




Spätestens seit dem Entscheid der Fed, die Zinsen nicht zu erhöhen, dürfte auch dem allerletzten Beobachter klar sein, dass wir in einer Falle stecken. Seit Jahrzehnten bekämpfen wir in der westlichen Welt jede potentielle Erkältung an den Finanzmärkten und in der Wirtschaft mit immer billigerem Geld. Dabei hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sicherlich Recht, wenn sie diagnostiziert, dass die tiefen Zinsen von heute noch tiefere Zinsen morgen erforderlich machen, die dann noch tiefere Zinsen übermorgen bedingen. Ein Teufelskreislauf, der letztlich nur Vermögensbesitzern und dem Finanzsektor nutzt, die Realwirtschaft jedoch zunehmend mit Schulden erstickt.
Zum Autor
Daniel Stelter war von 1990 bis 2013 Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group (BCG), zuletzt als Senior Partner, Managing Director und Mitglied des BCG Executive Committee. Seit 2007 berät Stelter internationale Unternehmen zu den Herausforderungen der fortschreitenden Finanzkrise. Zusammen mit David Rhodes verfasste er das 2010 preisgekrönte Buch „Nach der Krise ist vor dem Aufschwung“. Weitere Bücher folgten, aktuell hat Stelter eine Replik auf das Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ des französischen Ökonomen Thomas Piketty unter dem Titel „Die Schulden im 21. Jahrhundert“ veröffentlicht. Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Forums „Beyond the Obvious“, das Antworten auf die wirtschaftlichen und finanzpolitischen Fragen unserer Zeit sucht.
Wie hier in den vergangenen Wochen gezeigt, hängen unsere Wirtschaft und vor allem die Finanzmärkte am Tropf des billigen Geldes. Mit immer mehr Schulden haben wir die Illusion von Reichtum geschaffen und die Nachfrage gestützt. Dabei ist der Anteil der unproduktiven Schulden, die nicht dazu dienen neue Maschinen und Anlagen und Innovationen zu finanzieren sondern lediglich Konsum und Spekulation, explodiert.
Diesen Schulden ist jedoch inhärent, dass wir immer mehr Schulden brauchen, um keinen Kollaps zu erleiden. Nur durch noch mehr Schulden ist sichergestellt, dass die bisherigen Schuldner ihren Verpflichtungen nachkommen können. Deshalb blieb der Fed auch gar keine Wahl. Angesichts der rückläufigen Liquidität in den Finanzmärkten drohte der Welt ein „Margin Call“, der ohne Zweifel unseren Schuldenturm zum Einsturz gebracht hätte.
Damit ist aber auch klar, dass es nicht genügen wird, dass die Fed die Zinsen nicht erhöht. Es ändert sich nichts an der hier vor zwei Wochen gestellten Diagnose: die Liquidität in den Weltfinanzmärkten sinkt zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt dramatischen Wachstums. Nur durch eine weitere Runde nochmals aggressiverer Geldpolitik wird es möglich sein, das System nochmal eine Runde weiter zu bekommen. Heißt: noch tiefere Zinsen – also nicht mehr nur Null-Zins-Politik, sondern Negativ-Zins-Politik – und noch mehr Aufkäufe von Wertpapieren.