Trotzdem investieren?
Europäische Zentralbank (EZB) in der Frankfurter Skyline Quelle: imago images

So schlecht steht es um Europas Banken

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

Viele Aktien von Euro-Banken haben den Anlegern in den letzten Jahren große Verluste beschert. Und es könnte noch schlimmer kommen. Langfristinvestoren sollten daher auf der Hut sein.

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„Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“, so lässt Bertold Brecht in der „Dreigroschenoper“ einen seiner Protagonisten fragen – und kritisiert damit im Jahr 1928 die Auswüchse des Bankensektors. Wie weitsichtig: Nur wenig später, am 24. und 25. Oktober 1929, kommt es zum großen Börsen-Crash in den Vereinigten Staaten von Amerika, der Bankenzusammenbrüche nach sich zieht und sich nachfolgend zur „Großen Depression“ auswächst, die die Weltwirtschaft in den Abgrund reißt.

Spätestens mit der Krise 2008/2009 ist vielen Menschen bewusst geworden, dass etwas nicht stimmt mit den Banken, die aus den Negativschlagzeilen nicht herauskommen; dass sie wie keine andere Industrie- oder Dienstleistungsbranche das Potential haben, den Volkswirtschaften schwere Finanz- und Wirtschaftskrisen zu bescheren, durch die die ökonomische Grundlage und der politisch-soziale Frieden bedroht werden. Allerdings wäre es nicht sachgemäß, das Bankgeschäft in Bausch und Bogen zu verteufeln.
Moderne Volkswirtschaften benötigen Geld und Kredit, brauchen einen effizienten Zahlungsverkehr, brauchen den Handel mit Wertpapieren und Derivativen, bedürfen M&A-Transaktionen und anderer Finanztransaktionen mehr. Die Kritik muss sich vielmehr an der Konstruktion des Geldsystems entzünden, für das die Staaten – durch Mithilfe und Drängen der Großbanken – weltweit gesorgt haben: ein ungedecktes Papiergeldsystem, in dem Banken mit einer staatlichen Lizenz zu Geldvermehrung durch Kreditvergabe ausgestattet sind.

Ungedecktes Papiergeld

An der Spitze thront die Zentralbank. Sie hat das planwirtschaftliche Monopol der Geldproduktion, setzt den Zins und bestimmt maßgeblich das Angebot von Kredit- und Geldmenge. Eine Macht mit unheilvollen Folgen: Das unablässige Ausweiten der Geldmenge durch Bankkreditvergabe sorgt für steigende Güterpreise auf breiter Front, setzt die Kaufkraft des Geldes herab. Die Zinsmanipulationen der Zentralbank verursacht Wirtschaftsstörungen, sogenannte „Boom-und-Bust-Zyklen“. Brechts Bankenkritik ist so gesehen treffend.

Im Euroraum sind die Auswüchse des ungedeckten Papiergeld-Euro unübersehbar geworden. Nach Jahren der exzessiven Kredit- und Geldmengenvermehrung, für die die EZB gesorgt hat, beläuft sich die Bilanz des Euro-Bankensektors nun auf knapp 31 Billionen Euro. Ende 1998 waren es noch 14,1 Billionen Euro, ein Zuwachs also von 120 Prozent – während die Güterproduktion nur um 32 Prozent zugelegt hat. Damit liegt die Bilanzsumme aller Euro-Banken bei gewaltigen 292 Prozent. In den USA beträgt das Verhältnis nur 82 Prozent.
Die Euro-Banken sind spätestens mit der Euro-Krise in schwieriges Fahrwasser geraten. Viele ächzen unter faulen Krediten in ihren Bilanzen. Die Niedrigzinspolitik der EZB sowie die EU-Regulierungswut machen den Euro-Banken die Gewinnerzielung schwer. Und weil viele Geldhäuser durch staatliche Unterstützung über Wasser gehalten werden, bereinigt sich der Euro-Bankenmarkt nicht. Die Zombie-Banken verderben die Preise für Finanzdienstleistungen, sorgen für Gewinne, die zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig sind.

Euro-Banken im Abwärtsstrudel

In der Zeit Anfang 2006 bis Oktober 2018 sind die Kurse der Euro-Bankaktien um knapp 72 Prozent gefallen, während die der US-Banken um 25 Prozent zugelegt haben. Gleichzeitig sind die Bewertungen der Euro-Bankaktien auf japanischen Niveaus gefallen. Beispielsweise beläuft sich das Kurs-Buch-Verhältnis der Euro-Banken derzeit auf nur noch 0,55. Die Finanzmärkte rechnen also mit erheblichen „stillen Lasten“ in den Bankbilanzen, die die Gewinne der Banken beziehungsweise das Eigenkapital der Geldhäuser herabsetzen werden.

Der US-Konkurrenz geht es deutlich besser: Sie weist ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,43 aus, Tendenz in den letzten Jahren steigend – die Investoren versprechen sich also von den amerikanischen Geldhäusern Wertsteigerungen. Nicht nur hat sich die US-Konjunktur deutlich besser entwickelt als die im Euroraum. Die Verdienstmöglichkeiten im US-Bankenmarkt sind günstiger. Und nicht zuletzt haben die US-Großbanken die Nase vorn im internationalen Geschäft. Euro-Banken können nicht mehr mithalten.   

Die Aktionäre der Euro-Banken haben große Verluste einstecken müssen – in Form von Kursverlusten und ausgesetzten Dividenden, vor allem auch in Form entgangener Renditen, die ihnen das Investieren in erfolgreiche Unternehmen beschert hätte. Ist das Schlimmste für überstanden? Sind Euro-Bankaktien wieder attraktiv? Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Es hängt vielmehr davon ab, wie sich der Wert der Bankaktie zu ihrem Börsenkurs verhält: Wenn der Wert der Aktie deutlich über ihrem Kurs liegt, macht das Investieren Sinn.

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