Stelter strategisch

Erst Krisen, dann Jahrzehnte des Aufschwungs

Seite 3/3

Neue industrielle Revolution

Diese Liste ließe sich beliebig ergänzen. Im Kern stehen wir allen - auch von mir immer wieder gebrachten - Unkenrufen zum Trotz, vor einer Phase raschen technologischen und wirtschaftlichem Wachstums. Dieses Wachstum wird noch behindert durch die Beharrungskräfte, die auf den Erhalt des Status quo setzen und durch die ungelöste Überschuldungsproblematik. Dennoch wird sie sich am Ende durchsetzen.

Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte der letzten 300 Jahre, dass wir einen solchen Wandel durchlaufen. Schon Joseph Schumpeter sprach mit Blick auf die Forschungen seines russischen Kollegen Nikolai Kondratieff von langen Wellen der Konjunktur, die von grundlegenden Innovationen ausgelöst werden. Zunächst gibt es in der Zeit des Umbruchs von alter zu neuer Technologie eine Phase ökonomischer Stagnation mit Krisen, bevor sich die neuen Industrien durchsetzen und einen jahrzehntelangen Aufschwung begründen. So könnte es auch diesmal sein.

Gesellschaftliche Implikationen

Die Folgen dieses Wandels sind nicht nur für Unternehmen dramatisch, sondern für die Gesellschaft. Alleine in den USA haben seit dem Jahr 2000 27 Prozent der Beschäftigten im stationären Einzelhandel ihren Job verloren - mehr als jeder Vierte. Einige werden neue Arbeit in der Logistik gefunden haben, in Summe dürfte der Handel on- und offline jedoch Stellen abgebaut haben.

Diese Arbeitsplätze waren überwiegend für geringere Qualifikationsniveaus. In Zukunft müssen auch besser Qualifizierte um ihren Job bangen. Studien zeigen eine erhebliche Substitutionsgefahr für praktisch alle Berufe. Damit unterscheidet sich die heutige Entwicklung deutlich von den früheren Phasen. Erstmals könnte es so sein, dass die neuen Industrien nicht genug neue Arbeitsplätze schaffen, um den Wegfall der alten zu kompensieren.

Sich deshalb gegen die Entwicklung zu stemmen - Beispiel "Robotersteuer" - ist nicht nur sinnlos, sondern dumm. Gerade wir Deutschen sollten angesichts unserer demografischen Entwicklung voll auf die neue Technik setzen.

Dennoch ist absehbar, dass die sozialen Konflikte in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Ein immer größerer Teil der Gesellschaft lässt sich nicht mehr in den Arbeitsmarkt integrieren. Schon seit Jahren sinkt der Anteil der Löhne am Volkseinkommen relativ zu den Kapitaleinkommen und liegt in den Industrieländern auf dem tiefsten Stand seit 50 Jahren.

Die Systeme der Alterssicherung kommen bei weiter steigender Lebenserwartung zusätzlich unter Druck. Die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen nimmt deutlich zu. Eine Gemengelage die vermeintlich einfache Lösungen attraktiv erscheinen lässt und Protektionismus und Umverteilung fördert.

Besser zu früh

Für die Geldanlage sind die Konsequenzen dieser Überlegungen leider nicht eindeutig. Wie immer in solchen Umbruchsphasen gehört eine gute Portion Glück dazu, auf das richtige Pferd zu setzen. So rechnet McKinsey vor, dass 10 Prozent der Unternehmen für 80 Prozent der Gewinne stehen. Dominiert von Firmen wie Apple, Amazon, Facebook und Google. Und es sind genau diese Unternehmen, die an der Front der Entwicklung stehen, vorhandene Arbeitsplätze überflüssig zu machen, ohne auch nur ansatzweise ebenso viele neue Jobs zu schaffen.

Umgekehrt können Industrien die vor dem Niedergang stehen - Beispiel Öl - noch lange Zeit gute Erträge abwerfen und damit dem Investor Freude machen. Vor allem ist die Bewertung meist schon heute gedrückt, was eine gute Dividendenrendite verspricht. Allerdings nur bis zu dem Punkt, an dem der Markt kippt. Dann geht es meist schnell zu Ende. Ein Tanz auf dem Vulkan.

Ich persönlich reduziere meine Allokation in den gefährdeten Branchen und setze vor allem auf Regionen, die auf die Bewältigung des Wandels setzen und nicht auf die Bewahrung des Status quo, was zugegebenermaßen immer schwerer wird. Zugleich bleibe ich bei meiner Überzeugung, dass es besser ist in Ländern zu investieren, die weniger auf Umverteilung und mehr auf die Schaffung von Wohlstand setzen. Denn dort liegt die Zukunft.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%