100 Terrabyte an Akten und E-Mails wurden ausgewertet, ausgedruckt reichte das Material von Frankfurt bis Rom. 1100 dicke Leitzordner umfasst die Akte, das sind mehr als 80.000 Blatt Papier. Und auch die Anklageschrift an sich ist 3150 Seiten lang. Das Verlesen zu Beginn des Prozesses dürfte mehrere Tage dauern - keine Frage, das Verfahren gegen die Frankfurter Immobiliengruppe S&K hat Dimensionen, die nicht alltäglich sind.
"Das Verfahren ist eines der größten im Bereich Betrug in dieser Behörde", räumte der leitende Oberstaatsanwalt Albrecht Schreiber ein. Am Dienstag stellte die Staatsanwaltschaft Frankfurt die Anklage der "S&K-Verfahren" genannten Ermittlungen vor.
Wie bereits durchgesickert war, geht die Staatsanwaltschaft von einem Schaden in Höhe von 240 Millionen Euro aus. Das ist allerdings nur ein vorläufiger Wert. "Der tatsächliche Schaden ist wesentlich höher", sagte Staatsanwalt Thorsten Haas. Ob es eine endgültige Schadenssumme geben wird, müssen die weiteren Ermittlungen zeigen.
Insgesamt werden den beiden Gründern der S&K-Immobiliengruppe, Jonas K. und Stephan S. 49 Straftaten vorgeworfen, die Anklage lautet auf schweren banden- und gewerbsmäßigen Betrug, schwere banden- und gewerbsmäßige Untreue sowie Anstiftung dazu. Insgesamt werden sieben Hauptverantwortliche angeklagt, gleichzeitig umfasst das Verfahren bisher vier weitere natürliche Personen und 21 Gesellschaften als Nebenbeteiligte, so die Staatsanwälte.
"Von Anfang an geplant"
Der Vorwurf: Mit Hilfe eines Schneeballsystems haben die Angeklagten Gelder von Anlegern eingesammelt. Diese "verbrauchten die Angeschuldigten wie von Anfang an geplant zum größten Teil für ihren aufwändigen Lebensstil" und zur Aufrechterhaltung des Systems, erklärt die Staatsanwaltschaft Frankfurt in ihrer Stellungnahme. Die WirtschaftsWoche hatte Anfang 2013 vor den S&K-Anlagen gewarnt und auf den teuren Lebensstil der Gründer aufmerksam gemacht. An die Rendite der Anleger - zwölf Prozent wurde ihnen in Aussicht gestellt - war also nie zu denken.
Die Angeschuldigten seien nicht geständig und hätten sich größtenteils nicht zur Sache eingelassen, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft.
Allein bei den fünf S&K-Fonds sind laut Staatsanwaltschaft rund 6000 Anleger betroffen, zählt man gekaperte Fondsgesellschaften wie die der DCM-Gruppe, der Midas-Gruppe oder der SHB-Gruppe dazu, sind es laut Staatsanwalt Haas zehntausende Anleger. Die meisten davon sind offenbar Kleinanleger mit einem durchschnittlichen Anlagebetrag von etwa 20.000 Euro. Viele haben das Geld für ihre Altersvorsorge angelegt.
Schon 2013 wurde im elektronischen Bundesanzeiger eine Liste mit den Vermögensgegenständen der Beschuldigten veröffentlicht. Insgesamt wurden Werte von etwas mehr als 50 Millionen Euro sichergestellt. So haben Anleger einen Anhaltspunkt, was möglicherweise zu holen ist. Neben Grundstücken, Bargeld und Bankguthaben befinden sich Sachwerte wie Uhren oder teure Autos auf der Liste. Dennoch dürfte es für Anleger schwer werden, Ansprüche geltend zu machen.
Windhundprinzip
Nicole Rode, Staatsanwältin, erklärte erneut das mögliche Verfahren. Zunächst müssten Anleger zivilrechtliche Ansprüche gegen die jeweilige Gesellschaft geltend machen, mit der sie ihren Vertrag abgeschlossen haben. Um bei einer Zwangsvollstreckung berücksichtigt zu werden, muss zunächst ein sogenannter zivilrechtlicher Titel vorliegen, etwa ein Urteil oder eine Schuldanerkenntnis. Kommt es zur Vollstreckung gelte das "Windhundprinzip", so Rode. Wer zuerst Ansprüche angemeldet hat, wird auch als erstes bedient.
Zur Frage, wann der Prozess gegen die Angeklagten eröffnet wird, konnte die Staatsanwaltschaft nichts sagen, das sei Sache des Gerichts. Auch die Frage, ob alle 900 in der Anklage genannten Zeugen vorgeladen werden müssten, liege im Ermessen der Richter am Frankfurter Landgericht.
Und was für die Zahl der Zeugen gilt, gelte auch für die Sicherheitsvorkehrungen beim Prozess, so die Frankfurter Staatsanwälte. Einer der Angeklagten, Stephan S., war im September 2013 im Rahmen eines Zivilprozesses gegen eine der S&K-Gesellschaften im ersten Stock des Frankfurter Landgerichts aus dem Fenster gesprungen und hatte sich dabei schwer verletzt. Wenn das Gericht aus seinen Fehlern lernt, verrammelt es beim Prozess alle Fenster und verlegt die Verhandlungen in eines der oberen Stockwerke.