Stelter strategisch

Machtlose EZB als Gefahr für die Märkte

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Zweifelhafte Konjunkturprogramme der Notenbanken

Helikopter-Geld: Das Entsorgen der Altschulden über die Bilanzen der Notenbanken dürfte zur Lösung der Probleme nicht genügen. Die Zombies wären weiter da, die ungedeckten Verbindlichkeiten der Staaten blieben ungedeckt, die Produktivitätsfortschritte wären immer noch schwach und die Erwerbsbevölkerungen würden weiter deutlich zurückgehen. Das Wachstum bliebe also zu gering, um soziale Spannungen zu mindern. Die Antwort darauf liegt in staatlichen Konjunkturprogrammen, direkt von den Notenbanken finanziert. In Anlehnung an Milton Friedman spricht man von „Helikopter-Geld“. Das wird in diesem Fall nicht aus Helikoptern abgeworfen, sondern dem Staat geschenkt, damit der es unter die Leute bringt, zum Beispiel, indem er investiert. Auch hier mehren sich die Stimmen in der Wissenschaft, die in diesem Vorgehen das Normalste aller Dinge sehen.


Modern Monetary Theory (MMT): Doch warum eigentlich nur im Krisenfall den Staat direkt von der Notenbank finanzieren lassen? Wäre es nicht ohnehin besser, wenn man den Staat dauerhaft und großzügig direkt von der Notenbank finanzierte, anstatt wie heute den Umweg über die Geschäftsbanken zu gehen? Vorreiter dieser Überlegungen, bezeichnen es als „Modern Monetary Theory“ (MMT). Als Skeptiker müsste man anführen, dass es so „modern“ nicht ist, wurde es doch schon in der Weimarer Republik ausprobiert. Die Befürworter sehen das natürlich ganz anders. Ihnen zufolge können Staaten, die die Kontrolle über die eigene Notenbank haben (also zum Beispiel die USA, aber eben nicht Italien) so viel neu geschaffenes Geld ausgeben, wie sie wollen, solange die Wirtschaft unausgelastete Kapazitäten hat, sowie innovativ und produktiv genug ist, um alle Wünsche zu erfüllen! Und sollte dennoch Inflation drohen, müsste der Staat über Steuern nur einen größeren Teil des Geldes, das er in den Kreislauf gebracht hat, wieder entziehen. So gesehen, waren Zimbabwe, Venezuela und Weimar-Deutschland auf dem richtigen Weg und haben nur bei der Besteuerung nicht richtig aufgepasst.

Klar ist auf jeden Fall, dass im Zuge der nächsten Krise oder Rezession die Notenbanken den bisherigen Weg mit noch mehr Konsequenz fortsetzen werden. Man könnte als rationaler Beobachter meinen, dass sie aus den bisherigen Fehlern gelernt hätten. Dem ist aber nicht so, würde doch jeder Notenbanker entrüstet von sich weisen, überhaupt einen Fehler gemacht zu haben.

EZB wieder zu spät

Was der Helikopter-Einsatz für die Geldanlage bedeutet, habe ich schon mehrfach an dieser Stelle diskutiert, ebenso die Frage der unterschiedlichen Reaktionsgeschwindigkeit der Notenbanken und den sich daraus ergebenden Konsequenzen.

Es lohnt sich, diese Überlegungen wieder in Erinnerung zu rufen: Es ist unstrittig, dass Engländer und Amerikaner – von den Japanern ganz zu schweigen – sehr pragmatisch die Rotoren anwerfen werden. Die EZB wird sich, angesichts der schon herrschenden Kritik an ihrer Rolle, nicht so leicht auf diesen Kurs bringen lassen. Sie agiert bekanntlich nicht für ein einzelnes Land, sondern für einen sehr heterogenen Währungsraum.

Zwar wäre es der EZB theoretisch möglich, jedem Bürger direkt Geld zu schenken, in der Praxis dürfte eine solche Idee die Währungsunion in ihren Grundfesten erschüttern. Auch die direkte Finanzierung von Staaten mit Helikopter-Geld, von MMT ganz zu schweigen, sind nur im äußersten Krisenfall denkbar. Ein Aufschrei ginge durch Deutschland und es würde schon einer deutlichen Vertiefung der Krise bedürfen, bevor die deutsche Politik und Öffentlichkeit diesen Weg mitgingen.

Die Folgen? Nun, da hilft ein Blick in die Geschichte der Großen Depression. Es ging jenen Staaten damals am schnellsten wieder besser, die den Goldstandard aufgaben und durch drastische (notenbankfinanzierte) Konjunkturprogramme gegensteuerten. Zunächst Japan, dann Großbritannien und schließlich den USA, die bei der Gelegenheit auch gleich den privaten Goldbesitz verboten. Länder, die nicht auf diesen Kurs einschwenkten, verharrten dagegen in tiefer Depression auch ausgelöst durch die relative Aufwertung.

Starten also die Helikopter in den kommenden Jahren, bedeutet dies: einen (sehr) starken Euro, Rezession in Euroland, fallende Aktien und Zinsen sowie perspektivisch ein Zerfall der Eurozone. Wie man sich auf Letzteres vorbereitet, habe ich hier erläutert. Zusätzlich empfehlen sich der Kauf ausländischer Aktien mit Absicherung des Währungsrisikos, physisches Gold, Goldminen und Staatsanleihen von Deutschland. Ja, Letztgenanntes ist irre, aber bei Deflation und Eurostärke nicht so blöd.

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