Verkehrte (Finanz-)Welt
Wandelanleihen: Was Anleger wissen sollten Quelle: imago images

Neuer Boom bei Wandelanleihen

Steigende Zinsen und höhere Schwankungen an den Börsen machen Wandelanleihen wieder attraktiver. Wie die speziellen Anleihen funktionieren und was Anleger dabei beachten müssen.

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Viele professionelle Investoren sind verunsichert. Das gegenwärtige solide makroökonomische Umfeld aus global synchron wachsender Wirtschaft und starken Unternehmensgewinnen unterstützt eine positive Markteinschätzung für risikoreiche Anlagen wie Aktien. Allerdings sind die Bewertungen der Aktien- und Anleihenmärkte teuer und negative Faktoren wie Inflationsängste in den USA oder der Handelskrieg zwischen den USA und China verursachen Turbulenzen.

Die Zinswende hat in den USA bereits begonnen, die europäische Zentralbank und auch die Bank of Japan dürften diesem Weg zeitverzögert folgen. Eigentlich handelt es sich nur um die Normalisierung des Zinsniveaus, doch nach über drei Jahrzehnten mit – im Mittel – sinkenden Zinsen bedarf es einer genauen Beurteilung der Situation, da der Zinsanstieg mit Kursverlusten für Anleiheinvestoren einhergeht.

Hier kommen Wandelanleihen ins Spiel. Diese spezielle Anlageform, bei der Anleihen in Aktien gewandelt werden können, erlebt aktuell einen neuen Boom: Das weltweite Emissionsvolumen ist dieses Jahr mit bisher 71 Milliarden Dollar sehr stark. Wenn dieser Trend bis zum Jahresende anhält, wäre 2018 mit hochgerechnet rund 120 Milliarden Dollar das stärkste Jahr für Wandelanleihen seit der Finanzkrise. Im Vergleich dazu lag das Emissionsvolumen für 2016 bei 78 Milliarden und 2017 bei 91 Milliarden Dollar.

Maria Vogt, CFA, ist seit 2004 als Senior Sales & Relationship Manager bei Fisch Asset Management verantwortlich für deutsche institutionelle Kunden. Zuvor arbeitete sie von 2001 bis 2004 für Goldman Sachs International in London im globalen Wandelanleihen-Brokerage. Ihre Karriere startete Maria Vogt 1997 bei der ADIG Investment GmbH (heute Allianz Global Investors) in Frankfurt am Main. Dort war sie bis 2001 im Rentenportfolio-Management tätig. Sie besitzt einen Abschluss in Wirtschaftsmathematik von der Universität Karlsruhe. Sie ist CFA Charterholder und Mitglied der CFA Society Germany. Quelle: Presse

Was macht Wandelanleihen gerade jetzt so attraktiv? Bei diesem Wertpapier wird dem Anleihekäufer der Nominalwert nach Ablauf der Laufzeit entweder als Barauszahlung oder aber in Form von Aktien zurückgezahlt. Es besteht allerdings kein Wandelzwang. Der Besitzer der Anleihe entscheidet, ob und wann er wandeln will. Eine Wandlung ist grundsätzlich nur dann interessant, wenn die betreffenden Aktien stark gestiegen sind und damit den Nominalwert der Anleihe übersteigen. In diesem Fall können die gewandelten Aktien sofort an der Börse verkauft und so ein Kursgewinn erzielt werden.

Bei fallenden Aktienkursen wird man dagegen die Anleihe behalten, erhält weiterhin die Zinsen und am Ende der Laufzeit das investierte Kapital zurück. Spannend ist dabei das „automatische Timing“: Die Wandelanleihe reagiert eher wie eine Aktie, wenn der Aktienkurs deutlich über den Wandlungspreis steigt, ab dem sich eine Wandlung lohnt. Sie reagiert hingegen kaum noch auf Kursverluste, wenn sich der Kurs dem Wandlungspreis nähert oder ihn unterschreitet. So kombiniert die Wandelanleihe die Vorteile der Aktie (Kursgewinne) mit den Vorteilen der Anleihe (Kapitalschutz). Genau das, was aktuell in diesen unsicheren Zeiten helfen kann.

Ein häufiger Fehler von Anlegern ist es, bei der Produktauswahl nur die „absolute“ Ertragszahl anzuschauen, also: „wieviel habe ich über den Investitionszeitraum mit meinem Investment verdient?“ Dabei gilt der simple Grundsatz: 10 Prozent sind besser als 5 Prozent – logisch, würde man denken. Erfahrene Investoren interessiert aber nicht nur der absolute Ertrag, sondern das Risiko-/Ertragsverhältnis. Und hier ist die Wandelanleihe auf Dauer im Vorteil gegenüber Aktien. Denn langfristig ist es möglich, mit Wandelanleihen so viel zu verdienen, wie mit Aktien – das aber bei geringerem Risiko.

Ertrag pro Jahr (1996 bis Juli 2018)

Quelle: Thomson Reuters, MSCI, ML

Ein Blick auf die Wertentwicklung des Wandelanleihenmarktes seit 1996 zeigt, dass Wandelanleihen pro Jahr 6,6 Prozent verdient haben. Damit liegen sie nur leicht hinter dem MSCI World Index (7,1 Prozent), jedoch mit signifikant geringerem Risiko (siehe Grafik).

Risiko pro Jahr (gemessen an der Volatilität; 1996 bis Juli 2018)

Quelle: Thomson Reuters, MSCI, ML

Wandelanleihen schlagen Anleihen im Zinsanstieg

Die spezielle Anleihegattung der Wandler hat eine deutlich geringere Zinssensitivität gegenüber normalen Anleihen. Neben der vergleichsweise kürzeren durchschnittlichen Restlaufzeit von drei bis vier Jahren spielt das Umtauschrecht eine entscheidende Rolle. Zum einen gilt: je höher die Zinsen, desto höher der Wert des Wandelrechts – das ist von Vorteil im Zinsanstiegsumfeld.

Aufgrund dieser Eigenschaften können Wandler Kursgewinne bei steigenden Zinsen und gleichzeitig positiven Aktienmärkten generieren (siehe Grafik).

In fast jeder Zinsanstiegsperiode seit dem Jahr 2000 haben Wandelanleihen die Anleihemärkte geschlagen.

Unternehmensanleihen (blaue Balken) entwickeln sich in Perioden steigender US-Zinsen deutlich schlechter als Wandelanleihen (rote Balken).Lesebeispiel: Über den Zeitraum, der im Jahr 2000 endet (exakt Okt. 1998 bis Feb. 2000), stiegen die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen um 2,51% an. Während dieser Zeit lieferten Unternehmensanleihen einen Ertrag von rund 1%, während Wandelanleihen rund 45% zulegten.

Doch auch Wandelanleihen bringen gewisse Risiken mit sich: Sofern das emittierende Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten gerät, riskiert der Anleger den Verlust des Investments. Fällt der Aktienkurs stark, aber das Unternehmen wird nicht zahlungsunfähig, dann hat der Investor lediglich eine Schuldverschreibung des Unternehmens und kann mit der Rückzahlung seines Investments rechnen. Das Aktientauschrecht (Option) wird in solchen Konstellationen hingegen praktisch wertlos.

Wird das Rating des Unternehmens herunter gestuft (ohne Zahlungsschwierigkeiten), reagiert die Wandelanleihe mit Kursabschlägen.

Die Preisbildung für Wandelanleihen ist zudem hochkomplex und hängt von zahlreichen Faktoren wie dem allgemeinen Zinsniveau, der unternehmensspezifischen Krediteinstufung, vom Aktienpreis des betreffenden Unternehmens und vom Umtauschverhältnis ab.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Marktliquidität für einzelnen Titel begrenzt ist, sodass ein Verkauf kurzfristig vielleicht nicht oder nur zu einem ungünstigen Preis möglich ist.

Aus diesen Gründen sind Wandelanleihen für Privatanleger nur selten als Direktanlage geeignet. Privatanleger sollten diese Assetklasse daher mit der nötigen Umsicht angehen und sie sich stattdessen eher über einen Publikumsfonds erschließen.

Angesichts der aktuellen weltwirtschaftlichen und politischen Entwicklungen sowie der Unsicherheiten, die diese für Investoren mit sich bringen, dürfte das Interesse an Wandelanleihen von Käuferseite weiter stark bleiben. Steigende Zinsen begünstigen diese Entwicklung, nicht zuletzt weil sie auch neue Emissionen mit sich bringen dürften. Insofern kann es durchaus sein, dass 2018 noch zum Jahr der Wandelanleihe wird.

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