Terminbörsen "Die Day-Trader des 19. Jahrhunderts"

Seite 3/3

Wiederbelebung in den 90ern

Der Ausfall der Warenbörsen hatte Folgen. „Das Verbot der Terminbörsen war geradezu ein Durchbruch einer neuen Geisteshaltung, die dann im 20. Jahrhundert so sehr an Gewicht gewann“, schreibt Börsenjournalist Heinz Brestel im Vorwort zu dem klassischen Buch über die Praxis des Termingeschäfts von Walter Hirt. „Nachdem sich die Bauern daran gewöhnt hatten, dass Preise nicht mehr völlig frei zu pendeln brauchten, lag es nahe, immer neue und massive Forderungen nach hohen Festpreisen und auch nach Importzöllen zu stellen und durchzusetzen.“

Neuanfang nach 100 Jahren
In Deutschland kam es in den 1990er Jahren zur Wiederbelebung des Terminhandels mit Agrarrohstoffen. Nach der Agrarreform der EU 1992 schlugen die weltweiten Preisschwankungen immer stärker auf die Preise in Europa durch. Landwirte, Händler, Genossenschaften und Verarbeiter suchten nach Absicherungen. Nach mehrerer Fehlstarts kam es 1998 zur Gründung der Warenterminbörse (WTB) in Hannover. Seit dem 18. Jahrhundert ist die Stadt ein Zentrum für den Handel mit Agrarprodukten. Mit ihren neuen Kartoffel- und Schweinefutures erlangte die WTB aber nie überregionale Bedeutung.

Seit 2009 bietet die Terminbörse Eurex Kontrakte auf Agrarrohstoffe an. „Unser Einstieg in das Segment der Agrarderivate ist die Fortführung unserer Strategie, alle wichtigen Anlageklassen mit eigenen Produkten abzudecken“, sagt Eurex-Vorstand Peter Reitz. Derzeit gibt es Futures auf Schweine, Ferkel, Butter oder Magermilchpulver. Private Anleger sind jedoch kaum vertreten.

Die schauen sich eher um unter den mehreren hundert Zertifkaten und Optionsscheinen, die sich direkt auf die in Chicago gebildeten Terminpreise von Agrarprodukten beziehen. Das gesamte Anlagevolumen, das in diesen Papieren steckt, liegt allerdings bei weit unter einer Milliarde Euro. Einen Einfluss auf die Preise von Nahrungsmitteln haben diese Papiere damit nicht. Dennoch ziehen sich unter dem Druck der aktuellen Diskussion einige Anbieter zurück. „Unser Haus hat aus ethischen Gründen weltweit damit aufgehört, Derivate auf Agrarrohstoffe anzubieten“, sagt Gregoire Toublanc, Chef des Zertifikategeschäfts der französischen BNP.

Das Ende des Geschäfts mit Agrarpapieren dürfte dies indes nicht markieren. Dort, wo die Agrarderivate ursprünglich herkommen, besteht weiterhin Bedarf. Stefano Angioni, Derivatespezialist der genossenschaftlichen DZ Bank: „Der Genossenschaftssektor hat auch Landwirte als Kunden, und die fragen entsprechende Finanzprodukte nach.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%