Um wirklich die Früchte langfristigen Denkens zu ernten, muss nach den bisherigen Verläufen der Anlagehorizont schon sehr, sehr lange sein. Hier lohnt es, sich selbstkritisch zu hinterfragen, wie weit der eigene Blick reichen kann.
Was Investoren für die lukrativste Geldanlage halten
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt einmal jährlich im Auftrag von pro aurum die Deutschen nach ihren Anlagestrategien. Hier die Ergebnisse vom Juni 2015 - im Vergleich zu den Vorjahren. Zuerst wurden den Bürgern fünf Geldanlagen genannt, mit der Bitte, anzugeben, welche davon aus ihrer Sicht derzeit am besten als langfristige Geldanlage mit mindestens drei Jahren Laufzeit geeignet ist.
Gold platziert sich zum fünften Mal in Folge an erster Stelle, diesmal allerdings deutlicher vor Aktien, die seit 2011 Zuwächse erzielten, aber aktuell in der Anlegergunst gesunken sind: 30 Prozent der Bürger würden sich heute für Gold entscheiden, weil sie vermuten, dass diese Anlage nach mindestens drei Jahren Laufzeit im Vergleich zu den vier anderen Geldanlagen den meisten Gewinn bringt. Gold konnte somit um zwei Prozentpunkte zulegen.
Nur noch 23 Prozent halten Aktien für besonders lukrativ, wenn es um langfristige Geldanlagen geht. Im Vorjahr hatte dieser Wert mit 27 Prozent offenbar einen Gipfel erreicht.
Es folgen Fondsanteile mit zwölf Prozent. Fonds sind in der Gunst der Anleger wieder leicht gegenüber dem Vorjahr gestiegen. 2013 hatte dieser Wert mit 13 Prozent noch ein Hoch erreicht, war aber 2014 auf elf Prozent zurückgefallen.
Fest- beziehungsweise Termingeld hielten sieben Prozent der Befragten für die lukrativste langfristige Geldanlage. Seit 2011 ist diese Anlageklasse deutlich ins Hintertreffen geraten, damals glaubten noch 22 Prozent der Befragten, Termin- und Festgelder würden auf drei Jahre betrachtet den meisten Gewinn abwerfen.
Drei Prozent nannten Anleihen als aussichtsreichste Anlageklasse, im Vorjahr waren es nur zwei Prozent. Anleihen spielen somit für Privatanleger praktisch keine Rolle. Ernüchternd: Knapp jeder vierte Bürger (24 Prozent) kann nicht sagen, welche dieser Anlagen am besten geeignet wäre, um langfristig möglichst viel Gewinn zu erzielen. Die Angaben "weiß nicht" oder "keine davon" kamen bereits in den Vorjahren ähnlich häufig vor.
Hinzu kommt, dass Analysten und Marketingabteilungen unter "langfristig" meistens zehn Jahre verstehen, am liebsten aber ab Anfang der 1980er Jahre beginnen. Verständlicherweise, denn damals setzte der US-Markt nach einem realen Verlust von 62 Prozent seit Mitte der 1960er Jahre zum größten Bullenmarkt der Geschichte an, und US-Staatsanleihen warfen 15 Prozent Rendite ab. Seither sind die Zinsen aber auf Null gesunken und die Bewertungen deutlich gestiegen. Real liegen die Märkte zwar unter den Rekordständen des Jahres 2000, die Bewertungen sind jedoch immer noch weit überdurchschnittlich, was mich zu dem angesprochenen Bild vom Berg führt. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir von diesem Niveau ausgehend große Zuwächse erzielen, ist nun mal gering, Verluste weit wahrscheinlicher. Für alle, die nicht einen sehr langen Zeithorizont annehmen (können) bedeutet dies bestenfalls maue Renditen und schlimmsten Falls deutliche Verluste. Vor allem für jene, die für ihr Alter vorsorgen wollen und müssen, ist dies höchst relevant. Denn zu wenig Vorsorge heute kann man in späteren Jahren unmöglich wieder korrigieren. Wer das schreibt, ist kein Pessimist, sondern ein Realist.
Was zur Volatilität führt. Natürlich sind Kapitalmärkte volatil, sogar deutlich volatiler als es in den letzten Jahren der Fall war. Die massiven Interventionen der Notenbanken haben die Finanzmärkte betäubt und in eine Richtung getrieben. Dabei vergessen wir gerne, dass die Finanzmärkte nicht die eigentliche Zielgruppe für die Notenbanken sind, sondern die Belebung der Realwirtschaft und die Überwindung der Überschuldungs- und der Eurokrise. Beides gelingt den Notenbanken jedoch nicht. Je mehr dies deutlich wird – und die vergangenen Wochen deuten diesen Erkenntnisprozess an – desto größer die Wahrscheinlichkeit von starken Einbrüchen.
Weil man viele kleine Brände gelöscht hat, droht nun ein ganz großer. Auch dieser ist nicht nur Risiko, sondern auch Chance, gar keine Frage. Nur muss man sie auch noch nutzen können, indem man über entsprechende Liquidität verfügt. Wer bei einem Großbrand an den Kapitalmärkten ungerührt dabei bleibt, wird auf lange Sicht ebenfalls sein Vermögen erhalten. Läuft aber Gefahr, dass diese lange Sicht die eigene Lebenserwartung deutlich übersteigt.
Dieses Dilemma können wir nur auflösen durch eine selbstkritische Analyse unseres eigenen Anlagehorizonts. Wirkliche Langfristanleger lesen keine Börsenmeldungen und schon gar keine Kolumnen wie diese. Sie kümmern sich nicht um Tipps, sondern befolgen eine wirklich langfristige, konsequente Strategie, die auf einfachen Regeln basiert: je 25 Prozent Immobilien, Aktien, Gold und Liquidität, jeweils einmal jährlich balanciert. Dies zu schreiben, ist langweilig und stellt auch den Kolumnisten vor eine schwere Aufgabe: die aktuellen Entwicklungen zu kommentieren ohne in operative Hektik zu verfallen und den Märkten hinterher zu laufen.