Stelter strategisch

Verdienen an der Krise

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Wer keine Skrupel kennt, kann an Krise und Verfall verdienen - das ist nicht jedermanns Geschmack. Wie sich Flüchtlingsstrom und Terrorgefahr auf Märkte auswirken, wer profitiert, und warum am Ende mehr Geld gedruckt wird. Eine Kolumne.

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Wer keine Skrupel kennt, kann auch an der Flüchtlingskrise verdienen. Quelle: dpa

Vorige Woche habe ich an dieser Stelle ein wenig optimistisches Szenario der weiteren Entwicklung der EU und der Eurozone entworfen. Gekennzeichnet von zunehmender Disintegration als Folge von Flüchtlingskrise, Terrorismus und intensivierten Verteilungskämpfen. Eine EU, die sich immer mehr als eine Wohlstands- und nicht als Wertegemeinschaft herausstellt: Sobald es nicht mehr, sondern weniger zu verteilen gibt, sinkt die Motivation weiter mitzumachen.

Wenn das Gewissen über die Geldanlage entscheidet
Euromünzen Quelle: Fotolia
Platz 17: Bergbau (6 Prozent)Die großen Bergbaukonzerne der Welt stehen häufig am Pranger – nicht nur wenn es um Nachhaltigkeit geht. Anleger mit Nachhaltigkeitsfokus haben trotzdem eher wenige Bedenken bei der Branche: Nur Sechs Prozent würden hier kein Geld investieren. Quelle: dpa
Platz 16: Hersteller von Verhütungsmitteln/Betreiber von Abtreibungseinrichtungen (6 Prozent)Ebenfalls 6 Prozent finden Verhütungen und Abtreibungen ethisch bedenklich und würden hier kein Geld investieren. Erfahrungen mit ethisch-ökologischen Geldanlagen hatte übrigens nur jeder zwanzigste der Befragten. Quelle: AP
Platz 15: Autobranche (7 Prozent)Knapp ein Drittel der übrigen Befragten hat aber generell Interesse. Diejenigen, die aus dem Osten der Bundesrepublik stammen oder älter als 60 Jahre sind, sind seltener für ethisch-ökologische Geldanlagen zu begeistern. Sieben Prozent der Verbraucher haben ein grundsätzliches Problem damit, Geld in die Automobilbranche zu investieren. Quelle: dpa
Platz 14: Chemiebranche (9 Prozent)Vor die Wahl gestellt hielt fast die Hälfte der Teilnehmer ethische Aspekte für wichtiger als ökologische. Nur ein gutes Viertel gab der Umwelt den Vorzug, der Rest mochte sich nicht entscheiden. Fast zehn Prozent der Befragten können sich nicht vorstellen, ihr Geld in der Chemiebranche anzulegen. Quelle: dpa
Platz 13: Pharmabranche (12 Prozent)Trotz ihrem Beitrag zum medizinischen Fortschritt: In der Bevölkerung herrscht traditionell das Bild der bösen Pharmaindustrie vor. Das spiegelt sich auch in der Umfrage wieder: Für 12 Prozent der Befragten käme eine Investition in das Geschäft mit den Medikamenten nicht in Frage. Quelle: dpa
Platz 12: Biogas- und Biosprit-Herstellung (13 Prozent)Ein Großteil der landwirtschaftlich angebauten Lebensmittel wird mittlerweile für die Produktion von Biogas und Biosprit verwendet. Das ist in manchen Regionen der Welt problematischer als in anderen, denn die Verknappung der Lebensmittel kann die Konkurrenz zwischen Teller und Tank verschärfen. 13 Prozent der Befragten schließen die Branche bei ihren Geldanlagen deshalb kategorisch aus. Quelle: dpa

Verbunden war diese Analyse mit dem Appell, sich auf die absehbare Entwicklung einzustellen.

Einige Leser meinten zu Recht, dass es damit doch wohl nicht getan sein könne. In jeder Krise liegt bekanntlich eine Chance, und dies gilt gerade auch mit Blick auf die Kapitalmärkte. So wie man, einer alten Börsenweisheit folgend, Aktien kaufen soll, wenn die Kanonen donnern, so gibt es auch in Phasen des Niedergangs enorme Chancen für jene, die verstehen, was passiert und sich nicht durch „unnötige“ Skrupel daran hindern lassen.

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Nehmen wir das Beispiel Flüchtlingskrise. Im Umfeld von Berlin, so wird es zumindest in entsprechenden Kreisen kolportiert, findet sich keine brauchbare Schrottimmobilie mehr, die nicht schon im Zugriff entsprechender Geschäftemacher ist. Statt Leerstand winkt eine Vollauslastung über Nacht, zudem mit einer Überbelegung zu wahren Wuchermieten mit einem äußerst kreditwürdigen Schuldner, dem deutschen Staat. In einigen Fällen soll nicht nur eine Pauschale pro Asylbewerber pro Tag für Unterbringung und Verpflegung vereinbart sein, sondern auch eine Kernsanierung der ohnehin baufälligen Immobilie nach Ablauf der Zwischennutzung, natürlich auch auf Kosten des Steuerzahlers.

Geschäfte mit der Willkommenskultur

Ein wahrliches lohnendes Geschäft. Nehmen wir an, Sie besitzen ein Mietshaus mit 20 Zweizimmerwohnungen in eher einfacher Ausstattung. In Berlin können Sie unter normalen Umständen mit rund 400 Euro Miete pro Wohnung und Monat rechnen. Macht folglich 96.000 Euro im Jahr. Das setzt aber voraus, dass das Haus in einem einigermaßen ordentlichen Zustand ist.

Ihr Nachbar hat dagegen seit Jahren nicht mehr in die Substanz investiert. Die Hälfte der Wohnungen steht leer, die andere Hälfte erzielt nur noch Mieten von 200 Euro im Monat. Eine grundlegende Modernisierung steht an. Doch anstatt diese durchzuführen, kommt ihr Nachbar auf eine zündende Idee. Die vorhandenen Mieter bewegt er mit großzügigen Abfindungen ebenfalls auszuziehen. Das dann leerstehende Haus bietet er der Gemeinde an, die händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten sucht. Konnten bisher nur zwei bis drei Personen pro Wohnung untergebracht werden, gilt dies im Falle der Nutzung als Asylantenheim nicht mehr. Jede Wohnung lässt sich nun mit sechs Personen belegen, was immerhin 120 Personen im ganzen Haus entspricht. Zahlt die Stadt 25 Euro pro Flüchtling und Tag – was eher am unteren Ende dessen liegt, was wirklich gezahlt werden soll – ergibt sich ein Umsatz pro Monat von 90.000 Euro. Dafür muss man dann noch Verpflegung, Heizung und Reinigung organisieren. Nehmen wir großzügig 15 Euro pro Tag und Person an, verbleiben dem Hauseigentümer satte 36.000 Euro im Monat. Mehr als vier Mal soviel wie dem Eigentümer des gut erhaltenen Hauses mit normalen Mietern. Die nachfolgende Sanierung lässt sich damit leicht finanzieren, wenn sie nicht auch noch vom Staat übernommen wird.

Was unglaublich klingt, ist dabei nur eines: die natürliche Folge von Angebot und Nachfrage. Und zwar in diesem Fall einer Nachfrage, die sich in eine erpressbare Position gebracht hat. Hinzu kommt: Verhandelt wird über anderer Leute Geld, nämlich das der Steuerzahler. Da bleibt die „Preissensitivität“ oft auf der Strecke.

Die Gewinner der Krise

Bei mir persönlich kommt angesichts dieser Zahlen die Wut hoch. Ich finde solch unbedachte Verwendung von Steuergeldern skandalös und würde selber solche Geschäfte nicht machen. Tatsache ist aber, dass der rechtliche Maßstab für die Sittenwidrigkeit offensichtlich noch nicht erreicht ist, und der persönliche Maßstab bei vielen hinter dem handfesten Reibach zurücksteht. Solange der Zustrom an Flüchtlingen ungebremst bleibt, werden mit der Willkommenskultur auch Geschäfte gemacht werden.

Ein Trost bleibt dem normalen Vermieter dennoch. Dank der Einwanderung muss er auf Jahre hinaus keinen Leerstand fürchten.

Bildungsträger profitieren

Weitere Gewinner der Flüchtlingskrise sind die Träger von Sprach- und Berufsausbildung. In den vergangenen Jahren wegen rückläufiger Arbeitslosigkeit und gekürzter Budgets unter Druck geraten, können diese Anbieter sich auf goldene Jahre einstellen. Dabei spielt es letztlich keine Rolle, ob die Maßnahmen am Ende auch etwas bringen. Hauptsache die Kasse klingelt – und was bleibt dem Staat schon anderes übrig?

Wo Deutschlands Aktionäre wohnen
Deutschland-Atlas AnlageverhaltenZwischen Wohlstand und Aktienbesitz gibt es einen direkten Zusammenhang, das zeigt der Deutschland-Atlas Anlageverhalten der Comdirect-Bank. Diese Korrelation zwischen Aktienquote und Wohlstand manifestiert sich auch auf regionaler Ebene: In Kreisen, in denen viele Besserverdienende wohnen, wird überdurchschnittlich häufig in Aktien investiert. Dabei stechen zwei Bundesländer besonders hervor.Die Studie „Deutschland-Atlas Anlageverhalten“ der Comdirect Bank basiert auf aktuellen mikrodemografischen Daten von GfK und Acxiom zu Bevölkerungsstruktur, Einkommen und Aktienbesitz in Deutschland. Die Daten wurden auf Kreis- und Stadtebene konsolidiert und zu ausgewählten Fragestellungen in Bezug zueinander gesetzt. Quelle: AP
Platz 10: Baden-BadenAuf Platz zehn kommt die Baden-Württembergische Stadt Baden-Baden - hier ein Blick auf den Leopoldplatz. Eine Erklärung für die Korrelation liefert Daniel Schneider, Leiter Investing bei Comdirect: „Dass vor allem in einkommensstarken Regionen die Anlagemöglichkeiten am Aktienmarkt gut genutzt werden, erscheint im ersten Moment logisch. Umgekehrt gibt es kaum Regionen, die bei durchschnittlichen Einkommen eine hohe Aktionärsquote verzeichnen. Tatsächlich aber sollten Aktien keine Anlageform nur für Besserverdienende sein.“ Quelle: dpa
Platz 9: Ebersberg (Bayern)Der Landkreis Ebersberg liegt im Speckgürtel von München, was seine hohe Platzierung erklärt. „In Nachbarkreisen des aktienaffinen München zeigen auch Normalverdiener eine hohe Aktienaffinität. Die Metropolen mit überdurchschnittlich vielen Aktionären strahlen auf ihre Nachbarregionen ab“, erklärt der Comdirekt-Experte. Quelle: dpa
Platz 8: Regensburg (Bayern)Regensburg landet auf Platz acht. Doch die Korrelation zwischen hohem Einkommen und entsprechender Aktionärsquote gilt nicht zwangsläufig, so gibt es etwa in Bayern zwei Ausnahmen: Kaufbeuren mit unterdurchschnittlichen 25,5 Prozent Besserverdienenden und 10 Prozent Aktionärsquote, sowie Kempten im Allgäu mit 26,2 Prozent Einkommensstarken und 11,4 Prozent Aktienbesitz. Quelle: dpa
Platz 7: Erlangen (Bayern)Erlangen landet auf Rang sieben. Eine Ausnahme für die Korrelation zwischen vielen Besserverdienern und hoher Aktienquote ist jedoch Leverkusen: Mit 29,9 Prozent Besserverdienern liegt die kreisfreie Stadt zwar leicht über dem Einkommensdurchschnitt. Die Aktionärsquote ist mit 11,5 Prozent jedoch deutlich höher. „Auch hier liegt mit Köln eine Aktienhochburg in unmittelbarer Nähe: Bei einem Drittel Besserverdienern beträgt die Aktionärsquote hier starke 12,6 Prozent“, so Experte Schneider. Quelle: dpa
Platz 6: FürstenfeldbruckBei Fürstenfeldbruck kommt wieder die Nähe zu München ins Spiel. So landet die 35.000-Einwohnerstadt auf Platz sechs des Rankings. Auf den letzten Plätzen der 402 deutschen Kreise nach Einkommen und Aktionärsquote rangieren 33 ostdeutsche Regionen. Hier liegt der Anteil Besserverdienender unter 20 Prozent, zugleich liegt die Zahl der Aktionäre bei unter sechs Prozent. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt sind es 28,2 Prozent Besserverdiener, die Aktionärsquote beträgt neun Prozent. Quelle: Screenshot
Platz 5: Main-Taunus-Kreis (Hessen)Der Main-Taunus-Kreis im Regierungsbezirk Darmstadt landet auf Platz fünf. Auch hier besteht eine hohe Korrelation zwischen einem hohen Anteil an Besserverdienern und dem in Aktien angelegten Vermögen. Quelle: imago images

Auch am anderen Ende des Bildungswesens zeichnet sich ein neuer Boom ab. Privatschulen, englische Internate und deren Vermittler dürfen sich auf einen wahren Ansturm freuen. Immer weniger Eltern werden sich damit abfinden, dass die ohnehin schon schlechten Standards an deutschen Schulen weiter abgesenkt werden, wie vom Innenminister bereits angekündigt. Die Integration hunderttausender Jugendlicher ohne deutsche Sprachkenntnisse in ein bestehendes Schulsystem ohne deutliche Aufstockung an Personal kann nur mit einer Absenkung des Niveaus einhergehen.

Was Investoren für die lukrativste Geldanlage halten

Doch auch auf anderen Gebieten zeichnen sich die Gewinner der neuen Welt bereits ab. Rüstungsaktien sind nicht ohne Grund nach den Anschlägen von Paris gestiegen. Befinden wir uns wirklich in einem Krieg, wird es nicht genügen, mehr oder weniger taugliches Altmaterial zu verballern. Neue Wehrtechnik ist gefragt. Auch für die Sicherung der Grenzen  - die ja nun um ein vielfaches länger sind als nur die Außengrenzen der EU – werden die Staaten tief in die Tasche greifen. Neben der personellen Ausstattung dürfte es um Zäune und elektronische Sicherungen gehen. Ein gigantischer Markt, der ebenfalls von Rüstungs- und Technologieunternehmen dominiert wird.

Da die Staaten schon hoch verschuldet sind, läuft es auf eine zunehmende Finanzierung durch die EZB hinaus. In unserer heutigen Welt genügt hierzu ein Knopfdruck, was als solches wenig Geschäftsmöglichkeiten eröffnet. Als Nebeneffekt werden die Finanzmärkte weiter boomen und die Spekulation mit geliehenem Geld noch attraktiver und risikoloser. Die EZB garantiert damit nicht nur den Staaten die unbegrenzte Finanzierung, sondern auch Hedgefonds und Private Equity. Das Spiel kann also weiter gehen, und wir können immer mehr für vorhandene Vermögenswerte bezahlen, die wir uns hin und her verkaufen.

Kommt es dann doch zum unvermeidlichen Bruch des Euro dürften die letzten Profiteure feststehen: die Geldrucker der Welt. Denn auch wenn wir immer mehr in Richtung bargeldlosen Zahlungsverkehr getrieben werden, ganz ohne neue Geldscheine zum Anfassen geht es dann doch (noch) nicht.

Genug Möglichkeiten also, um auch mit der Krise Geld zu machen – und die Auflistung ist beileibe nicht vollständig. Man muss es halt nur machen – wollen.

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