Verbraucherschützer kämpfen für Kunden Im Negativzins-Streit steht ein Showdown bevor

Selbst Kleinsparern drohen mittlerweile Negativzinsen auf ihre Bankguthaben. Ist das überhaupt legal? Höchste Zeit, dass diese Frage gerichtlich geklärt wird.

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Zins und Minus-Zins Quelle: Marcel Stahn

Negativzinsen sind ein Aufreger-Thema, das immer wieder hochkocht, wenn sich eine neue Bank damit aus der Deckung wagt. Vereinfacht gesprochen bedeuten negative Zinsen für Sparer nichts anderes, als dass sie der Bank Geld zahlen müssen, um bei ihr welches bunkern zu dürfen.

Bisher bekamen Gläubiger Zinsen von ihren Schuldnern, jetzt scheint es vielfach umgekehrt zu laufen. Mit ungläubigem Staunen sind wir in einer verkehrten Finanzwelt aufgewacht. Auslöser ist die Europäische Zentralbank, die einen Negativzins von 0,4 Prozent von Geschäftsbanken verlangt, wenn diese bei ihr Finanzüberschüsse parken. Gelder also, für die gerade keine Nachfrage besteht.

Der Negativzins ist von der EZB nicht als bösartiges Instrument zur Enteignung des deutschen Sparers gedacht, auch wenn er so wirkt. Geldpolitisch ist der Negativzins auf Guthaben bei der Zentralbank einfach die technisch-logische Folge des billigen Null- und Niedrigzinses für Schulden bei eben dieser, mit dem Europas Krisenbanken und Krisenländer über Wasser gehalten werden. Gäbe es keinen Negativzins, könnten Geschäftsbanken das von der EZB erhaltene Geld gleich wieder bei ihr einzahlen und darauf Zinsen erhalten – ein ökonomisch sinnloses finanzielles Perpetuum mobile.

Unzulässige Bankgebühren

Jetzt aber frisst sich das zentralbankpolitische Instrument des Negativzinses bis in unseren Alltag vor, weil es für Geschäftsbanken und deren Finanzverbünde auf Dauer zu teuer wird, alle ihre Kunden davon abzuschirmen. Die Einlagengebühr wird also auf die Kunden, die Sparer, überwälzt.

Der Kunde zahlt bei Negativzins doppelt

Ist das überhaupt legal? „Zu dieser Frage gibt es noch keine höchstrichterlichen Urteile“, sagt Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale Sachsen. Aus Sicht der Verbraucherzentralen dürfte es keine Negativzinsen geben, denn der Kunde zahle so doppelt, also die normale Kontoführungsgebühr plus das Verwahrentgelt.

Zudem bestünden Bedenken, weil die Bank mit dem Guthaben des Kunden ein Darlehen erhält und ihm dafür Zinsen berechnen will – eigentlich zahlt aber der Darlehensnehmer Zinsen.

Zuletzt hat die Volksbank Reutlingen für Aufregung gesorgt, weil auf ihrer Preisliste eine Gebühr von 0,5 Prozent jährlich für die Verwahrung von Kontoeinlagen auftauchte. Medien und Verbraucherverbände liefen Sturm, immerhin schien damit ausgerechnet eine kundeneigene Genossenschaftsbank den Negativzins für den Normalsparer hoffähig zu machen.

Das künftige Zinsniveau ist ungewiss

Beteuerungen der Reutlinger, den Negativzins bisher von Sparern gar nicht zu erheben und die Gebühr nur als Absicherung für die Zukunft im Preisverzeichnis zu führen, machten alles noch schlimmer. Die Volksbank handelte sich damit eine Abmahnung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg ein, schließlich müssen Preislisten verlässlich sein und der tatsächlichen Gebührenpraxis entsprechen.

Inzwischen hat die Volksbank Reutlingen mit einer Anpassung ihrer Preisliste reagiert. Der Verbraucherzentrale ist das aber nicht genug, sie will eine Unterlassungserklärung und droht mit einer Klage. Die Volksbank hat allerdings deutlich gemacht, dass sie sich nicht für die Zukunft binden lassen will, schließlich sei das künftige Zinsniveau ungewiss.

Es dreht sich beim dem Thema also nicht nur um die Korrektheit von Preislisten, sondern auch um die grundsätzliche Frage, ob Negativzinsen für Sparer zulässig sind. Die Verbraucherzentralen verneinen das, weil Zinsen vom Darlehensnehmer zu zahlen seien, nicht vom Gläubiger. Und der Kontoinhaber gilt als Gläubiger, weil die Bank mit seinem Guthaben wirtschaften kann.

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Für Firmenkunden und institutionelle Kontoinhaber mit ihren meist hohen Einlagen sind Negativzinsen und Verwahrentgelte längst üblich. Für Privatkunden schlägt der Negativzins meist erst bei höheren Guthaben ab 250.000 oder 500.000 Euro zu. Doch die Übergänge sind fließend, wie folgende Beispiele zeigen, die das Verbraucherportal tagesgeldvergleich.net gesammelt hat:

So geht es bei der Sparda-Bank Berlin beim Tagesgeld schon ab 100.000 Euro mit Negativzinsen los. Gelten soll das ab September.

Bei der Volksbank Stendal und der Raiffeisenbank Gmund greift eine Verwahrgebühr von 0,4 Prozent pro Jahr schon seit 2016 ab 100.000 Euro Guthaben.

Das ebenfalls genossenschaftliche Institut Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien berechnet bei ihrem Tagesgeld für Neukunden eine Gebühr von fünf bis fünfzig Euro jährlich – bei einer Verzinsung von nur 0,1 Prozent.

Methodisch anders, aber ähnlich in der Wirkung machen es die GLS Bank mit ihrem monatlichen Beitrag für Kunden ab 28 Jahren von fünf Euro sowie die Ethik Bank mit ihrer Pauschale von 3,50 Euro pro Monat für Tagesgelder.

Auch aus Sicht der von dem Vergleichsportal befragten Rechtsanwälte sind Negativzinsen nicht zulässig. Zeit, dass die Frage gerichtlich geklärt wird.

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