Stelter strategisch

Die endlose Euro-„Rettung“ wird teuer

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Schon heute findet "Monetarisierung" statt

Wie flexibel die EZB ist, hat sie bereits in den vergangenen Jahren bewiesen. So sah sie wochenlang tatenlos zu, als die griechische Notenbank, quasi die örtliche Zweigstelle der EZB, den Banken über die sogenannte Emergency Liquidity Assistance (ELA) mehr als 40 Milliarden an frischem Geld gab, mit denen diese griechische Staatsanleihen kauften, um sie wiederum gleich als Sicherheit für weitere Kredite von der Notenbank weiterzureichen. Direkte Staatsfinanzierung. Nichts anderes.

So war es auch in Irland. Weitgehend unkommentiert in den Medien und unbemerkt von der breiteren europäischen Öffentlichkeit wurde 2013 die Zentralbank zur direkten Staatsfinanzierung genutzt. Immerhin in einem Umfang von rund 20 Prozent des irischen Bruttoinlandsprodukts. Die Notenbank kaufte bis zu 40 Jahre laufende Anleihen, die zunächst tilgungsfrei sind. Die Zinsen, die der Staat noch zahlen muss, werden umgehend als Gewinn wieder an denselben ausgeschüttet. Die Financial Times durchschaute das Treiben und brachte es auf den Punkt: "Das ist lupenreine „monetäre Staatsfinanzierung“.

Der EZB-Rat nahm das Treiben der irischen Zentralbank „zur Kenntnis“. Die Iren haben damit völlig autonom mehrere Milliarden an „Geld“ geschaffen, indem sie es dem Staat geliehen haben. Euro übrigens.

Monetarisierung von Staatsschulden gibt es also schon. Es bemerkt niemand so recht und deshalb dürfte man zum deutlich größeren Projekt übergehen: der Monetarisierung der genannten drei bis fünf Billionen Euro.

Mit Jens Weidmann wäre das nicht zu machen. Und deshalb wird er den Job auch nicht bekommen. Ich bedaure dies, habe ich ihn doch nicht nur als sehr kompetent, sondern vor allem auch als sehr sympathisch kennengelernt.

Die Nebenwirkungen sind bedrohlich

Diese Politik hätte den Vorteil, dass sie ohne großen Aufruhr umgesetzt werden könnte und im optimistischen Fall ohne Auswirkung auf den Geldwert bliebe. Das Geld ist ja bereits im Umlauf. Kritiker wenden ein, dass es der Einstieg in Weimarer Verhältnisse ist und eine erneute Hyperinflation droht. Das kann sein, vor allem dann, wenn es nicht bei der einmaligen Bereinigung bleibt, sondern die Staatsfinanzierung zum Dauerzustand wird.

Angesichts der Alternativen – chaotischer Euro-Zerfall und gigantische offene Vermögensverluste – dürfte sich die Politik in der Euro-Zone in diese Richtung entwickeln. Man wird das Experiment starten und hoffen, dass es wie von den Befürwortern erhofft – prominentester Vertreter ist der ehemalige Chef der britischen Finanzaufsicht Adair Turner – ohne Inflation über die Bühne geht. Kommt es doch zur Inflation, wird man die Schuld bei den Notenbankern sehen.

Was die Vermögenssicherung nicht einfacher macht. Wir müssen uns einstellen auf (wahlweise und in Kombination):
- einen ungeordneten Zerfall der Euro-Zone verbunden mit massiven Forderungsausfällen.
- Vermögensabgaben zur Tilgung von Schulden oder aber zur Herstellung von „Gerechtigkeit“ nach einem Zerfall oder hoher Inflation.
- Eine weitere Explosion der Preise von Vermögenswerten aller Art aus Furcht vor der Geldentwertung.
- Eine weitere lange Phase der Krisenverschleppung mit europäischen Transfers, die zwar die grundlegenden Probleme nicht lösen, dem Euro aber Zeit kaufen.

Deshalb kann die Empfehlung nur lauten, möglichst viel der Ersparnisse außerhalb der Euro-Zone und der EU zu investieren. Allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung steht der Kontinent vor einem relativen Niedergang, der durch die falsche Politik beschleunigt wird. In einer Zeit, in der alle Anstrengungen auf die Bewältigung des demografischen Wandels konzentriert sein müssten (Stichworte: Produktivitätssteigerung, Automatisierung, Bildung, qualifizierte Zuwanderung) verschwendet die politische Führung Energie und Ressourcen auf die Verteidigung eines Status quo, der nicht zu verteidigen ist. Kein gutes Umfeld für unser Geld.

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