Übergeswapt
Noch prosperiert in London die Branche der Finanzdienstleister. (Foto: AP) Quelle: AP

Brexit bedroht die Altersversorgung vieler Deutscher

Bei einem harten Brexit stehen kleinere Finanzdienstleister vor dem Aus. Selbst ein Äquivalenzabkommen kann das nicht ändern. Deutsche Kunden sollten dringend ihre Anlagen checken – und gegebenenfalls sonderkündigen.

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Jetzt geht es um den Fisch. Bevor Großbritannien und die Europäische Union Anfang März ihre Brexit-Verhandlungen wieder aufnehmen, heißt es nun auf britischer Seite: Netze weg von unseren Fischen! Die Briten übersehen dabei, dass der Kampf um eine ganz andere Ressource eigentlich von deutlich größerer Bedeutung wäre: die Branche der Finanzdienstleistungen. Sie ist vom Brexit in ihrer Existenz bedroht und macht etwa sieben Prozent der Wirtschaftsleistung Großbritanniens aus. Das Nationalheiligtum Fisch nur 0,1 Prozent.

Während die EU die Briten nun mit symbolträchtigen Tauschgeschäften zu ködern versucht – Finanzdienstleistungen gegen Fischfang –, begreifen selbst Angehörige der Finanzbranche den Ernst der Lage nicht so recht. Sie geben sich tiefenentspannt, die Übergangsfrist dauert ja noch zehn Monate. Bis Ende des Jahres werde für den Finanzsektor locker eine Äquivalenzlösung  ausgehandelt. Dann laufen die Geschäfte wieder.

Skeptisch darf man nicht nur werden, weil Premier Boris Johnson jüngst seinen Finanzminister gefeuert hat oder weil rund 300 Punkte des Abkommens noch offen sind. Skeptisch muss man vor allem sein, ob ein  Äquivalenzabkommen am Ende hält was Johnson sich davon verspricht. Die Äquivalenz würde britischen Finanzdienstleistern auch ohne EU-Pass erlauben, in der EU Geschäfte zu machen. Umgekehrt wären Geschäfte ebenso möglich. Wie die Erfahrungen mit der Schweiz zeigen, ist Äquivalenz aber alles andere als eine sichere Geschäftsgrundlage. Das Prinzip ist von beiden Seiten jederzeit aufkündbar. Im vergangenen Sommer hat die EU dies im Aktienhandelt mit der Schweiz getan.

Die Großen haben sich vorbereitet

Zudem ist Äquivalenz nicht gleichbedeutend mit einem Binnenmarktzugang. Retailkunden sind damit nicht zu erreichen. Einlagen- und Fondsgeschäfte sind nicht möglich. Ein Fondsmanager, der von London aus zum Beispiel einen Fonds in Luxemburg verwaltet, ist nach der Übergangsfrist auf einen Fondsmanager in der EU angewiesen. Finanzdienstleister müssen also dringend ihre Geschäftsmodelle ändern und EU-Manager einführen. Auch Schweizer Marktteilnehmer, die ein ernsthaftes Geschäftsinteresse am EU-Wirtschaftsraum haben, ließen trotz Äquivalenz in Deutschland volllizensierte Unternehmen gründen.

Die großen Player der bisher in London ansässigen Finanzbranche haben dies verstanden und längst reagiert. Sie machen allerdings nur zwei Drittel des Marktes aus. Das restliche Drittel wird von kleineren Fondsgesellschaften bestritten, bei denen auch europäische und deutsche Kunden gerne mal einen Sparplan als Altersvorsorge eingerichtet haben. Bisher sehen diese keine Notwendigkeit, sich auf einen harten Brexit oder sanftere Äquivalenzprinzipien einzustellen.

Dabei müssten sie sich dringend kümmern. Zehn Monate mag nach einer langen Zeitspanne klingen. Doch die deutsche BaFin zum Beispiel benötigt für eine Zulassung im Durchschnitt sechs Monate. Da sollte man sich langsam mit der Idee eines Umzugs anfreunden. Wer nach Ende der Übergangsfrist ohne Zulassung mit Finanzprodukten handelt, riskiert hohe Strafgebühren.

Für Kunden dieser Fondsgesellschaften wird es auch bei einer Verlegung des Geschäftssitzes mitunter teuer. Erhöhte Verwaltungskosten werden nicht selten auf die Gebühren umgelegt. In der Folge sinkt die Rendite. Das trifft vor allem Anleger, die sich in jüngeren Jahren in die Fonds eingekauft haben. Zum Glück sind sie den Entwicklungen aber nicht schicksalhaft ausgeliefert, sondern können von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen. Der Brexit ist schließlich ein unerwartetes Ereignis, ein Risikofaktor, der geltend gemacht werden kann.

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