Problematisch an dieser Sicht ist jedoch, dass sie mittlerweile "Common sense" ist, also jeder Marktteilnehmer so denkt. Ging man vor sechs Monaten noch von einem Zinserhöhungskurs der Fed aus – „Stelter strategisch“ übrigens nicht - so glaubt heute kaum jemand an steigende Zinsen, und jeder rechnet einem vor, wie relativ gut US-Anleihen doch sind. Dabei spricht dieser Optimismus und die Elliott Wave Theorie, so man dieser glaubt, eher für eine deutliche Korrektur der Anleihenkurse in den USA, also für steigende Zinsen. Aus meiner Sicht ist zumindest angesichts des verbreiteten Optimismus taktische Vorsicht angezeigt.
Doch was machen wir mit einer Welt, in der sich die Finanzmärkte offensichtlich in einem eigenen, notenbankfinanzierten Paralleluniversum befinden, wo die reale Welt, wenn überhaupt, nur als Begründung für weitere Liquiditätsspritzen dient? Realwirtschaftliche Implikationen hat das Geldangebot der Notenbanken bekanntlich nicht. Ein Kommentator auf meinem Blog fasste es so zusammen: "Hier teilt sich -beinahe messerscharf- die Nachfrage auf: Die Einen, die mit Krediten die Assetpreise nur so in die Höhe treiben und die Anderen, die keine Kredite (mehr) bekommen oder wollen, weil sie mit den Schulden genug zu tun haben. „Gute“ Investitionen mit Wachstumspotential bleiben dann natürlich aus."
Fragt sich: können die Finanzmärkte ewig im Paralleluniversum bleiben? Natürlich nicht! Es ist auch hier nur eine Frage des "wann", nicht des "ob" es zu einer Anpassung von Realität und Finanzmärkten kommt. Wenig spricht dafür, dass die Realität sich den Märkten annähert.
Die allseitige Beschwörung der Alternativlosigkeit, diesmal nicht der Merkel'schen Politik, sondern der Aktie als Geldanlage, muss deshalb zu denken geben. Wenn wir vor dem Punkt stehen, an dem die Notenbankpolitik für alle offensichtlich scheitert, und die direkte Staatsfinanzierung als nächster Schritt droht, könnte es sehr wohl sein, dass die Finanzmärkte im Gleichschritt nach unten gehen. Die Aktien, weil die Bewertungen nicht mehr zu halten sind, die Anleihenmärkte weil klar wird, dass der Lender of Last Resort doch nicht alles zu jedem Preis aufkaufen wird. Dieses Risiko scheinen führende Spekulanten zu erkennen. George Soros und Stanley Druckenmiller sind die prominentesten Skeptiker, die auf fallende Kurse setzen und gleichzeitig ihr Engagement in Gold und Goldminen ausbauen.
Diese Insider brauchen Käufer, wenn sie ihre Schäfchen ins Trockene bringen wollen. Die Banken brauchen Umsätze, um wenigstens etwas Geld zu verdienen. Propaganda für die Aktien und die als sicher angesehenen Anleihen hilft dabei sicher. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Mit welcher Allokation gehen wir also in den Sommer? Strategisch halte ich an der hier immer wieder beschworenen Diversifikationsstrategie fest, sowohl mit Blick auf die Assets - Aktien, Immobilien, Cash, Gold - wie auch die regionale Streuung. Taktisch glaube ich noch nicht an die rasche, erfolgreiche Inflationierung. Bevor es so weit ist, dürften wir noch mindestens eine Talfahrt erleben, ausgelöst durch einen der genannten Krisenfaktoren oder einem weiteren, an den wir gar nicht denken. Die Aktien behalte ich und sichere mich für die kommenden Monate ab, den Cashbestand halte ich weiterhin nur bei den sichersten Adressen. Ansonsten bleibe ich wachsam, um im Falle einer deutlichen Korrektur zu handeln, und meinen Anteil an Assets, die keinem Kontrahentenrisiko unterliegen und einen Schutz vor Inflation bieten, aufzustocken. Langfristig bin ich bei Soros und Druckenmiller, weshalb ich an Gold und Goldminen festhalte.
So aufgestellt können wir uns getrost in die Sommerpause verabschieden und die wichtigeren Dinge als das Geld genießen. Wir sehen weiter, wenn diese Kolumne Ende August wieder ihr Erscheinen aufnimmt. Bis dahin wünsche ich Ihnen allen schöne Sommertage!