Trotzdem investieren?

So schlecht steht es um Europas Banken

Seite 2/2

Das größte Risiko: eine „Entprivatisierung der Euro-Banken“

Der Wert einer Bank lässt sich wie jede andere Aktie einfach bestimmen: Er entspricht der Summe der künftigen Unternehmensgewinne, abgezinst auf die Gegenwart. Stellt man fest, dass der Wert der Aktie, sagen wir, 15 Prozent über ihrem Marktpreis liegt, und man investiert, ist das nicht nur förderlich für die Investitionsrendite. Man kommt auch in den Genuss einer „Sicherheitsmarge“. Sie bewahrt vor möglichen Kapitalverlusten, die Fehleinschätzungen der Erfolgspotentiale der Bank nach sich ziehen könnten. Es gilt: Je höher die Sicherheitsmarge, desto geringer ist das Risiko.

Allerdings ist das Bewerten einer Bank keine leichte Aufgabe. Wer sich einmal mit einer Bankbilanz beschäftigt hat, der weiß, dass sie nicht einfach zu lesen ist. Es gibt beispielsweise viele Sonderregelungen (wie etwa für die Bewertung und Ausweis von Finanzinstrumenten), oder auch „Eventualverbindlichkeiten unter dem Strich“, die mitunter die Ertrags- und Finanzlage einer Bank erheblich beeinflussen können. Doch diese bilanziellen Verständnishürden lassen sich mit dem notwendigen Analyseeifer überwinden.

Schwieriger ist vielleicht noch die Einschätzung von zwei Entwicklungen, die die langfristigen Gewinnpotentiale der Banken maßgeblich bestimmen. Erstens: Die Finanzbranche befindet sich in einer Umwälzung. „FinTechs” greifen die etablierten Banken auf nahezu allen Geschäftsfeldern an und stellen traditionelle Banken, wie wir sie kennen, zur Disposition. Bill Gates formulierte diese Disruption vorausschauend bereits 1994 eindrücklich mit den Worten: „Banking is necessary, banks are not“.

Risiko Verstaatlichung

Zweitens: Über nicht wenigen Euro-Banken schwebt das Damoklesschwert der Verstaatlichung. Dazu muss man wissen, dass der Euro-Bankensektor insgesamt für eine gewaltige Kredit- und Geldmengenexpansion gesorgt hat, durch die alle Preise – ob Löhne, Güter-, Häuser- oder Aktienpreise – in die Höhe befördert wurden. Scheitern Banken, können sie nicht mehr ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen, und reicht ihr Eigenkapital nicht aus, die Verluste zu decken, implodiert die Kreditpyramide.

Dann schrumpfen Kredit- und Geldmenge und eine handfeste Deflation steht ins Haus. Kreditnehmer können ihren Schuldendienst nicht mehr leisten. Die Wirtschaft gleitet in Rezession-Depression ab. Vermutlich wäre das auch das Ende des Euro. Weil das aber politisch nicht gewünscht ist, wird eine solche Entwicklung wohl mit allen Mitteln bekämpft. Banken werden flüssig gehalten, indem die EZB sie mit jeder benötigten Geldmenge versorgt. Und alles wird getan, damit die Kreditvergabefähigkeit der Banken erhalten bleibt.
Sollten Banken zu wenig Eigenkapital haben, und Investoren ihnen freiwillig kein neues Eigenkapital mehr bereitstellen wollen, werden die Staaten beziehungsweise die EZB aktiv: Die Staaten emittieren Schuldpapiere, die von der EZB gegen Ausgabe von neuem Geld gekauft werden. Das neue Geld wird als neues Eigenkapital in die Banken eingezahlt. Die Altaktionäre – wenn ihr Unternehmensanteil nicht schon durch Verluste flöten gegangen ist – werden bis zur Unkenntlichkeit verwässert; die Banken sind „entprivatisiert“.

Vorsicht bei der Bewertung

Lässt der Staat nicht zu, dass schlechte Banken aus dem Markt ausscheiden, geht an der Bankenverstaatlichung kein Weg vorbei. Die Folgen sind dramatisch: Zwar kann so vielleicht ein großer Crash, eine Rezession-Depression verhindert werden. Aber man landet in der monetären Planwirtschaft: Staatlich gelenkte Banken entscheiden fortan, wer wann welchen Kredit erhält und wer nicht. Das staatliche, nicht das marktwirtschaftliche Kalkül entscheidet über den Einsatz knapper Ressourcen. Der Geldsozialismus würde quasi perfektioniert.

Im Euroraum ist man einer solchen Entwicklung viel näher als in den Vereinigten Staaten von Amerika. Und das könnte auch ein wichtiger Faktor sein, der erklärt, warum die Aktienkurse der Euro-Banken und ihre Bewertungen derart stark verfallen sind. Wer sich mit dem Gedanken trägt, in Euro-Bankaktien langfristig zu investieren, der sollte daher besonders sorgfältig analysieren und große Umsicht bei der Bewertung der Bankaktien walten lassen – und dabei vor allem auch das Risiko einer „Entprivatisierung der Euro-Banken“ durchdenken.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%