Verkehrte (Finanz)welt
Quelle: imago images

Die Anlagestrategie aus Aktien, Anleihen und Cash funktioniert nicht mehr

US-Techtitel sind in vielen „passiven“ Anlagen hoch gewichtet, die mangelnde Streuung bereitete schon zu Jahresauftakt Probleme. Die „alte Welt“ aus Indexfonds, Anleihen und Cash hat ausgedient. Was Anleger tun können.

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Die Anlegerwelt von gestern sah so aus: Man folgte dem Rat von John Bogle, Gründer von Vanguard, und legte in Aktienindexfonds (ETFs) an, statt nach Gewinnern wie nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen. Zur besseren Balance des Portfolios kaufte man sichere Rentenpapiere hinzu (etwa deutsche Staatsanleihen) und hielt zudem einige Geldersparnisse in der Kasse. Die Anleihen sollten helfen, den Wert des Portfolios zu stabilisieren, da sie üblicherweise im Preis stiegen, wenn die Aktien fielen. Und Kasse wurde gehalten, um für Zukaufgelegenheiten gerüstet zu sein. Diese Welt wurde von der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken jedoch zerstört.

Zentralbanken und das Inflationsgespenst

Über zwei Jahrzehnte haben die Zentralbanken daran gearbeitet, den Zins auf null und darunter zu drücken, um die Inflation wieder zu beleben. Die meiste Zeit war ihre Mühe vergeblich, bis in der Pandemie die Teuerungsrate weit höher stieg als beabsichtigt. Nun werden sie den Inflationsgeist, den sie riefen, nicht wieder los. Denn wenn sie es mit der Bekämpfung der Inflation ebenso ernst meinten, wie vorher mit der Bekämpfung der Deflation, dann müssten sie jetzt schnell ihre Leitzinsen über die Inflationsrate anheben. Doch Anleger und Schuldner haben sich auf die Welt ohne Zinsen längst so gut eingestellt, dass neue Finanzkrisen drohen würden, wenn der Zins wieder in alter Form auferstehen würde. Die Aktienmärkte würden einbrechen und manch hoch verschuldeter Staat müsste Konkurs anmelden. Inflation würde rasch in Deflation umkippen, die nach der herrschenden Wirtschaftslehre mit einer neuen Geldschwemme bekämpft werden müsste.

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Dafür, dass sich die europäische Zentralbank mit der Geldentwertung allenfalls Scheingefechte liefert, statt sie zu bekämpfen, muss der Sparer die Zeche zahlen. Hält er Geldersparnisse in der Kasse, dann kostet ihn das bei vielen Instituten - selbst bei niedrigen Vermögen - Strafzinsen. Hinzu kommt, dass die Kaufkraft durch die Inflation wegschmilzt. Am Ende haben Sparerinnen und Sparer einen nominal geringeren Betrag in der Kasse, mit dem man nur noch einen Bruchteil dessen kaufen kann, was man früher dafür bekommen hätte.

Mit Anleihen fährt man kaum besser. Papiere mit geringem Ausfallrisiko bringen im besten Fall einen kleinen Ertrag unterhalb der Inflationsrate. Damit mindern sie die Kaufkraft des in ihnen angelegten Geldes. Zu den realen kommen nominale Wertverluste, auch wenn die Zinsen der Inflation nur zögerlich folgen und weit weniger steigen sollten als diese.



Mehr Techwerte als man denkt

Auf die jüngsten Aussagen von US-Notenbank-Chef Jerome Powell, dass es mehr „Spielraum“ gäbe, „um Zinssätze anzuheben“, haben insbesondere Growth-Werte, darunter US-Techtitel, sehr empfindlich reagiert. Nur wenige Tage später haben schwache Quartalszahlen von Big Techs, vornehmlich der Facebook-Mutter Meta, zeitweilig den gesamten Markt mit sich nach unten gezogen. Man könnte nun meinen, dass breite Aktienindex-ETFs, etwa auf den MSCI World, nur marginal davon betroffen worden wären. Schließlich deckt dieser Index 1.600 Unternehmen aus 23 Ländern ab. Doch von den zehn Unternehmen, die knapp 20 Prozent des Indexwerts ausmachen, gehören acht zum Technologiebereich. Und knapp 70 Prozent des Werts der 1.600 Unternehmen liegt in den USA.

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Nicht viel besser diversifiziert ist der FTSE All-World. Dort kommen neun der zehn größten Titel aus dem Technologiebereich und machen rund 17 Prozent des Index aus. Rund 59 Prozent des Indexwertes liegt in den USA. Wer heute also einen globalen Aktien-ETF kauft, bekommt – überspitzt ausgedrückt – ein von den Zentralbanken auf Technologieunternehmen und USA getrimmtes Portfolio. Denn der von den Zentralbanken erzwungene Zinsverfall hat vornehmlich die Bewertungen von Aktien derjenigen Unternehmen erhöht, für die der Markt Gewinne in der ferneren Zukunft vermutet. Das sind vor allem Technologieunternehmen, die stark in den USA vertreten sind. Und mit der höheren Kapitalisierung dieser Unternehmen stieg ihr Gewicht in den Indizes.

Ausblick: Wird aktives Management wieder wichtiger?

„Handle niemals gegen die Zentralbank“, lautet eine alte Marktweisheit. Damit sind Anleger im vergangenen Jahr nicht schlecht gefahren. Der MSCI World-Index stieg um stolze 30 Prozent. Eine Geldschwemme im Umfang der vergangenen Jahre ist allerdings dieses Jahr nicht mehr zu erwarten. Schließlich haben Zentralbanken ihr Inflationsziel ja „übererfüllt“ und die Zinsen dürften leicht steigen. Wer also dem in globalen ETFs abgebildeten „Zentralbankportfolio“ nicht mehr traut, sollte diesem andere Titel beimischen. Da Kasse und Anleihen als einträgliche Anlagen ausfallen (und Gold allenfalls als Alternativgeld ohne Ertrag dienen kann), kommen nur weniger zinssensitive Aktien in Frage. Diese sollten von gut geführten Unternehmen mit stabilem Geschäftsmodell und ansehnlicher laufender Dividende stammen.

Eine Prise „aktives“ Portfoliomanagement ist also wieder gefragt, nachdem die Zentralbanken es übernommen haben, als „passiv“ deklarierte Anlagen zu managen. Oder, um es mit John Bogle zu sagen: „Der Heuhaufen muss wieder größer werden, um sicher zu sein, dass die Nadel darin streckt“.

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