Verkehrte (Finanz-)Welt
Wie riskant sind Aktien? So können Sie das Risiko senken Quelle: imago images

Das Verlustrisiko von Aktien ist beherrschbar

Viele Sparer scheuen die Börse aus Angst vor Verlusten. Dabei müssen Anleger nur drei Faktoren beherzigen, um das Verlustrisiko deutlich zu senken.

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Die vergangenen Monate haben wieder einmal gezeigt, dass am Aktienmarkt erhebliche Rückschläge möglich sind. So verzeichnete der Dax im Zeitraum von Ende Juli bis Ende Oktober 2018 einen Rückgang von 10,6 Prozent. Hohe Jahresverluste von über 40 Prozent traten seit der Jahrtausendwende bereits zweimal auf: im Jahr 2002 (Ende der Dotcom-Blase) sowie im Jahr 2008 (Finanzkrise). Viele Sparer in Deutschland lassen sich von solchen Ereignissen abschrecken. Dabei ist die Zurückhaltung gegenüber Aktien eigentlich unbegründet – vorausgesetzt, man bleibt langfristig dabei.

Deutsche Aktienscheu

Die Angst vor finanziellen Verlusten führt dazu, dass viele Anleger Aktien gänzlich meiden. So ist die Zahl der Aktionäre in Deutschland - trotz eines leichten Anstiegs im vergangenen Jahr - im internationalen Vergleich weiter gering: Nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts besaßen im Jahr 2017 im Durchschnitt 10,1 Millionen Menschen Aktien oder Anteile an Aktienfonds. Das entspricht nur etwa jedem sechsten Anleger in Deutschland; die Mehrzahl der Anleger partizipiert somit nicht an dem mit dieser Assetklasse normalerweise verbundenen höheren Renditepotenzial.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Verlustrisiko am Aktienmarkt von dieser Anlegergruppe überhaupt richtig eingeschätzt wird. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Anlagehorizont, also die Dauer, die ein Anleger bereit ist, einen bestimmten Kapitalbetrag in Aktien zu investieren. So gab es in den vergangenen 50 Jahren keinen einzigen Fall, in dem die durchschnittliche Rendite des Dax bei einem Anlagezeitraum von 15 oder mehr Jahren im negativen Bereich lag. Reduziert man den Anlagezeitraum auf zehn Jahre, waren lediglich bei einem Einstieg zum Ende der Jahre 1999 und 2000 negative Renditen zu verzeichnen – also bei Einstieg auf der Höhe des Dotcom-Hype und Ausstieg inmitten der Folgen der globalen Finanzkrise von 2008.

Natürlich gilt: Verluste sind bei einer Anlage in Aktien immer möglich. Die Wahrscheinlichkeit dafür hängt allerdings stark von mehreren Faktoren ab, die Anleger in ihre Überlegungen aufnehmen können: insbesondere die Haltedauer, der Grad der Diversifizierung des Portfolios und die Bewertung des Aktienmarktes zum Zeitpunkt des Investments.

Als Kennzahl für die Bewertung von Aktienmärkten kann das sogenannte Shiller-KGV herangezogen werden. Hierbei wird der aktuelle Stand eines Aktienindex ins Verhältnis zum Durchschnittsgewinn der vorangegangenen zehn Jahre gesetzt, wobei inflationsbereinigte Größen verwendet werden. Weist das Shiller-KGV zu einem bestimmten Zeitpunkt einen überdurchschnittlich hohen Wert auf, ist von einer Überbewertung des jeweiligen Marktes auszugehen. Empirisch konnte in solchen Situationen in den darauffolgenden zehn Jahren nur eine unterdurchschnittliche Rendite erzielt werden.

Entsprechend wären im Fall einer Unterbewertung in der Zukunft höhere Renditen zu erwarten.

Implizite "faire" Bewertung

Für europäische Aktien (MSCI Europe) liegt das Shiller-KGV mit einem Wert von derzeit knapp 19 in der Nähe des langfristigen Durchschnitts. Dies impliziert eine „faire“ Bewertung, so dass in den kommenden zehn Jahren von einer durchschnittlich erwarteten nominalen Rendite im Intervall von sechs bis sieben Prozent pro Jahr ausgegangen werden kann. Am US-Aktienmarkt (S&P 500) hingegen liegen mit einem Shiller-KGV von 30,7 aktuell sehr hohe Bewertungen vor. Deshalb ist hier im Durchschnitt für die nächsten zehn Jahre nur eine Rendite von nominal 2,5 bis 4,0 Prozent zu erwarten.

Kurze Haltedauer macht Aktienverluste wahrscheinlich

Im Folgenden werden diversifizierte Aktienportfolios betrachtet, da deren Risiko geringer als das von Einzeltiteln ist. Für die Beispielsrechnung werden – basierend auf den oben angestellten Überlegungen – in der Zukunft folgende stetige Renditen angenommen: 6,5 Prozent pro Jahr nominal für den europäischen Aktienmarkt und drei Prozent jährlich. (für zehn Jahre) und 6,5 Prozent (anschließend) für den US-Aktienmarkt. Dabei wird mit einer durchschnittlichen Volatilität der Marktindizes von 22 Prozent gerechnet.

Die Ergebnisse sind in der folgenden Abbildung dargestellt:

Verlustwahrscheinlichkeit in Abhängigkeit vom Anlagezeitraum.

Wie in der Abbildung zu erkennen ist, sind bei kurzer Haltedauer Verluste am Aktienmarkt recht wahrscheinlich: Bei einer Anlage für ein Jahr liegt die Verlustwahrscheinlichkeit in der Größenordnung von 35 bis 45 Prozent. Zudem nimmt bei hoch bewerteten Aktien (USA) die Verlustwahrscheinlichkeit bei Anlagezeiträumen bis zu zehn Jahren langsamer ab als im Fall einer durchschnittlichen oder günstigen Bewertung. Grund hierfür ist die niedrigere Renditeerwartung, durch welche Rückschläge am Aktienmarkt in geringerem Umfang absorbiert werden.

Bei einem längeren Anlagehorizont von beispielsweise 20 Jahren liegt im betrachteten Beispiel die Wahrscheinlichkeit, mit europäischen Aktien eine negative Rendite zu erzielen, bereits unter zehn Prozent. Selbst bei US-Aktien ist für diesen Zeitraum ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Mit zunehmender Dauer der Anlage nimmt auch der Einfluss der Bewertung auf die Verlustwahrscheinlichkeit ab.

Aktienanlagen für die Altersvorsorge relevant

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Anleger das mit Aktienanlagen verbundene Risiko erheblich senken können, indem sie diversifizierte Portfolios für einen möglichst langen Anlagezeitraum erwerben. Vor diesem Hintergrund erscheinen Aktien zunächst für die frühzeitige Planung der Altersvorsorge interessant. Da jedoch ein „langer Anlagehorizont“ nicht mehrere Jahrzehnte bedeuten muss, kann auch zu einem späteren Zeitpunkt noch über einen Einstieg nachgedacht werden. Besonders in diesem Fall sollte jedoch die Bewertung der Aktienmärkte zum Einstiegszeitpunkt berücksichtigt werden, da diese den erwarteten Ertrag sowie das Verlustrisiko erheblich beeinflussen kann.

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