Stelter strategisch

Den Reichen geht es an den Kragen

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Hebeleffekt für mehr Vermögen

Sie leihen sich weitere 840 Euro und kaufen dazu. Dann haben sie 11 Aktien im Wert von 1540 Euro und Schulden von 1240 Euro. Die Rendite auf ihr Eigenkapital von 300 Euro sinkt zwar auf 16 Prozent, der Gesamtüberschuss (Dividende minus Zinsen) wächst allerdings von 30 auf 48 Euro. Es lohnt sich, solange mehr Schulden aufzunehmen, wie die Dividendenrendite über dem Zinssatz der Bank liegt. Man spricht vom Hebeleffekt (Leverage).

Das war in den letzten 30 Jahren ein sicheres Geschäft. Die Zinsen sanken von über 10 Prozent auf heute Null und die Banken gaben sich mit immer weniger Margin zufrieden. Alle Assetpreise haben davon profitiert: Aktien, Anleihen, Immobilien, Kunst. Die Kreditvergabe der Banken zum Kauf von vorhandenen Assets hat sich in diesem Zeitraum vervielfacht.

Kein Wunder, dass die Vermögen seit Mitte der 1980er Jahre überproportional steigen!

Wenn die Politik Börsen crashen lässt
Geopolitische Ereignisse lassen die Wall Street nicht kalt. Quelle: dpa
Politische Krisen lassen sich auch am Verhalten des Börsenmarktes ablesen. Quelle: dpa
Als der Ukraine-Konflikt 2014 begann, büßte der amerikanische Aktienmarkt in sechs Verkaufstagen nur 2,0 Prozent ein. Quelle: dpa
1979 marschierte die sowjetische 40. Armee in Afghanistan ein Quelle: dpa
Um 3,9 Prozent gingen die Kurse and er US-Börse 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer in 25 Verkaufstagen zurück. Quelle: dpa
1991 vertreiben amerikanische Streitmächte den Irak aus Kuwait Quelle: dpa
Um 5,3 Prozent in sieben Verkaufstagen gingen die Kurse 2003 beim zweiten Irakkrieg zurück. Quelle: dpa

Das Bankensystem schafft unbegrenzt Reichtum

Hinter der Entwicklung der Vermögenspreise steckt also die Geldschaffungsmöglichkeit des Bankensystems. Da die Banken (fast) unbegrenzt neue Kredite vergeben können und so neues Geld schaffen, liefern sie den erforderlichen Treibstoff, um die Nachfrage nach Vermögenswerten weiter in die Höhe zu treiben. Besonders beliebt ist dabei die Finanzierung von Immobilien. Es ist kein Wunder, dass der Großteil des von Piketty und anderen bedauerten Vermögenszuwachses der letzten dreißig Jahre auf den Wertzuwachs der Immobilien zurückgeführt werden kann.

In einer von der Notenbank von San Francisco herausgegeben Studie wird die Entwicklung der Immobilienpreise seit 1870 der Kreditvergabe gegenübergestellt. Eindeutiges Ergebnis: eine steigende Kreditvergabe für Immobilien geht mit einem überproportionalen Wertzuwachs der Immobilien einher. Der Leverage-Effekt funktioniert also genau so, wie oben beschrieben.

Bedenklich ist dabei, dass der Anteil der Immobilienkredite am gesamten Ausleihungsvolumen der Banken ebenfalls ansteigt. Lag der Anteil über Jahrzehnte hinweg bei unter 40 Prozent, steigt er seit Mitte der 1980er Jahre – also genau seit dem Zeitpunkt der Deregulierung der Finanzmärkte – auf fast 60 Prozent heute. Wir leihen uns immer mehr Geld, um uns gegenseitig vorhandene Immobilien zu immer höheren Preisen zu verkaufen.

Nebenwirkung dieser Entwicklung ist eine immer höhere Verschuldung, die sich zunehmend als Belastung für die Realwirtschaft erweist: Trotz zunehmendem Anteil an „Ponzi-Finanzierung“ (also Krediten, bei denen Zins und Tilgung aus dem Wertzuwachs der Immobilie beglichen werden sollen) wird ein Teil der Finanzierungskosten eben doch aus dem laufenden Einkommen bedient und fehlt damit als Nachfrage im System.

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