Verkehrte (Finanz-)Welt Mensch oder Maschine – wer geht besser mit Geld um?

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Kräfte bündeln

Die spannende Frage lautet daher, welche Rolle die Megathemen Künstliche Intelligenz und Big Data bei finanziellen Entscheidungsprozessen spielen können und sollten. Sind Algorithmen-basierte Anlageprodukte und digitales Asset Management die logische Konsequenz, um irrationales Anlageverhalten auszuschalten? Lassen sich so kognitive Verzerrungen ausschließen, die zwangsläufig bei persönlichen Finanzentscheidungen auftreten? Überspitzt formuliert: Kann die Maschine den Menschen ersetzen, wenn es um Geld geht?

Angesichts der geschilderten Unzulänglichkeiten des menschlichen Gehirns wundert es nicht, dass alle Versuche, die Qualität finanzieller Entscheidungsprozesse zu verbessern, sich darauf konzentrieren, menschliche Intelligenz durch künstliche Intelligenz zu ersetzen. Diese Entwicklung führt allerdings in eine Sackgasse. Menschen und Maschinen sind zwei völlig verschiedene Systeme mit völlig unterschiedlichen Fähigkeiten, Stärken und Schwächen. Im Fokus sollte daher stehen, die verschiedenen Formen der Intelligenz zu kombinieren.

Small and Large World Problems

Künstliche Intelligenz ist gut geeignet, sogenannte „small world problems“ zu lösen. Diese sind definiert durch klare Aufgabenstellungen, replizierbare Prozesse, identifizierbare Kriterien und Alternativen, bekannte Korrelationen und Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Selbstlernende Maschinen sind heute in der Lage, aus großen unstrukturierten Datenmengen Muster und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Aus Vergangenheitsdaten und impliziten Wissen wird neues explizites Wissen generiert. Das wird ein menschliches Gehirn nie leisten können.

Bei sogenannten „large world problems“ stößt die künstliche Intelligenz allerdings an ihre Grenzen. Programmierte Algorithmen sind rückwärtsgewandt und folgen starren Regeln. Oftmals sind Aufgaben und Ziele nicht klar definiert, da die Ergebnisse vom Verhalten Dritter abhängen, Korrelationen und Wahrscheinlichkeitsverteilungen ändern sich, Prozesse sind nicht replizierbar und das Umfeld verändert sich dynamisch. Die Beispiele disruptiver Technologien zeigen eindrucksvoll, wie in kurzer Zeit Geschäftsmodelle und ganz Märkte zerschlagen werden können. In diesen Situationen sind grundlegende Entscheidungen zu treffen, die Ihnen kein Computer abnehmen kann. Das menschliche Gehirn ist hier überlegen. Es besteht aus effizienten Assoziationsnetzwerken, die sich permanent weiterentwickeln Informationen werden nicht einfach abgespeichert, sondern verknüpft mit bestehendem Wissen, Verbindungen und unserem emotionalen Erfahrungsgedächtnis. So entstehen kreative Ideen und intelligente Konzepte („deep thinking“), um komplexe Probleme zu lösen.

Die Kräfte bündeln

Die Frage, wer besser mit Geld umgeht, lässt sich also klar beantworten. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sind bestens geeignet, „small world problems“ zu lösen. Automatisierte Anlageberatung („Robo-Advisory“) und digitales Asset Management tragen mit klaren Regeln und langfristigen Strategien dazu bei, emotionale Reaktionen bei Finanzentscheidungen auszuschalten.

Bei „large world problems“ geht es nicht ohne menschliche Intelligenz. Pablo Picasso sagte einmal über Computer: „Sie sind nutzlos! Sie können nur Antworten geben.“ Maschinelle Intelligenz beantwortet Fragen, stellt aber keine. Das kann aber wiederrum das menschliche Gehirn. Welchen Wert und welche emotionale Bedeutung der Anleger bestimmten Entscheidungssituationen beimisst, muss er selber beurteilen. Auch in Zukunft müssen Menschen entscheiden, was ihnen wichtig ist, ob und wofür sie ihr Geld ausgeben, ob sie ihr Geld selber anlegen oder digitalen Vermögensverwaltern vertrauen.

Am Ende stehen wir vor der Frage, wie wir die verschiedenen Formen der Intelligenz bestmöglich kombinieren können, ohne uns davon abhängig zu machen.

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