Ulrich „Richie“ Engler Die unglaubliche Geschichte eines Betrügers

Seite 3/8

Nehme Geld, biete Fantasie

Später habe er gehört, dass Englers Firma pleiteging. Es muss damals gewesen sein, Anfang der 90er-Jahre, als Engler klar wurde, dass sein Traum vom Reichtum für ihn mit ehrlicher Arbeit nicht zu schaffen war. Er begann eine Karriere als Krimineller. 1993 bekam er eine Bewährungsstrafe von drei Monaten wegen Kreditkartenbetrugs, zwei Jahre später 3600 Mark Geldstrafe aus dem gleichen Grund, 1996 linkte er 14 Menschen mit falschen Verträgen: zehn Monate auf Bewährung.

1997 setzte sich Engler in die USA ab. Er ließ sich in Florida nieder, meldete verschiedene Unternehmen an. Über Zeitungsanzeigen in Deutschland suchte er nach Komplizen. Er bot wenig Arbeit und großen Gewinn.

Ein Gerichtsurteil erzählt, wie Englers Abzocke damals lief: Engler mimte den erfolgreichen Geschäftsmann in Amerika, sein Komplize den deutschen Generalrepräsentanten. Sie verkauften wertlose Investments in Telefonzellen, Wandelanleihen bereits gelöschter Firmen und Porno-Webseiten. Engler dachte sich einen Fantasiestaat in der Karibik aus, fälschte sogar eine Banklizenz. Den selbst gedruckten Anteilschein an der „Dominion of Melchizedek“ verkaufte er für 146.890 Euro.

Was Verkäufer in der Finanzbranche verdienen

Das Geld steckte er einfach ein. Die Masche zog. Ende der 90er-Jahre herrschte Goldgräberstimmung in der Finanzwelt. Millionen Menschen investierten in Aktien, Anleihen, Beteiligungen. Jeder wollte dabei sein beim großen Roulettespiel. All-in. Egal worein, egal an wen. Noch einmal erhöhte der Berufsbetrüger Engler den Einsatz. Ende 2004 kaufte er ein Computerprogramm, mit dem sich Aktien handeln ließen. Vielleicht wollte er es anfangs wirklich benutzen - aber dazu kam es nie.

Wieder schaltete Engler Zeitungsanzeigen in Deutschland, wieder suchte er nach Vermittlern, die seine Botschaft unter die Menschen brachten: „Day-Trading. Sechs Prozent Rendite pro Monat.“ Johannes Huber antwortete auf Englers Annonce. Rein aus Interesse, wie er heute sagt: „Engler rief mich damals, im Herbst 2004, jeden Tag an. Er erzählte mir vom Day-Trading und von sich. Ich fand das alles spannend.“

Engler redete wieder. Er hatte sich einen neuen Lebenslauf verpasst - einen, der zu seinem jetzigen Auftritt passte: Er sei im Schwäbischen aufgewachsen, mit 18 Jahren nach Amerika abgehauen, samt Freundin. Jahrelang habe er sich mit Hilfsarbeiten durchgeschlagen: Autos poliert, Rasen gemäht, Teller gewaschen. Über einen Kontakt sei er zur Chase Manhattan Bank gekommen. An seinem ersten Arbeitstag habe er vor dem Bankturm gestanden, habe die Hand seiner Freundin gedrückt und gesagt: „Heute fange ich im vierten Stock an, aber irgendwann will ich ganz oben arbeiten.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%