Verkehrte (Finanz-)Welt
ETF: Bei Indexwechseln haben die Fonds einen Haken Quelle: dpa

ETF – die Crux mit den Indexwechseln

Börsengehandelte Indexfonds sind bei Anlegern sehr beliebt, gelten als transparent und günstig. Kommt es aber zu Veränderungen im Index, haben die passiven Investments einen Haken.

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Nehmen wir einmal an, Sie interessieren sich für den Kauf eines börsengehandelten Indexfonds (ETF, Exchange Traded Fund), der einen großen, bekannten Aktienindex nachbildet. Völlig automatisiert, absolut vorhersagbar und nach festen Anlageregeln hält der Fonds immer genau die Aktien, die auch im zugrundeliegenden Index enthalten sind. Sie finden das gut, denn hier sind Sie keinen „Bauchentscheidungen“ eines menschlichen Portfoliomanagers ausgeliefert. Und bezahlen müssen Sie diesen Manager – weil es ihn nicht gibt – auch nicht, was die Gebühren klein hält. Sowieso finden Sie, dass hier alles sehr transparent und vorhersehbar abläuft, dazu noch kostengünstig. Was will man mehr. Und weil das nicht nur Sie, sondern viele Anleger denken, boomt der Markt für börsengehandelte Indexfonds bereits seit Jahren und das Anlagevolumen ist mittlerweile gigantisch groß.

Doch Vorsicht: Nicht nur für Sie ist die Veranlagung des Fonds transparent und völlig vorhersehbar. Die Sache bekommt dadurch leider einen Haken.

Vorhersehbarer Herdentrieb

Der zugrundeliegende Aktienindex Ihres Fonds ist nämlich nichts weiter als die durchschnittliche Wertentwicklung mehrerer Aktien. Diese werden meist nach Kapitalisierung, also der Größe der enthaltenen Unternehmen, gewichtet, und wenn Sie Glück haben, werden sogar die ausgeschütteten Dividenden wieder mit in den Index gerechnet. Die im Index enthaltenen Unternehmen müssen zudem gewisse Voraussetzungen erfüllen. Welche das sind, ist im Indexregelwerk festgeschrieben. Um beispielsweise in den DAX aufgenommen zu werden, müssen Unternehmen nicht nur ihren Sitz in Deutschland haben und bereits fortlaufend im Prime Standard auf Xetra gehandelt werden, sondern auch zu den nach Marktkapitalisierung größten Werten in Deutschland gehören, deren Aktien an der Börse zudem zu den umsatzstärksten gehören. Und da sich Unternehmen dynamisch entwickeln, kommt es häufig vor, dass bisher enthaltene Unternehmen die Anforderungen nicht mehr erfüllen – sie fallen aus dem Index – und andere Aktien dafür neu aufgenommen werden. Die Indexzusammensetzung ändert sich somit regelmäßig.

Die Veränderungen im Index sind so gut wie immer bereits einige Zeit im Voraus vorhersehbar. Die Änderung der Indexzusammenstellung wird vom jeweiligen Indexberechner zu regelmäßigen und allen bekannten Zeitpunkten und nach festen Kriterien vorgenommen. Zuletzt fiel beispielsweise am 24. September 2018 die Commerzbank Aktie aus dem DAX, an ihrer Stelle wurde die Aktie der Wirecard AG aufgenommen. Diese Anpassung gab die Deutsche Börse bereits 20 Tage im Voraus bekannt.

Fällt nun aber ein Unternehmen aus dem Index, müssen all jene Fonds, die den Index nachbilden wollen, die Aktien dieses Unternehmens verkaufen. Gleichzeitig müssen sie die Aktien der neu hinzugekommenen Gesellschaften an der Börse kaufen. So vorhersehbar die Sache aber auch immer sein mag: Passive Fonds (also die meisten ETFs) dürfen erst dann ihre Bestände anpassen, wenn die neue Indexzusammensetzung veröffentlicht wurde. Und da sie damit nicht alleine sind, werden gleichzeitig mit Ihrem Fonds auch noch viele, viele andere, gleichartige Fonds zum genau selben Zeitpunkt verkaufen und kaufen.

Aus der Indexumstellung Profit geschlagen

Dieses gezwungene Herdenverhalten bleibt im Finanzmarkt nicht verborgen. Nun kommen all jene auf den Plan, die eben nicht rein passiv nach festen Regeln und über einen Computeralgorithmus handeln, um einen Index nachzubilden. Sie positionieren sich schon Tage zuvor, kaufen jene Aktien, die neu in den Index kommen werden, und verkaufen die Aktien der Unternehmen, die den Index wohl verlassen müssen. Die Preise verändern sich dadurch schon im Voraus deutlich.

Die Auswirkungen aufgrund von weniger Liquidität

Am 6. Dezember 2017 etwa wurde die Frontier Communications neu in den S&P Small Cap 600 aufgenommen. In den zwei Wochen davor war der Aktienkurs um 24 Prozent gestiegen. Drei Wochen nach der Indexanpassung sank der Kurs wieder um 23 Prozent. Die Frontier Communications ersetzte damals die Contango Oil & Gas, die ihrerseits aus dem Index flog. Hier war die Bewegung rund um die Indexanpassung noch dramatischer. In den vier Wochen vor der Anpassung fiel der Kurs um 42 Prozent. Gleich nach der Anpassung erholte sich der Kurs und stieg in den darauffolgenden Wochen sogar um 84 Prozent an. Investoren, die also genau rund um den 6. Dezember ihr Portfolio anpassen und Contango Oil & Gas verkaufen und dagegen die Frontier Communications kaufen mussten, erhielten in beiden Fällen einen vergleichsweise ungünstigen Preis.

In kleineren Nebenwerten sind die Auswirkungen aufgrund von weniger Liquidität meist stärker zu sehen. Doch auch auf Schwergewichte kann eine Indexanpassung eine Auswirkung haben. So wurden etwa die Aktien von Amazon am 1. September 2017 neu in den S&P Global 100 aufgenommen. In der Woche vor der Neuaufnahme stieg der Kurs von 945 auf 980 Dollar. Am 5. September war der Kurs wieder auf 965 Dollar gefallen. Weniger als bei Nebenwerten, aber doch immer noch erstaunlich, dass absolut vorhersehbare Indexanpassungen auch hier eine Auswirkung haben können.

Ist nun der Tag gekommen, an dem die passiven Fonds den Markt mit ihren Kauf- und Verkaufsaufträgen stürmen, freuen sich die anderen über satte Gewinne. Den passiven Fonds aber bleibt – sofern sie streng bei ihren Benchmarks bleiben – nichts übrig, als zu den bereits viel zu teuren Kursen zu kaufen und gleichzeitig die aus dem Index ausgeschiedenen Aktien zu niedrigen Kursen zu verkaufen. Auf der Gegenseite dieser Geschäfte stehen übrigens oft genau jene aktiven Marktteilnehmer, die sich schon vorher positionieren konnten.

Manche ETF-Anbieter gehen alternative Wege, um auf Index-Anpassungen zu reagieren. So änderte Fonds-Riese Vanguard beispielsweise bereits im Mai 2018 temporär die Benchmarks für drei große Fonds, um der Anpassung der amerikanischen Telekommunikations-Indizes durch sowohl S&P Global Ratings als auch MSCI im September 2018 vorzubeugen (diese verschoben u.a. Google-Mutterkonzern Alphabet und Facebook in einen neuen „Communications Services“ Index). Nach der Übergangsphase stellte Vanguard die ETFs wieder um.

Langsamer hoch, aber schneller runter

Das gezwungene Kaufen und Verkaufen der passiven Indexfonds führt am Ende dazu, dass diese bei jeder Indexumstellung stets zum ungünstigsten Preis handeln müssen. Sie werden sich vielleicht manchmal fragen, warum Ihr ETF nicht genau die Performance des Index nachbildet. Nach oben geht es stets langsamer – schließlich muss der Fonds die hohen Anschaffungspreise ausgleichen – und nach unten umso schneller – denn die vergleichsweise schlechten Verkaufserlöse drücken nach unten.

Als Trost können Sie allerdings auf die geringen Kosten Ihres Fonds blicken. Das gleicht einen Teil Ihrer Verluste aus diesem absolut legalen aber für Anleger nachteiligen Spiel wieder etwas aus. Zudem haben Sie ein transparentes und nachvollziehbares Produkt im Bestand. Und auch das hat ja einen gewissen Wert.

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