Der drohende Flächenbrand im Nahen Osten und das allmählich wiederkehrende Investoreninteresse an den mit physischen Barren besicherten Goldfonds sowie Eindeckungen von Leerverkaufspositionen an der New Yorker Terminbörse Comex hievten den Goldpreis zu Wochenbeginn über die Marke von 1.400 Dollar pro Feinunze und damit auf den höchsten Stand seit mehr als zwei Monaten.
Die Bestände aller vom Börsendienst Bloomberg registrierten börsennotierten Goldfonds, die von ihrem Hoch am 20. Dezember 2012 bei 84,6 Millionen Unzen bis auf 62,595 Millionen Unzen am 8. August eingebrochen waren, sind zuletzt nicht mehr gefallen sondern leicht gestiegen um 160.000 Unzen auf aktuell 62,755 Millionen Unzen.
Am 9. Juli entsprachen die von der US-Terminmarktaufsicht CFTC erfassten Leerverkaufspositionen nicht gewerblicher Marktteilnehmer, vulgo Spekulanten, an der New Yorker Terminbörse Comex einer Goldmenge von 14,4 Millionen Unzen. So viel Gold wurde von Spekulanten noch nie zuvor leer verkauft. Nur ist der Goldpreis seither nicht gefallen, sondern hat sich erholt, von seinem Jahrestief bei 1180,57 Dollar pro Unze um fast 20 Prozent auf aktuell 1411,80 Dollar. Der Preisanstieg zwingt Spekulanten jetzt, ihre Shortpositionen einzudecken. Dieser Prozess dürfte noch nicht vorbei sein. Denn noch immer entspricht die Anzahl der spekulativen Shortpositionen an der Comex einer Goldmenge von gut neun Millionen Unzen, dreimal so viel wie Ende 2012.
Just zu diesem Zeitpunkt begann Goldman Sachs, den Goldboom für tot zu erklären. So gesehen hätten Goldanleger gewarnt sein müssen. Zwar war die Begründung dünn: Die Wirtschaft in den USA erhole sich schneller als erwartet, die Notenbank Fed werde ihre Anleihenkäufe deshalb beenden. Entsprechend sei ein steigender Realzins wahrscheinlich. Gold, das keine Zinsen bringt, werde unattraktiv. Goldman riet Kunden, Gold zu verkaufen und auf fallende Preise zu setzen. Goldman Sachs ist nicht die Volksbank Bautzen. Die Aussagen der Investmentbank wurden global gehört.
Die wichtigsten Fakten zu Gold
Die gesamte Goldnachfrage im dritten Quartal 2014 betrug 929,3 Tonnen. Damit ist die Nachfrage um 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (Q3'13: 952,8) gefallen.
Quelle: World Gold Council
Die weltweite Nachfrage nach Schmuck betrug im dritten Quartal 2014 insgesamt 534,2 Tonnen und ist damit um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr (Q3'13: 556,3) gefallen.
Die Nachfrage des Technologiesektors belief sich im dritten Quartal 2014 auf 97,9 Tonnen und fiel, verglichen mit den 103,1 Tonnen im dritten Quartal 2013, um fünf Prozent.
Die Nachfrage nach Goldbarren und -münzen ist im dritten Quartal 2014 deutlich gesunken – auf 245,6 Tonnen. Ein Minus von 21 Prozent im Vergleich zu 2013 (Q3: 312,3).
Dass die Gesamtnachfrage nach Gold gefallen ist, ist auch auf die Abflüsse aus Gold-EFTs zurückzuführen. Im dritten Quartal 2014 beliefen sich diese auf 41,3 Tonnen. Allerdings ist das deutlich weniger als im Vorjahr. Im dritten Quartlal 2013 betrugen sie noch 120,2 Tonnen.
Die Nettoeinkäufe von Zentralbanken betrugen im dritten Quartal 2014 92,8 Tonnen. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Rückgang von neun Prozent (Q3'13: 101,5).
Die Goldnachfrage im Investment belief sich im dritten Quartal 2014 auf 204,4 Tonnen. Das ist eine minimale Steigerung von sechs Prozent, im Vorjahresquartal waren es 192 Tonnen.
Trotzdem war der Goldpreis-Crash keine Folge schwacher Nachfrage nach Barren oder Münzen. Auch die börsennotierten Goldfonds taugen nur bedingt als Erklärung. Beschleunigt hatte sich die Rückgabewelle Mitte Februar. Sie aber war die Folge einer zuvor am am Terminmarkt einsetzenden Preisschwäche, nicht Auslöser.
Gold geht nie pleite
Abgesehen davon, dass die USA auch in Sachen Gold nicht mehr der Nabel der Welt sind - die wichtigsten Märkte sind Indien und China, wo die physischen Goldkäufe nach dem Preisrutsch sprunghaft in die Höhe schnellen - , steht nirgendwo in Stein gemeißelt, warum Gold bei steigenden Realzinsen unbedingt gemieden werden muss. Schließlich ist der Zins immer auch ein Maßstab für Bonität. Entsprechend signalisieren steigende Zinsen eine schwächere Bonität und ein höheres Ausfallrisiko von Schuldnern. Gold geht nie pleite.
Spürbar anziehende Realzinsen signalisieren im aktuellen Umfeld zudem einen Kontrollverlust der Notenbanken über die Anleihenmärkte. Zentralbanken in den USA, Japan und Europa können es sich nicht erlauben, einen spürbaren Zinsanstieg zuzulassen, wenn sie keinen Zusammenbruch ihrer überschuldeten Volkswirtschaften riskieren wollen. Sie versuchen, die Marktzinsen zu drücken indem sie immer größere Mengen Anleihen aufkaufen.
Hätten die Notenbanken ihr Ziel damit tatsächlich erreicht, und die Wirtschaft wäre kräftig angesprungen, dann wäre das Inflationsrisiko gestiegen. Das aber hätte eher zusätzliche Goldnachfrage ausgelöst.
Welche Länder die meisten Gold- und Devisenreserven haben
3.236 Milliarden Dollar
1.063 Milliarden Dollar
556,2 Milliarden Dollar
513 Milliarden Dollar
418,4 Milliarden Dollar
357,9 Milliarden Euro
345,8 Milliarden Dollar
306,4 Milliarden Dollar
285,4 Milliarden Dollar
270,3 Milliarden Dollar
216,5 Milliarden Dollar
Doch Nullzinspolitik und Anleihekäufe haben, wenn überhaupt, nur einen geringen Einfluss auf das reale Wirtschaftswachstum. Das räumte jüngst gar die Federal Reserve Bank of San Francisco ein. Eine späte Erkenntnis. Die US-Notenbank nahm in den vergangenen vier Jahren Staats- und Hypothekenpapiere in Höhe von 16 Prozent der amerikanischen Wirtschaftsleistung auf die eigene Bilanz. Zugleich wuchs die US-Wirtschaft seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama im Januar 2009 real nur um 1,075 Prozent pro Jahr – von einem selbst tragenden Konjunkturaufschwung keine Spur. Nur die Reichen wurden noch reicher. Während sich das Bruttoinlandsprodukt der USA seit dem Börsentief im März 2009 absolut um etwa 2,3 Billionen Dollar erholt hat, legte der Marktwert der an US-Börsen notierten Unternehmen um rund 12,3 Billionen Dollar zu. Gleichzeitig türmte Obama immer mehr Schulden auf, allein in seiner ersten Amtszeit mehr als alle seine 42 Amtsvorgänger zusammen.
Auch in Japan scheitert gerade die im April gestartete Extremvariante von QE. Die Bank of Japan will Summen mobilisieren, die etwa 25 Prozent der japanischen Wirtschaftsleistung entsprechen. Erstes Zwischenergebnis: Das reale Wachstum im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorquartal erreichte magere 0,6 Prozent. Die japanische Industrieproduktion ging im Juni gegenüber Mai gar um 3,3 Prozent zurück. Die deflatorischen Kräfte aus der Überschuldung sind offenbar stärker.
Fast nur Gold als Alternative
Nullzinsen und Quantitative Easing führen zu keinem realen Wirtschaftswachstum, erhöhen dafür aber die Instabilität des Wirtschafts- und Finanzsystems weiter. Die Blase am US-Aktienmarkt wirkt inzwischen gefährlicher als jene vor dem Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008. Und die Jahrtausendblase am Anleihemarkt könnte bereits geplatzt zu sein. Die späte Einsicht der Fed kommt möglicherweise zu spät. Sie könnte im Zusammenhang stehen mit den gigantischen Verlusten, die ihrem Portfolio aus US-Staatsanleihen drohen. Scott Minerd, Chefanlagestratege des US-Vermögensmanagers Guggenheim Partners, beziffert die unrealisierten Verluste der Fed allein aus dem Renditeanstieg in den drei Monaten bis August auf 192 Milliarden Dollar. Ein weiterer Renditeanstieg gefährdete jetzt das Eigenkapital der Fed in Höhe von 54 Milliarden Dollar. Nur noch 1,5 Prozent Ihrer Bilanzsumme ist mit Eigenkapital unterlegt. Die EZB kommt auf etwa 3,7 Prozent, die Bank of Japan auf knapp zwei Prozent. Eine Notenbank mit de facto insolventer Bilanz läuft Gefahr, zum Spielball der Märkte zu verkommen. Die eigene Währung wäre in ständiger Gefahr, was die Gefahr weiter steigender Zinsen zusätzlich erhöhte. Schwindet das Vertrauen in eine Notenbank und ihre Währung, bleibt als Alternative fast nur Gold. Das lehrt die Geschichte.
Die Geschichte zeigt auch, dass Gold schon immer abwanderte aus Regionen, in denen der Wohlstand abnimmt in solche, deren Wohlstand wächst. Viele Anleger fragen sich, wohin das viele Gold gewandert ist, das in den vergangenen Monaten aus den börsennotierten Goldfonds abgeflossen ist. Deren Bestände schmolzen seit Ende 2012 um 22 Millionen Unzen auf 62 Millionen Unzen zusammen. London ist das Zentrum des physischen Handels mit Goldbarren. Dort lagert auch das Gold der meisten Goldfonds in Form von Standardbarren à 400 Unzen (12,44 Kilo). Im ersten Halbjahr exportierte Großbritannien 25,6 Millionen Unzen in die Schweiz, fast neunmal so viel wie im gesamten Vorjahr. Da auf der Insel kein Gold gefördert wird, muss das Gold aus Londoner Tresoren gekommen sein. Einige Barren landeten in Schweizer Schließfächern, weil Investoren es dort besser vor staatlichem Zugriff geschützt wissen. Gold taucht schließlich in keinem Depotauszug mehr auf. Die Schweiz verfügt aber auch über die weltgrößten Raffineriekapazitäten für Gold. Und die waren schwer ausgelastet im ersten Halbjahr. Dort dürften sich viele der 12,44 Kilo schweren Barren aus London in kleinere Barren und Münzen verwandelt habe, für den Export nach Asien. So meldete Hongkong, wichtigster Umschlagplatz für Gold in Richtung Festlandchina, im ersten Halbjahr einen Anstieg der Importe aus der Schweiz um neun auf fast zwölf Millionen Unzen. Nach Indien dürfte die Schweiz etwa 3,2 Millionen Unzen mehr geliefert haben als vor einem Jahr.
Die Bedeutung von Gold
Die Reiseroute des Goldes bestätigt die Geschichte. Insgesamt schnellte die Nachfrage in China im ersten Halbjahr gar um 54 Prozent auf 22,7 Millionen Unzen nach oben. In Indien, etwa gleichauf mit China der wichtigste Goldabsatzmarkt der Welt, hat zwar die Regierung zur Verbesserung der Leistungsbilanz die Importsteuern auf Gold mehrfach erhöht und zuletzt gar ein Importverbot für Münzen und Medaillen verhängt. Das aber bisher ohne spürbar dämpfenden Einfluss. Wegen der hohen Inflation von rund zehn Prozent bleibt Gold auf dem Subkontinent weiter begehrt. Statt über offizielle Kanäle kommt das Gold jetzt nur vermehrt illegal ins Land.
Gold wurde zuletzt gar knapp für jene, die Gold, ohne es tatsächlich zu besitzen, leer verkauft hatten in der in der Hoffnung auf einen weiter fallenden Goldpreis und sich jetzt eindecken müssen. Für sofort verfügbare Ware mussten sie zwischenzeitlich gar Aufschläge gegenüber dem Preis für Lieferansprüche in ein paar Monaten zahlen. Besonders auffällig ist der Markt für Goldleihegeschäfte. Hier wird physisches Gold geliehen und verliehen. Große Goldbesitzer wie etwa Zentralbanken verleihen zinsloses Gold gegen Dollar. Weil sie Dollar verzinst anlegen können, zahlen sie dem Goldleiher einen Zins, die so genannte Gold Forward Offered Rate (GOFO). Normalerweise liegt dieser Zins über dem US-Leitzins, ist also positiv. Doch seit Anfang Mai ist die GOFO für kurze Laufzeiten negativ. Somit muss der Goldleiher dem Goldverleiher eine Prämie bezahlen.
Physisches Gold wird offenbar dringend gesucht dem Dollar vorgezogen. Negativ war die GOFO zuletzt Anfang 2001 und im September 2008. 2001 gab diese Goldmarktanomalie den Startschuss für den aktuellen Goldbullenmarkt und 2008 das Signal für die Wiederaufnahme des Aufwärtstrends. Gleiches sollte jetzt wieder passieren. Wer nicht darauf setzen will und in der aktuellen Erholung sein Gold lieber abstoßen will, sollte auch auf die letzte große Hausse schauen. Zwischen 1974 und 1976 halbierte sich der Goldpreis. Anleger, die damals das Handtuch warfen, verpassten danach den besten Teil der Hausse. Denn anschließend kletterte der Goldpreis bis Januar 1980 um 700 Prozent. Auch jetzt könnte Gold also nur Schwung holen für einen Preisanstieg auf neue Rekordhöhen.
Goldanleger sollten zudem nicht vergessen, dass die Bedeutung von Gold ohnehin weniger in seinem Preis liegt, als in seinem Besitz. Das zumindest wird die Zukunft gewiss zeigen.