Verkehrte (Finanz-)Welt
Renditeerwartungen für den gesamten Aktienmarkt gelten nicht zwangsläufig für die Performance einzelner Aktien. Quelle: dpa

Gewinnaktien sind eine Rarität

Börsianer stehen vor einem Dilemma: nur ein kleiner Prozentsatz von Aktien ist für die hohen Renditen der Märkte verantwortlich. Aber die Auswahl von Titeln hat Tücken. Warum Anleger Streuverluste akzeptieren müssen.

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Für die langfristige Geldanlage sind Aktien sehr sinnvoll. Keine andere Anlageklasse verzeichnet auf lange Sicht so positive Renditen wie sie. Wer sein Geld in den breiten Aktienmarkt investiert, kann auf lange Sicht mit einer Eigenkapitalrendite von jährlich sechs bis acht Prozent rechnen. Doch die Sache hat einen Haken: Diese Renditeerwartung für den gesamten Aktienmarkt gilt nicht zwangsläufig für die Performance einzelner Aktien.

Eher das Gegenteil ist der Fall. Jede siebte Standardaktie weist über einen längeren Zeitraum einen Totalverlust (-75 Prozent und mehr) auf. Berücksichtigt man auch Nebenwerten (SmallCaps), vernichtet sogar jede fünfte Aktie das Investment. Überraschend ist auch, dass rund 40 Prozent aller Aktien eine negative Wertentwicklung im Laufe ihres Börsen-Listings aufweisen.

Ein Blick in die Statistik zeigt, dass die Renditen der Einzelaktien nicht normalverteilt sind. An den Rändern häufen sich sowohl die gescheiterten als auch die erfolgreichen Titel. Ein kleiner Prozentsatz von Gewinnaktien entwickelt sich so stark positiv, dass er die negative Entwicklung der Verlustaktien überkompensiert.

Das kann im Ergebnis sogar dazu führen, dass diese Werte die aggregierte Marktrendite, zum Beispiel des EuroStoxx, in die Gewinnzone ziehen. Bei bloßer Indexbetrachtung trügt hier der Schein.

Wertentwicklung von Standardaktien (EuroStoxx) vom 31.12.1999 bis 31.12.2017Quelle: MARS Asset Management auf Basis des EuroStoxx-Universums

Weniger Aktien sorgen für den Gewinn

Das Phänomen wird sehr gut am US-Aktienmarkt deutlich. Seit 1926 haben dort 58 Prozent der Einzelaktien im Laufe ihres Listings eine schlechtere Wertentwicklung aufgewiesen als die einmonatige Termingeldanlage. Dagegen sind nur vier Prozent aller Aktien, darunter Exxon Mobil, Apple, General Electric, Microsoft und einige andere seit 1926 für die Wertentwicklung des Gesamtmarkts (S&P) verantwortlich.

Selbstverständlich kann man diese Erkenntnisse aber auch ganz anders interpretieren: Wenn nur eine geringe Anzahl von Aktien für die positive Performance des Gesamtmarktes verantwortlich ist, dann lohnt es sich ganz besonders, genau diese Aktien zu identifizieren. Aber ist das überhaupt möglich? Gerade Privatanleger sollten hier realistisch sein.
Wer eine bestimmte Aktie kauft, geht oft irrtümlicherweise davon aus, dass er einen Informationsvorsprung gegenüber allen anderen Marktteilnehmern besitzt. Durch wahlloses Herauspicken von Aktientiteln verpasst man aber möglicherweise die Chance, die wenigen positiven Ausreißer zu erwischen. Und auch die Wahrscheinlichkeit, auf einen der vielen „Low-Performer“ mit Totalverlustrisiko zu stoßen, ist alles andere als gering.

Gleichzeitig beruhen die positiven langfristigen Erwartungen für Aktien auf dem Gesamtmarkt. Unter der Oberfläche streuen die Renditen der Einzelaktien jedoch enorm. Ein Portfolio aus zu wenigen Einzelaktien birgt deshalb das Risiko, dass es gerade jene wenigen Aktien nicht enthält, die sehr große Renditen erwirtschaften. Eine gute Renditeentwicklung ist daher auch immer mit einer Diversifizierung in der Breite verbunden – auch wenn damit möglicherweise Streuverluste einhergehen.

Studie: Do Stocks Outperform Treasury Bills? von Bessembinder, November 2017

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