Verkehrte (Finanz)welt
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Erfolg mit Aktien: Alles eine Frage der Zeit

„Wer gut schlafen will, kauft Anleihen. Wer gut essen will, kauft Aktien“, sagte einst Altmeister André Kostolany. Trifft seine Börsenweisheit heute noch zu?

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Bei der Vermögensanlage setzen die Deutschen bevorzugt auf Sicherheit. Sparbücher, Festgelder und Lebensversicherungen dominieren bei den liquiden Assets nach wie vor. Sachwerte wie Aktien spielten in der Vergangenheit aufgrund ihres unterstellten hohen Risikos nur eine geringe Rolle. Doch: Findet hier derzeit ein Wandel statt? Kernfrage ist, ob Aktien wirklich so riskant und Spareinlagen und Anleihen so sicher sind?

Risiken von Aktien und Anleihen

Hintergrund für Kostolanys Überlegungen war, dass Anleihen fixe Erträge abwerfen. Dies hat sich jedoch geändert: Anleihen erwirtschaften seit vier Jahren keinen Zins mehr. Werfen wir daher einen Blick auf die Risiken von Aktien und Anleihen. Die meisten Marktteilnehmer verstehen unter „Risiko“ die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts bei einem Investment. Da Aktien starken Kursschwankungen unterliegen, werden sie entsprechend auch als „riskante Anlageform“ wahrgenommen. Auf kurze Sicht sind Anleihen tatsächlich weniger schwankungsanfällig als Aktien und geben dadurch ein Gefühl der Sicherheit. In der Rückschau auf die letzten 30 Jahre konnte man mit Anleihen eine gute Rendite erwirtschaften. Gemessen am Index für Bundesanleihen („Rex-Performance“) errechnet sich für die „gute alte Zeit“ im Durchschnitt eine Jahresrendite – vor Inflation – von fünf Prozent.

Noch besser wäre es mit deutschen Standardaktien (Dax-Index) gelaufen. Acht Prozent Rendite pro Jahr konnte der Langfristinvestor mit Aktien erzielen. Damit hätte sich ein Kapitaleinsatz in 30 Jahren verzehnfacht. Bei einer weltweiten Anlage wären sogar neun Prozent Rendite möglich gewesen. Schlussendlich haben selbst große Krisen – Dotcom-Blase, 9/11, Finanz- und Eurokrise, Corona-Pandemie – der langfristigen Wertentwicklung nicht geschadet.

Zinseszins-Effekt beachten

Bei der Wahl zwischen „sicheren“ fünf Prozent Rendite für Anleihen und den „riskanteren“ acht Prozent Ertragschancen bei Aktien würden sich wohl viele deutsche Anleger für die erste Variante entscheiden. Dabei unterschätzen sie jedoch die Bedeutung des Zinseszins-Effekts. Wer seine Altersvorsorge aufbauen möchte, hat meist einen Anlagehorizont von 30 Jahren und mehr. In dieser Zeit würden aus 10.000 Euro bei einer fünf-prozentigen Rendite rund 43.000 Euro werden, bei acht Prozent wären es bereits 100.000 Euro. Dies entspricht dem 2,3-fachen. Beides sind nominale Werte, die den Kaufkraftverlust durch Inflation nicht berücksichtigen.

In die Zukunft blickend wird es mit Zinsanlagen kaum möglich sein, die eigene Kaufkraft zu halten. Seit drei Jahrzehnten sinken die Zinsen, mittlerweile liegen sie bei unter null Prozent. Gleichzeitig springt die Teuerungsrate auf den höchsten Stand seit fast 30 Jahren – mit entsprechend gravierenden Inflationsrisiken für Anleihen.

Geduld mitbringen

Während Anleihen also mit zunehmender Zeitdauer durchaus erheblichen Risiken unterliegen, sinken diese bei Aktien mit zunehmender Haltedauer. Das Risiko wird bei Wertpapieren rechnerisch durch die Schwankungsbreite (Volatilität) bestimmt. Aktien schwanken etwa 20 Prozent pro Jahr um ihren Mittelwert. Ihr Schwankungsrisiko ist etwa drei bis fünf Mal höher als das von Anleihen. Der Vorteil von Aktieninvestments ist, dass man mit einem gut diversifizierten Korb bei einem langfristigen Anlagehorizont Sicherheit erzeugen kann. Während statistisch kurzfristig enorme Sprünge bei der Spanne der Wertentwicklung von Aktienmärkten zu verzeichnen sind (Schwankungsbreite und Mittelwert der Aktienrendite reichen von -60 Prozent bis +80 Prozent) verdichtet sich das Rendite-Risiko-Verhältnis auf lange Sicht immer mehr um einen Mittelwert von sieben bis neun Prozent.

Wenn ein Anleger seinen Anlagehorizont von einem Jahr auf zehn Jahre erweitert, so vermindert er sein Risiko um 80 Prozent. Mit zunehmender Haltedauer nimmt das Schwankungsrisiko (der annualisierten Rendite) also stark ab. Nach etwa 15 Jahren hat der Investor eine gute Sicherheit auf eine positive Wertentwicklung. Selbst wer zu einem ungünstigen Zeitpunkt einsteigt, zum Beispiel vor einem fürchterlichen Crash, würde spätestens nach etwa 15 Jahren seinen Einstand wieder erreichen und in die Gewinnzone laufen. Aktienrisiken schwinden also mit zunehmender Anlagedauer, während bei Anleihen die (Inflations-)Risiken steigen.

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Breite Streuung entscheidend

Grundvoraussetzung für die skizzierten Annahmen ist eine breite Diversifikation des Aktienportfolios. Dies lässt sich heutzutage bequem und kostengünstig über ETFs erreichen. Neben dem Diversifikationspostulat spielt die Zeit eine entscheidende Rolle für den Anlageerfolg. Gerade bei Aktieninvestments ist der Zeitgedanke fundamental, denn ohne Geduld geht es nicht. Geduldig sein fällt vielen Investoren jedoch schwer. Kostolany formulierte dies so: „Man macht das Geld nicht so sehr mit dem Kopf, sondern mit dem Sitzfleisch“.

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