Nehmen wir einmal an, Sie interessieren sich für den Kauf eines börsengehandelten Indexfonds (ETF, Exchange Traded Fund), der einen großen, bekannten Aktienindex nachbildet. Völlig automatisiert, absolut vorhersagbar und nach festen Anlageregeln hält der Fonds immer genau die Aktien, die auch im zugrundeliegenden Index enthalten sind. Sie finden das gut, denn hier sind Sie keinen „Bauchentscheidungen“ eines menschlichen Portfoliomanagers ausgeliefert. Und bezahlen müssen Sie diesen Manager – weil es ihn nicht gibt – auch nicht, was die Gebühren klein hält. Sowieso finden Sie, dass hier alles sehr transparent und vorhersehbar abläuft, dazu noch kostengünstig. Was will man mehr. Und weil das nicht nur Sie, sondern viele Anleger denken, boomt der Markt für börsengehandelte Indexfonds bereits seit Jahren und das Anlagevolumen ist mittlerweile gigantisch groß.
Doch Vorsicht: Nicht nur für Sie ist die Veranlagung des Fonds transparent und völlig vorhersehbar. Die Sache bekommt dadurch leider einen Haken.
Vorhersehbarer Herdentrieb
Der zugrundeliegende Aktienindex Ihres Fonds ist nämlich nichts weiter als die durchschnittliche Wertentwicklung mehrerer Aktien. Diese werden meist nach Kapitalisierung, also der Größe der enthaltenen Unternehmen, gewichtet, und wenn Sie Glück haben, werden sogar die ausgeschütteten Dividenden wieder mit in den Index gerechnet. Die im Index enthaltenen Unternehmen müssen zudem gewisse Voraussetzungen erfüllen. Welche das sind, ist im Indexregelwerk festgeschrieben. Um beispielsweise in den DAX aufgenommen zu werden, müssen Unternehmen nicht nur ihren Sitz in Deutschland haben und bereits fortlaufend im Prime Standard auf Xetra gehandelt werden, sondern auch zu den nach Marktkapitalisierung größten Werten in Deutschland gehören, deren Aktien an der Börse zudem zu den umsatzstärksten gehören. Und da sich Unternehmen dynamisch entwickeln, kommt es häufig vor, dass bisher enthaltene Unternehmen die Anforderungen nicht mehr erfüllen – sie fallen aus dem Index – und andere Aktien dafür neu aufgenommen werden. Die Indexzusammensetzung ändert sich somit regelmäßig.
Die Veränderungen im Index sind so gut wie immer bereits einige Zeit im Voraus vorhersehbar. Die Änderung der Indexzusammenstellung wird vom jeweiligen Indexberechner zu regelmäßigen und allen bekannten Zeitpunkten und nach festen Kriterien vorgenommen. Zuletzt fiel beispielsweise am 24. September 2018 die Commerzbank Aktie aus dem DAX, an ihrer Stelle wurde die Aktie der Wirecard AG aufgenommen. Diese Anpassung gab die Deutsche Börse bereits 20 Tage im Voraus bekannt.
Fällt nun aber ein Unternehmen aus dem Index, müssen all jene Fonds, die den Index nachbilden wollen, die Aktien dieses Unternehmens verkaufen. Gleichzeitig müssen sie die Aktien der neu hinzugekommenen Gesellschaften an der Börse kaufen. So vorhersehbar die Sache aber auch immer sein mag: Passive Fonds (also die meisten ETFs) dürfen erst dann ihre Bestände anpassen, wenn die neue Indexzusammensetzung veröffentlicht wurde. Und da sie damit nicht alleine sind, werden gleichzeitig mit Ihrem Fonds auch noch viele, viele andere, gleichartige Fonds zum genau selben Zeitpunkt verkaufen und kaufen.
Aus der Indexumstellung Profit geschlagen
Dieses gezwungene Herdenverhalten bleibt im Finanzmarkt nicht verborgen. Nun kommen all jene auf den Plan, die eben nicht rein passiv nach festen Regeln und über einen Computeralgorithmus handeln, um einen Index nachzubilden. Sie positionieren sich schon Tage zuvor, kaufen jene Aktien, die neu in den Index kommen werden, und verkaufen die Aktien der Unternehmen, die den Index wohl verlassen müssen. Die Preise verändern sich dadurch schon im Voraus deutlich.