Stelter strategisch
GE: Aktie im Sinkflug Quelle: REUTERS

GE steht symptomatisch für die Krise des Systems

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Der Niedergang von General Electric legt offen, wie die hohen Kredite der Unternehmen diesen erst zu Wachstum verhelfen, aber auch zum Verhängnis werden können. Kippt das System, ist das eine Gefahr für uns alle.

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In der letzten Woche verloren die Aktien von General Electric (GE) an einem Tag über sechs Prozent und notieren mittlerweile auf dem Niveau von 1995. Was für ein Absturz für die einstige Industrieikone, die im August 2000 eine Marktkapitalisierung von 594 Milliarden US-Dollar hatte und heute mit weniger als 70 Milliarden nur noch im Mittelfeld der Aktien im S&P 500 liegt. Das einstmals wertvollste Unternehmen der Welt und Gründungsmitglied des Dow-Jones-Indexes war schon in diesem Sommer nach 111 Jahren Zugehörigkeit aus dem Index geflogen. Eine Entwicklung die noch vor wenigen Jahren undenkbar erschien.

Ausgerechnet GE

GE galt zu Recht über Jahrzehnte als amerikanisches Vorzeigeunternehmen. In den 1930iger Jahren betrieb das Unternehmen die Elektrifizierung der USA, brachte die elektrische Waschmaschine auf den Markt, gefolgt von Mixern, Staubsaugern und Klimaanlagen. Schon damals bot GE den Kunden Finanzierungen an.

Als ineffizientes Konglomerat in den 1970er Jahren kritisiert, wurde das Unternehmen unter Führung des legendären Jack Welch zum Vorbild für die Schaffung von Shareholder Value in diversifizierten Unternehmen: er bereinigte das Geschäftsportfolio, und führte effiziente Managementmethoden ein, die schnell zum Vorbild für Unternehmen aller Branchen wurden und Geschäftsprozesse revolutionierten. Die Börse honorierte es mit immer höheren Kursen – um beeindruckende 4000 Prozent stieg die Aktie in den 20 Jahren seiner Amtszeit. Jack Welch und seine Manager wurden reich.

Doch es waren nicht nur die operativen Maßnahmen, die zum Erfolg von GE führten. Mindestens ebenso bedeutend war, dass das Management die immer größere Bedeutung der Finanzmärkte erkannte, Folge der Deregulierung Anfangs der 1980er Jahre und der anhaltend lockeren Geldpolitik der Fed. Dies führte zum einen zum deutlichen Ausbau des eigenen Finanzgeschäfts (GE Capital), zum anderen zu einer konsequenten Nutzung der Instrumentarien des Financial Engineerings. War es zunächst Jack Welch, der es sich zur Angewohnheit machte, die Erwartungen der Analysten bezüglich der Quartalsergebnisse immer leicht zu übertreffen, kamen Aktienrückkäufe, Erhöhung des Verschuldungsgrades (Leverage) und schließlich aggressive Bilanzierung hinzu.

Über Zeit wuchs der Anteil des Financial Engineerings, während das operative Geschäft an Wettbewerbsfähigkeit und Ertragskraft verlor. Statt auf den harten Weg – der Neustrukturierung des Kerngeschäfts zu setzen, ging Management auf Management den vermeintlich einfacheren Weg.

Financial Engineering kann - wie der Fall GE zeigt – helfen, dass Maximale aus einem Unternehmen herauszuholen. Es kann aber nicht dauerhaft strategische und operative Probleme im Unternehmen kaschieren. Unter der noch glänzenden Oberfläche wachsen die Probleme. Sobald sie sichtbar werden, drehen die bis dahin positiven Effekte des Financial Engineering in das Gegenteil. Schulden, die gestern noch als tragbar erschienen, sind es heute nicht mehr.

Dies stand bei GE hinter dem Einbruch in der letzten Woche. Der CEO musste einräumen, dass GE angesichts der schlechten Liquiditätslage dringend Teile des Unternehmens verkaufen muss und auf kurzfristige – und wohl teure – Zwischenfinanzierung von Banken angewiesen ist. Ende September hatte das Unternehmen immerhin 115 Milliarden US-Dollar Schulden, also fast 1,7-mal mehr als das Unternehmen an der Börse noch Wert ist. Kein Wunder, dass GE im letzten Monat von Moody`s um zwei Stufen auf Baa1 herabgesetzt wurde. S&P Global Ratings und Fitch Ratings verleihen ein BBB+.

Obwohl die Ratingagenturen einen stabilen Ausblick geben, also keine weitere Abstufung erwarten, scheint das der Kapitalmarkt anders zu sehen. Blickt man auf die Anleihen des Unternehmens, so werden diese bereits wie BBB- behandelt. Das liegt zwar noch im Investmentgrade Bereich, doch man mag sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn die Anleihen des Unternehmens auf Junk-Niveau (also BB oder schlechter) herabgestuft würden. Viele institutionelle Investoren wären dann gezwungen die Anleihen zu verkaufen, was die Krise des Unternehmens verstärken und den ganzen Markt von Unternehmensanleihen erschüttern würde. Wenig beruhigt da, dass bei GE in den kommenden 18 Monaten mehr Anleihen fällig werden, als bei jedem anderen BBB gerateten Unternehmen. Lange liegen die Zeiten zurück, als GE noch stolz ein AAA Rating hatte.

Wie hier schon mehrfach diskutiert, ist die US-Unternehmensverschuldung in den letzten Jahren enorm gestiegen. Die Unternehmen haben das billige Geld und die hohen Gewinne dazu genutzt um mit immer mehr Financial Engineering die Aktienkurse zu treiben. Aktienrückkäufe und Übernahmen auf Kredit waren die Strategie zu schnellem Reichtum. Wie weit es getrieben wurde ist nicht zu Letzt daran ersichtlich, dass es trotz Rekordrückkäufen in diesem Quartal nicht gelingt, an der Wall Street neue Rekordstände zu erzielen. Der Verkaufsdruck muss also enorm sein.

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