Verkehrte (Finanz)welt
Globalisierung und die Gefahren für Anleger. Quelle: Getty Images

Ende der Globalisierung? Das sind die Auswirkungen für Anleger

Volkswirtschaften und Unternehmen müssen globale Abhängigkeiten entflechten und sich neu aufstellen. Für Anleger gilt es, jetzt die richtigen Positionierungen für die kommenden Jahre vorzunehmen.

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Bereits während der Legislatur des damaligen US-Präsidenten Donald Trump zeichnete sich der Beginn einer neuen Phase der Globalisierung ab. Abzulesen war dies an einem zunehmenden Nationalismus und einer Reihe durch die US-Regierung initiierter Handelskonflikte. Im Zuge der Coronapandemie kam es danach zu einem buchstäblichen Zusammenbruch globaler Lieferketten. Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist klar, dass Globalisierung (komplett) neu bewertet werden muss – politisch, militärisch und wirtschaftlich.

Geschäftsmodell Deutschland profitierte von Globalisierung

Die deutsche Volkswirtschaft hat sich seit der deutschen Wiedervereinigung mit ihrem Fokus auf exportorientierte Industrien und Verlagerungen lohnintensiver Produktionen nach Asien auf die weltwirtschaftliche Lage der letzten Jahrzehnte gut eingestellt. Außenhandelsorientierte Ökonomien wie unsere sind von den derzeitigen Veränderungen daher stark betroffen. Damit einher gehen notwenige Anpassungen des „Geschäftsmodells Deutschland“. Zwar will man kritische Abhängigkeiten von einzelnen Zulieferern und Absatzmärkten im Ausland künftig vermeiden. Dabei jedoch die Zusammenarbeit mit jedem autokratischen System zu streichen, das die demokratischen und marktwirtschaftlichen Werte des Westens nicht ausnahmslos teilt, dürfte hingegen schwer werden.

Widerstandsfähigkeit gewinnt gegenüber Effizienz an Bedeutung

Ein komplettes Rückdrehen der Globalisierung und ein Verzicht auf die Vorteile grenzüberschreitender Spezialisierung und Wertschöpfungsketten wären nicht im Interesse Deutschlands. Einerseits wirtschaftlich, da dies – über die derzeitigen Härtefälle hinaus – breiten Wohlstandsverlust bedeuten dürfte. Andererseits politisch, da den wesentlichen Problemstellungen der Gegenwart – etwa Klimawandel, Corona-Pandemie, Geopolitik – nur im Rahmen einer breiten Kooperation möglichst vieler Staaten effektiv begegnet werden kann. Beide Dimensionen sind auch für Wertpapiermärkte sowie Anleger und deren Investmentstrategien hochrelevant. Nicht nur Volkswirtschaften, auch Unternehmen werden verstärkt darauf achten, nicht mehr in kritische Abhängigkeiten zu geraten. Im Zuge der weltweiten Ausdehnung von Wertschöpfungsprozessen haben viele Unternehmen bislang einen zu starken Fokus auf Effizienz (Kostensenkung, Produktionskapazitäten, Outsourcing) gelegt. Resilienz (also Widerstandsfähigkeit) kam dagegen zu kurz. Investitionen in den Aufbau dieser Resilienz werden zunächst neue Kosten verursachen. Es ist zudem zu erwarten, dass man an einigen Stellen niedrigere Produktivität und geringere Wachstumspotenziale hinnimmt – damit aber im Krisenfall in der Lage ist, das Wohlstandsniveau abzusichern.

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Die Folgen für Anleger

Wir erleben derzeit eine Phase mit teils deutlich gesunkenen Bewertungen einzelner Aktien und gestiegenen Renditen von Unternehmens- und Schwellenländeranleihen. Für Anleger gilt es, jetzt die richtigen Positionierungen für die kommenden Jahre vorzunehmen, trotz aktueller Belastungsfaktoren und daraus resultierender Unsicherheiten. Dabei haben grundsätzlich die Regionen das größte Aufholpotenzial, die im Zuge der Krisen der vergangenen Jahre besonders gelitten haben. Dazu gehört Europa angesichts des Ukrainekrieges, der explodierenden Energiepreise und globaler Lieferkettenprobleme. Zudem richtet sich der Blick auf Schwellenländer. Diese haben sich – sofern sie nicht auf den Export von Rohstoffen fokussiert sind – seit der Coronakrise kaum nachhaltig erholt und erhielten zuletzt aufgrund des sehr festen US-Dollars und weltweit gestiegener Zinsen erneute Dämpfer.

Die US-Volkswirtschaft erweist sich demgegenüber als deutlich robuster, da eine weitgehende Energieautarkie besteht und eine geringere Abhängigkeit von internationalen Handelsströmen. Auch künftig dürften in den USA einige der innovativsten und am besten für die anstehenden Herausforderungen aufgestellten Unternehmen zu finden sein. Vorsichtiger hingegen sollte man vorerst auf China blicken, denn eine noch stärkere Fokussierung auf Staatschef Xi Jinping (inklusive Vorrang ideologischer und politischer gegenüber wirtschaftlichen Zielsetzungen) erhöht die Wahrscheinlichkeit unberechenbarer Entscheidungen und damit die Risiken für unternehmerische Tätigkeiten in und mit China. Davon dürften andere dynamische (asiatische) Volkswirtschaften profitieren, die demografisch jung und besonders technologieaffin sind.

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Ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der notwendigen Transformationen von Unternehmen und Volkswirtschaften wird die Weiterentwicklung und der Einsatz neuer Technologien sein. Gerade Deutschland muss sich die Errungenschaften von Automatisierung, Robotik, Künstlicher Intelligenz, Blockchain & Co. zunutze machen, um den absehbar noch länger bestehenden Nachteil hoher Energiekosten kompensieren zu können. Neben dem Setzen von passenden Rahmenbedingungen (etwa Infrastruktur sowie Forschung und Regulierung) durch die Politik wird es insbesondere auf die Agilität und Innovationskraft der Unternehmen ankommen.

An diesem Punkt sollten Anleger ansetzen, wenn sie heute ihr Portfolio für eine erfolgreiche Zukunft zusammenstellen. Die Auswahl der richtigen Einzeltitel ist daher deutlich wichtiger als eine ausgeklügelte Sektorallokation, denn in allen Branchen werden dynamische, innovative und anpassungsfähige Unternehmen zu den Gewinnern gehören.

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