denn getan werden müsste, um die Wirtschaft wieder auf Kurs zu bekommen. Dabei schreckt man auch vor unpopulären Ideen wie dem Bargeldverbot nicht zurück, mit der Absicht, ein Ausweichen vor Negativzinsen zu verhindern und damit ihre Wirksamkeit zu steigern. Doch welche Optionen hat die Politik noch? Es bleiben nicht viele:

  • Mindestens die massive Fortsetzung der aggressiven Geldpolitik. Also: weiterer Aufkauf von Wertpapieren, explizite Inflationsziele, Negativzinsen. Ich würde es „All-in“ nennen. Alles auf eine Karte.
  • Oder eine Kombination und Koordination von Geld- und Fiskalpolitik. Also: die direkte Finanzierung der Staaten durch die Notenbanken. Die Staaten könnten so Investitionen tätigen und die Wirtschaft wieder aus der Krise bekommen. Dies entspricht übrigens der Wirtschaftspolitik von Weimar.
  • Alternativ könnte man auch „Helikopter Geld“ auf die Bevölkerung verteilen. An anderer Stelle habe ich schon mal 10.000 Euro für jeden Bürger der Eurozone gefordert. Mit allem Ernst übrigens. 

Alle drei Optionen laufen darauf hinaus, dass die Politik auf eine erneute deflationäre Rezession mit einer Verstärkung der Dosis „Geld“ reagieren würde. Zwar gibt es ernstzunehmende Stimmen, wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, die schon seit Jahren darauf hinweisen, dass die Medizin vielleicht die Falsche ist. Aber wie für jeden mit einem Hammer, alles ein Nagel ist, ist für die Geldpolitiker alles eine Frage von noch mehr Geld. So haben sie uns in die Krise geführt und diese bis jetzt bekämpft.

Ich bin jedoch überzeugt, dass es den Notenbanken im Umfeld der absoluten Überschuldung nicht gelingen wird, „gute“ Inflation zu erzeugen. Zu hoch sind die Schulden, zu groß die Überkapazitäten. Der deflationäre Druck ist schlicht zu hoch.

Schlimmer noch: Je mehr es die Notenbanken versuchen, je mehr sie ungewöhnliche Maßnahmen ergreifen, desto größer ist die Gefahr eines Vertrauensverlustes in Geld. Und dann wird aus einem Deflationsszenario ganz schnell ein Szenario mit „schlechten“ Inflationsraten.

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