Inzwischen zweifelt kaum ein Marktteilnehmer daran, dass die Phase der fortwährend sinkenden Zinsen ganz allmählich beendet ist. Fraglich ist nur noch, wann die Zinswende auch in Europa vollzogen wird und wie zügig erste Leitzinserhöhungen der EZB stattfinden werden. Bereits jetzt stehen für die meisten Experten die Verlierer dieser Entwicklung fest: In erster Linie sind dies Anleihen höchster Bonität und natürlich auch Investmentfonds mit entsprechendem Schwerpunkt.
Denn ganz selbstverständlich würde ein Anstieg der Zinsen eine Verkaufswelle bei Anleihen, vor allem bei Staatsanleihen führender Industriestaaten, auslösen. Schon zum jetzigen Zeitpunkt haben erste Äußerungen von Seiten der Zentralbanken, wonach die Beendigung der jemals da gewesenen Lockerung der Geldpolitik bevorsteht, bei Abflüssen aus dem Rentensektor geführt. Besonders wichtig für Anleger, welche Segmente des Finanzmarkts am deutlichsten davon profitieren werden.
Gewinner des Jahres 2017: Experten raten zu Value-Aktien
Führende Experten gehen davon aus, dass der Bereich der Value-Aktien einer der größten Gewinner sein wird. Bereits im Januar hatte Jens Ehrhardt, Börsenprofi und Fondsmanager, 2017 als Jahr der Value-Aktien ausgerufen. Dabei ist es vor allem das Segment der zyklischen Value-Aktien, welches in den zurückliegenden Jahren von Investoren vernachlässigt wurde, trotz einer deutlichen Erholung seit etwa zwölf Monaten noch immer stark unterbewertet. Zuletzt hatten Wachstumstitel, die in vielen Portfolios stark vertreten waren, unterdurchschnittlich abgeschnitten. Bei verschiedenen Wachstumswerten sind die Bewertungen übertrieben. Laut Morningstar verlor das Large Cap Growth Segment im Juni rund 3,0 Prozent, der entsprechende Mid Cap Bereich 2,5 Prozent.
Einstige Highflyer heute weniger attraktiv
Während in den vorangegangenen Jahren mit sinkenden Zinssätzen von Investoren ähnlich wie Anleihen wahrgenommene Sektoren wie Pharma, Nahrungsmittel und nichtzyklische Konsumgüter eine sehr gute Performance hingelegt hatten, werden deren weiteren Aussichten zunehmend kritisch betrachtet. Ein Beispiel für einen solchen Wert ist die Nestlé-Aktie. Die Aktie des Schweizer Lebensmittelproduzenten weist derzeit mit einem KGV von 23,51 eine sehr hohe und damit unattraktive Bewertung auf. Unabhängig von den strukturellen Problemen des Konzerns weist die mäßige Kursentwicklung der Nestlé-Aktie von plus 0,6 Prozent im zurückliegenden Jahr ebenfalls darauf hin, dass Aktien mit niedriger Volatilität und vorhersehbaren Cashflows aus dem Fokus von Marktteilnehmern geraten sind.
Interessanter sind da schon Value-Werte wie Heidelberg Cement, dessen Management praktisch von einer Verdopplung des Gewinns bis zum Jahr 2020 ausgeht. Auch verschiedene Aktien des europäischen Finanzsektors wie die Schweizer UBS Group, die italienische Unicredit und die deutsche Münchener Rück erscheinen unter diesen Aspekten besonders aussichtsreich.
Wachstumsperspektiven in Europa
Europäische Rohstoffaktien und Finanztitel im Blickpunkt des Interesses
Wie Nicolas Simar, Leiter der Equity Value Boutique bei NN Investment Partners (früher bekannt als ING Investment Management), im WirtschaftsWoche-Interview erklärte, dürften europäische Value-Aktien zu den größten Nutznießern der voraussichtlichen Verkaufswelle am Anleihemarkt und des positiven makroökonomischen Umfelds gehören. Die politischen Risiken in der Eurozone seien nach den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden stark zurückgegangen. Diese hatten die Peripherie der Value-Aktien stark belastet.
Einen weiteren Grund für Investoren in Value-Aktien umzuschichten, sieht der Fondsmanager in der Bewertungslücke überteuerter und günstig bewerteter europäischer Aktien. Nicolas Simar setzt vor allem auf die Sektoren Rohstoffe und Banken. Daher präferiert er Value- und Dividendenpapiere.
Das Anlegerinteresse dürfte sich mit den immer freundlicheren Wachstumsperspektiven in Europa vor allem konjunkturabhängigen Bereichen zuwenden. In der Euro-Zone ist die Stimmung bei Konsumenten und Anbietern gut: Im Juni dieses Jahres lagen die entsprechenden Indikatoren auf dem höchsten Stand seit vielen Jahren. Darüber hinaus weisen die makroökonomischen Daten des Kontinents auf weiteres Wirtschaftswachstum.
Value-Aktienfonds im Vergleich
Auch wenn es die Performance der Aktienmärkte in den wie fast immer recht schwachen Sommermonaten kaum vermuten lassen, verbessern sich das Aufwärtspotenzial an den Börsen und die Ertragsentwicklung der Gesellschaften zusehends. Value-Aktienfonds mit dem Fokus Europa anderer Fondsgesellschaften bieten ebenfalls gute bis sehr gute Renditechancen.
Die nach wie vor sehr große Unsicherheit im Hinblick auf die Politik von US-Präsident Trump spricht derzeit nicht gerade für ein Engagement in amerikanische Value-Aktien. Insbesondere wird es darauf ankommen, inwieweit er seine Vorstellungen zur angekündigten Steuerreform umsetzen kann. Erste Aufschlüsse darüber werden Ende des Jahres erwartet. Global anlegende Value-Fonds bieten dagegen ähnlich gute Perspektiven wie ihre europäischen Pendants.
Die Value Strategie, die Investition ist Substanzwerte, gilt in bestimmten Börsenphasen als aussichtsreichste Vorgehensweise. Nicht zuletzt ist einer ihrer berühmtesten Verfechter Warren Buffet, der mit dieser Anlagestrategie zu einem der reichsten Männer der Erde geworden ist - und dessen Anlagestil von vielen Investoren nachgeahmt wird.