Token-Sale Wie plane ich als Start-up einen ICO?

Gründer Yassin Hankir will mit seiner App Savedroid das Sparen revolutionieren. Jetzt sammelt er über einen Token-Sale neues Geld ein. Quelle: Presse

Gründer Yassin Hankir will mit seiner App Savedroid das Sparen revolutionieren. Jetzt sammelt er für Savedroid über einen Token-Sale neues Geld ein. Wie das geht – und was es Start-ups bringt.

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Bei aller Kryptomanie, die dank des rasanten Kurssprungs von Bitcoin und anderen Kryptowährungen im vergangenen Jahr ausgebrochen ist, haben auch viele Start-ups die Chance ergriffen, sich über einen ICO neues Kapital zu besorgen.

ICO steht für Initial Coin Offering, in Anlehnung an das IPO, Initial Public Offering, einem Börsengang.

Doch beim ICO verkaufen die Start-ups üblicherweise keine Anteile, weil dafür umfangreiche Offenlegungspflichten erfüllt werden müssen. Eben so, als gingen sie an die Börse. Doch es gibt einfachere Möglichkeiten. Mit der Ausgabe von Tokens, einer Art Gutschein, können die Start-ups das Problem der Veröffentlichungspflicht umgehen.

Yassin Hankir hat 2015 sein Start-up Savedroid gegründet. Damit will er seine Nutzer animieren, Geld zurückzulegen. Statt nur alle paar Monate mal 100 Euro aufs Konto zu packen, sollen sie regelmäßig mit kleinsten Beträgen sparen. Ob auf ein neues Handy oder eine Reise. Mit individuellen Sparregeln legt die App für sie etwa immer dann automatisch Cent- oder Eurobeträge zurück, wenn jemand etwas twittert, ihr Fitnesstracker eine besonders lange Strecke beim Joggen aufzeichnet, oder sie ihr Handy entsperren.

Nun will Hankir seinen Kleinsparern auch ermöglichen, nicht nur in Euro zu sparen, sondern auch Beträge in Bitcoins und anderen Kryptowährungen zu sammeln.

Dafür hat er mit seinem Team heute einen eigenen ICO gestartet. Die Finanzierungsrunde von Savedroid ist nur eines von bislang gut 1400 geplanten und abgeschlossenen ICOs weltweit.

Über die Hälfte davon, 890 ICOs, sammelten laut Datenbank ICOdata allein im vergangenen Jahr Geld bei den Anlegern ein.

Das sieht danach aus, als ob ein ICO kein großes Projekt ist – sondern blitzschnell umgesetzt werden kann. Perfekt für Start-ups, die schnell neues Geld brauchen.

Doch wie viel Arbeit ein ICO wirklich macht, hat Yassin Hankir der WirtschaftsWoche geschildert.

Schritt 1: Den passenden Token wählen

Grundsätzlich haben Start-ups bei einem ICO die freie Wahl: Beteiligen sie Anleger über die digitalen Gutscheine tatsächlich an ihrem Unternehmen – dann würde ein ICO im Sinne eines Börsengangs funktionieren. Anleger erhielten einen sogenannten Equity Token vom Start-up. Doch dann müssen Start-ups rechtliche Anforderungen erfüllen, um Unternehmensanteile öffentlich platzieren zu können. Ein teurer und aufwendiger Schritt, zu dem sich bislang kein deutsches Start-up durchgerungen hat. Denn bislang hat die deutsche Finanzaufsicht Bafin, die auch ICOs auf Wunsch der Unternehmen prüft, noch keinen Präzedenzfall für eine solche digitale Unternehmensbeteiligung geschaffen. Alle bisherigen ICOs aus Deutschland haben deshalb einen Utility Token ausgegeben. Einen digitalen Gutschein, der es den Inhabern erlaubt, ihn gegen eine Dienstleistung vom Start-up einzulösen. So etwas wie Zins, Dividende oder Mitspracherecht gibt es bei diesen Gutscheinen für Anleger nicht.

Hinter den Kulissen eines Bitcoin-Miners
Bitmain-Gründer Wu Jihan Quelle: Bloomberg
Bitcoin-Mine in Ordos, China Quelle: Bloomberg
Rechentürme von Bitmain Quelle: Bloomberg
Ein Techniker repariert Bitcoin-Hardware. Quelle: Bloomberg
Ein Bitcoin-ASIC bei der Reparatur. Quelle: Bloomberg
Ein Techniker verlässt die Rechnerhalle. Quelle: Bloomberg
Kühlanlage der Bitcoin-Mine Quelle: Bloomberg

Auch Savedroid hat sich für diese Variante entschieden. Wer einen Token besitzt, kann ihn künftig dafür einsetzen, die Gebühren für seine Kryptosparpläne in der Savedroid-App zu bezahlen.

Schritt 2: Rechtsberatung suchen

Mittlerweile bieten auch in Deutschland viele Kanzleien eigene Rechtsberatung für ein ICO an. Sie sind einer der wichtigsten Ansprechpartner für die Start-ups beim Planen des ICOs. Auch wenn die juristische Detailarbeit mal länger dauern kann als geplant. Im Falle des Savedroid ICOs etwa zwei Wochen. „Das war aber keine Verzögerung, die den Start unseres Token-Sales gefährdet hätte“, sagt Hankir.

Die meisten Krypto-Börsenplätze sind selbst noch Start-ups

Schritt 3: Dienstleister beauftragen

Wenn eigene Blockchain-Entwickler im Haus arbeiten, kann ein Start-up die Ausgabe der digitalen Münzen natürlich in Eigenregie übernehmen. Schließlich ist der Vorteil der Ethereum-Blockchain, dass jedes Unternehmen seine eigenen Coins ausgeben kann. Fast alle ICOs nutzen nämlich die ERC20-Tokens von Ethereum.

Aber nur selten sind die eigenen App-Entwickler auch Blockchain-Experten. Dann muss ein Dienstleister helfen. D-fine Next hat für Savedroid etwa die Entwicklung der digitalen Verträge übernommen, die als Grundlage für die Ausgabe der Tokens dienen.

"Bleiben Sie weg. Das ist tödlich."
Axel Weber, Präsident der Schweizer Bank UBSDer ehemalige Präsident der Bundesbank ist Bitcoin gegenüber sehr skeptisch. „Das kommt wahrscheinlich von meinem Hintergrund als Notenbanker“, sagte er. Eine Währung müsse allgemein akzeptiert sein, als Wertaufbewahrung dienen und als Zahlungsmittel sowie für Transaktionen verwendet werden können. „Bitcoin ist nur eine Transaktionswährung“, sagte Weber. Ihren Kunden rate die UBS bewusst von Bitcoins ab. Sie hätten keinen intrinsischen Wert und die Bank sehe keine darin keine Substanz. Quelle: REUTERS
Jamie Dimon Quelle: dapd
Warren Buffett:Der US-Starinvestor hat vor Bitcoin und anderen Digitalwährungen gewarnt. „Ich kann mit annähernder Sicherheit sagen, dass sie ein böses Ende nehmen werden“, sagte der 87-jährige Börsen-Guru am Mittwoch im Sender CNBC. Wann es soweit sein werde, könne er allerdings nicht sagen. Buffett spekuliert mit seiner Investmentfirma Berkshire Hathaway nach eigenen Angaben bislang noch nicht aktiv auf einen Crash. Die Frage, ob er mit sogenannten Futures gegen Kryptowährungen wette, verneinte Buffett. Er würde aber mit langfristigen Optionsgeschäften - etwa über einen Zeitraum von fünf Jahren - auf Kursverfall setzen, wenn dies möglich wäre. Buffett räumte jedoch auch offen ein, sich mit Bitcoin und Co. nicht sonderlich gut auszukennen. „Doch ich denke, was derzeit abläuft, wird definitiv böse enden“, so die Investorenlegende. Quelle: AP
Lars Rohde, Notenbankchef von Dänemark„Bleiben Sie weg. Das ist tödlich“, so Dänemarks Nationalbankgouverneur Lars Rohde. „Ich sehe Bitcoin als Tulpenmanie, was eine außer Kontrolle geratene Blase ist“, sagte er im Dezember 2017 in einem Interview. Die Tulpenmanie in den Niederlanden gilt als erste dokumentierte Spekulationsblase der Welt. In den 1630er Jahren waren dort die Tulpenpreise auf astronomische Höhen gestiegen, bevor sie 1637 abrupt einbrachen.
Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Quelle: dpa
Deutsche Bundesbank Jens Weidmann Quelle: REUTERS
Valdis Dombrovskis:Die EU-Kommission warnt vor Risiken der Cyberwährung Bitcoin für Investoren und Verbraucher. Es bestehe die Gefahr, dass diese ihr gesamtes Vermögen verlören, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis. Die Investoren sollten realisieren, dass der Bitcoin-Kurs jeden Moment fallen könnte. "Virtuelle Währungen wie Bitcoin sind nicht wirklich Währungen." Dombrovskis sagte, er habe die Bankaufseher der EU aufgefordert, ihre Warnungen zu Bitcoin auf aktuellen Stand zu bringen. Quelle: REUTERS

Schritt 4: Vorverkauf organisieren

Fast jedes ICO startet mittlerweile damit, dass die Start-ups bei Anlegern auf Tuchfühlung gehen. So auch Savedroid. Also wird in einem Vorverkauf, dem Pre-Sale, ein Teil der Tokens auf dem Markt platziert. „Fünf Prozent der ausstehenden Tokens haben sich in der Branche als üblich etabliert“, sagt Hankir. Über die Erstinvestoren im Pre-Sale solle Aufmerksamkeit geschaffen werden – und letztlich eine höhere Nachfrage für den eigentlich Start des ICOs.

Das scheint bei Savedroid funktioniert zu haben: Im Vorverkauf rissen Anleger Hankir die digitalen Münzen förmlich aus den Händen, nach sieben Stunden hatte Savedroid fünf Millionen Euro eingesammelt und alle Münzen im Pre-Sale waren ausverkauft.

Schritt 5: Börsenplatz auswählen

Bislang gibt es noch keine Qualitätskriterien oder Indizes für ICO-Tokens, an denen Anleger sich orientieren können und die ihnen über die Qualität der Anlagen eine Auskunft geben. Sowohl Anleger als auch Start-ups müssend deshalb prüfen, wo sie die digitalen Münzen handeln wollen – um am Ende kein Geld zu verlieren.

Für Savedroid steht bereits einer der künftigen Börsenplätze fest: HitBTC, ein wichtiger Marktplatz, der unzählige ICO-Tokens listet.

Doch damit die Münzen eines Start-ups an den Börsenplätzen handelbar werden, müssen die Start-ups sich bewerben – und eine Gebühr an die Marktplätze zahlen.

Allein der Umfang der Bewerbung unterscheidet sich deutlich, sagt Hankir. Ein bis zwei Tage habe sein Team investiert, um die Bewerbung für einen der führenden Handelsplätze fertig zu machen. Andere Anbieter fordern weniger Unterlagen, so dass es nur ein paar Stunden dauere.

„Wir müssen die Eigentümerstruktur offenlegen, Passkopien einsenden, die Pläne für den Tokensale und Vorverkauf einreichen.“ Sowohl die Börsenbetreiber müssen darauf vertrauen, dass die Start-ups ein solides Geschäftsmodell verfolgen – und auch die Start-ups müssen darauf vertrauen, dass der Handelsplatz mit ihren Unterlagen vertraulich umgeht. Denn die meisten Krypto-Börsenplätze sind selbst noch Start-ups.

Ehrgeizige Ziele

Schritt 6: Community aufbauen

Auf den ersten Blick steht bei einem ICO im Vordergrund neues Kapital zu sammeln. Doch fast genauso wichtig: Über den ICO kommen Start-ups mit ersten Nutzern direkt in Kontakt. Schließlich sollen sie den digitalen Gutschein anschließend auch gegen ihre Dienste eintauschen.

„Der Aufbau einer Community und der direkte Kontakt mit ersten Nutzern ist ein entscheidendes Kriterium, warum wir uns für einen ICO entschieden haben“, sagt Hankir.

Doch wie macht man Anleger bei der Fülle von ICOs überhaupt auf die eigene Finanzierungsrunde aufmerksam? Über den verschlüsselten Nachrichtendienst Telegram, ein Forum unter bitcointalk.org und über Blogbeiträge auf medium.com läuft die Kommunikation für ICOs.

„Die größte Überraschung für uns war, wie schnell der Netzwerkeffekt funktioniert hat“, sagt Hankir. Nun arbeite bei Savedroid im Schichtbetrieb stets mindestens ein Administrator daran, die Nutzer-Gruppe in der Messenger-App Telegram zu betreuen. Mehr als 32.000 Mitglieder interessieren sich dort für den Savedroid ICO, Anfang Januar war die Gruppe nur ein Zehntel so groß. „In dieser kurzen Zeit so viele Leute zu erreichen hätte uns mit normalem Marketing richtig viel Geld gekostet“, sagt Hankir.

Trotzdem: 50 Prozent der Einnahmen aus dem ICO will Savedroid zusätzlich in Marketing investieren. 30 Prozent fließen in die Technologie hinter der Spar-App.

Insgesamt könne man für die Planung eines ICOs wohl drei bis vier Monate veranschlagen, sagt Hankir, der es mit Savedroid in rund drei Monaten geschafft hat. „Wir hatten einige sehr kurze Nächte dazwischen und haben Wochenenden durchgearbeitet. Insofern sind vier Monate vermutlich ein deutlich entspannterer Zeitrahmen für die Planung des ICOs.“

Schritt 7:  Füße hochlegen, Geld zählen?

Von wegen. Nach dem ICO beginnt die Arbeit. Denn auch wenn bei einem ICO formell keine besonderen Unterlagen veröffentlicht werden müssen, haben einige Start-ups etabliert, in ihren Verkaufspapieren vorzurechnen, wie ihr Businessplan für die kommenden Jahre aussieht. Und Savedroid hat sich ehrgeizige Ziele vorgenommen: Die Spar-App soll von Deutschland aus nach Europa und schließlich weltweit expandieren. Schon Anfang 2019 soll das Kryptosparen über Savedroid weltweit verfügbar sein. Und in vier Jahren will Hankir mit seinem Team mehr als zwei Millionen Nutzer in seiner App zählen. Geht alles gut, soll der Wert eines Tokens sich bis dahin von einem Cent beim ICO auf über neun Euro vervielfachen. Dass das gelingt, lässt sich freilich nicht planen.

0,01 Euro ist ein Token zum ICO wert, insgesamt hat Savedroid 10 Milliarden davon kreiert. 40 Prozent der Tokens liegen als Reserve bei Savedroid, die über fünf Jahre an bisherige und zukünftige Investoren, Rechtsberater, Entwickler und Angestellte ausgeschüttet werden können und einer Haltepflicht unterliegen. Die restlichen 60 Prozent gehen an die Anleger, die nun maximal einen Monat Zeit haben, die Tokens zu zeichnen.

60 Millionen Euro könnte Savedroid beim ICO also einsammeln. Eine mächtige Summe. Sowohl für Savedroid, das seit seiner Gründung bislang nur 3,5 Millionen Euro von klassischen Venture-Investoren bekam. Und auch eine mächtige Summe für die deutsche Fintech-Szene, wenn man bedenkt, dass 2017 insgesamt 716 Millionen Euro in deutsche Fintechs investiert wurden.

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