Verkehrte (Finanz)welt
Demo gegen die EU-Taxonomie zu Atom und Gas Quelle: imago images

Die sechs größten Herausforderungen beim nachhaltigen Investieren

Anlagemöglichkeiten für Privatanleger in nachhaltige Wertpapiere wachsen rasant. Jedoch lassen sich persönliche Präferenzen in solchen Investments nicht immer vollumfänglich abbilden.

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Die positive Veränderung der Welt unter Beibehaltung oder sogar langfristigen Verbesserung des Rendite-Risiko-Profils: Dies ist das Wunschziel des nachhaltigen Investierens. Laut Bloomberg-Schätzungen werden im Jahr 2025 mehr als ein Drittel aller Geldanlagen in nachhaltige Investments allokiert sein (etwa 53 Billionen US-Dollar). Das Forum nachhaltige Geldanlagen rechnet vor, dass im aktuellen Jahr 2022 etwa jeder sechste Euro in Publikumsfonds mit einer nachhaltigen Ausrichtung fließt.

Um nachhaltige Investments zu identifizieren, bedienen sich institutionelle Investoren einer Vielzahl von Methodiken wie Negativ- und Positivlisten, ESG-Integration, Engagement- oder Impact-Investing sowie externer Ratings. Kleinanleger können aus Kosten- und Zeitgründen dagegen zumeist weder auf externe Daten eines Rating-Anbieters noch auf umfassende, ganzheitliche und maßgeschneiderte Beratung setzen. Zwar gibt es mittlerweile eine Palette an Assetklassen, über die nachhaltig investiert werden kann – etwa ETFs, Fonds oder direkte Investments über Aktien. Studienergebnisse legen jedoch nahe, dass sich viele Privatanleger hinsichtlich des positiven Einflusses dieser Produkte unzureichend informiert fühlen und nicht genau wissen, wie sie das Thema in ihre Anlagestrategie einbringen und steuern können.

Nachstehend sechs Baustellen, auf die Privatanleger aktuell bei ESG-Investments besonders häufig stoßen. Die Liste soll dabei helfen, die Ursachen dieser Herausforderungen sowie mögliche Strategien und Lösungsansätze zu adressieren.

Herausforderung 1: Eine umfassende Durchschau von Fonds und ETFs fehlt am Markt
Fondsgesellschaften legen häufig nur die Top-Ten-Holdings der investierten Wertpapiere offen. Dies verhindert, dass Kleinanleger am Kauftag ihre eigene „rote Linie“ der ungewollten Aktien und Anleihen überprüfen können. ETFs sind häufig auf die zugrundeliegenden Indizes abgestellt. Kombinierte individuelle Ziele wie zum Beispiel „Tierschutz“ und „Ausschluss kontroverser Waffen“ und „gelebte Gleichberechtigung“ sind oftmals schwer erreichbar.

Herausforderung 2: Nachhaltigkeit und klassische Portfolioanalyse stehen nicht selten in einem Spannungsverhältnis zueinander
Bei der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten (und einem entsprechend ausgeprägten Anlagefokus) kann ein Investor Gefahr laufen, ungewollt sein Investmentuniversum zu verkleinern. Diversifikationseffekte können so verloren gehen, stattdessen entstehen Konzentrations- sowie bestimmte Konjunkturrisiken (durch starke Branchengewichtungen).

Herausforderung 3: Vorhandene ESG-Ratings erschweren eine einheitliche Beurteilung
Die Ratings verschiedener ESG-Anbieter weichen – aufgrund unterschiedlicher Erhebungen, Aggregations-Metriken und Beurteilungen – bei den gleichen Wertpapieren oftmals erheblich voneinander ab. Dies kann dazu führen, dass der „Umweltsünder“ des einen Anbieters zum „Umweltretter“ bei einem anderen Anbieter wird. Eine einheitliche Beurteilung (wie etwa bei Bonitäts-Ratings) wird so deutlich erschwert.

Herausforderung 4: Eine höhere Datenqualität ist gut für den Anleger. datengetriebenes Green- oder Rainbowwashing sind es nicht
Da die berichtenden Unternehmen unter anderem Ziele wie eine möglichst günstige Refinanzierung oder die Vermeidung von Kostenexplosionen durch neue Stellen im Nachhaltigkeits-Reporting verfolgen, kann es vorkommen, dass Kennzahlen teilweise geschätzt und „optimistisch“ publiziert werden.

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Herausforderung 5: Small Caps sind in den Ratings unterrepräsentiert
Kleineren Firmen stellen oft weniger Ressourcen für ein professionelles und zielgerichtetes Nachhaltigkeits-Reporting zur Verfügung. Sie werden von Rating-Anbietern weniger abgedeckt und häufig bei gleicher ESG-Qualität auch schlechter bewertet als große Gesellschaften.

Herausforderung 6: Ein globales regulatorisches Rahmenwerk für nachhaltige Geldanlagen fehlt (noch)
Aktuell arbeitet die EU an der Umsetzung eines solchen Rahmenwerks mittels einer geeigneten Taxonomie. Bis wir weltweit gültige, interpretationsfreie und verpflichtende Regelungen haben, werden allerdings noch einige Jahre vergehen.

Fazit und Ausblick: Wie transparent und maßgeschneidert können ESG-Produkte sein?
ESG-Logiken sind für weniger erfahrene Anleger nicht immer transparent und nicht leicht durchschaubar. Ziehen wir im Hinblick auf die skizzierten sechs Herausforderungen ein Fazit, so lässt sich konstatieren: Optimierte Analyse-Tools für Durchschnittsanleger wären wünschenswert ebenso wie eine Angleichung und größere Detailtiefe von ESG-Ratings. Weitere regulatorische Anstrengungen werden hoffentlich dazu führen, dass sich die Daten- und Reporting-Qualität verbessert und im Zeitablauf global angleicht.

Produkte mit nachhaltiger Ausrichtung sind häufig (noch) nicht passgenau. Wer seine Nachhaltigkeitsziele und -wünsche in einem Investment voll reflektiert sehen möchte, muss (noch) einiges an Zeit investieren. Es gibt am Markt zwar fragmentierte Lösungen – aber noch kein umfassendes, holistisches Produkt, welches alle möglichen, individuellen Ziele in Einklang bringt. Für Anleger werden daher künftig diejenigen Angebote positiv herausstechen, die aktuelle Fragen unserer Zeit – etwa „Ist Atomenergie als Übergangstechnologie der Energiewende tragbar oder nicht?“ oder „Kann ich mich mit Investments in Waffenfirmen (vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine) identifizieren oder nicht?“ – adressieren. Dies sollte unkompliziert, individualisierbar und ohne nennenswerte Zusatzkosten abbildbar sein und gilt für Investments in „grüne Technologien“ sowie in solche mit sozialen Zielen oder guter Unternehmensführung.

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Der Artikel spiegelt die private Meinung des Autors wider und nicht notwendigerweise die seines Arbeitgebers.

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