Verkehrte (Finanz)welt
Quelle: dpa

Euro positiv auf Corona getestet – wird er überleben?

Die Corona-Pandemie stürzt die europäische Gemeinschaftswährung in eine neuerliche Krise. Und die EZB will hoch verschuldeten Euro-Ländern bevorzugt helfen. Wie weit können die Nothilfen zur Rettung des Euro gehen?

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Der Euro: 2002 eingeführt, ist er heute gesetzliches Zahlungsmittel für 340 Millionen Europäer in 19 Staaten. International ist der Euro nach dem US-Dollar die zweitwichtigste Handels- und Reservewährung. Doch mit der Corona-Pandemie gerät die Gemeinschaftswährung erheblich unter Druck. Der monatelange wirtschaftliche Stillstand entfacht einen Streit der EU-Länder darüber, wer die Kosten der hohen Staatsverschuldungen und politischen Entscheidungen tragen soll. Die Frage nach dem richtigen Maße der Solidarität wird aufgeworfen. Die größten Volkswirtschaften der EU prallen vor allem bei drei Themen aneinander: Eurobonds, EZB-Maßnahmen und Direkthilfen.

Taumelnde EU-Wirtschaft

An Breite und Tiefe wird die aktuelle Krise die Schuldenkrise der Jahre 2010 bis 2013 bei weitem in den Schatten stellen. Die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, spricht gar von einer wirtschaftlichen Rezession, wie es sie in Friedenszeiten noch nicht gegeben hat. Für den Euroraum erwartet die EZB (Stand: 13. Juni 2020) einen Absturz der Wirtschaftsleistung von bis zu 12,6 Prozent. Auf die Konsequenzen (unter anderem Nachfrageschocks, Insolvenzlawinen und Massenarbeitslosigkeit) reagieren EZB und Zentralbanken mit dem Aufkauf weiterer Staatsanleihen in Billionenhöhe.

Neues Geld soll so über die Verteilmechanismen der jeweiligen Staaten in die Wirtschaft und zu den Konsumenten gelangen. Die Auswirkungen auf den Euro, der in den EU-Verträgen als zentrales Bindemittel der europäischen Integration mit besonderer Bedeutung ausgestattet wurde, sind immens. EZB und Europäische Kommission, denen eigentlich die Rolle als Wächter über Wert- und Preisstabilität des Euros zukommt, weiten ihre Aufgaben angesichts der Wucht der Ereignisse signifikant aus.

Bruch mit der bisherigen Politik

Ende April dann der endgültige Bruch: Erstens fiel jede Grenze, als die EZB ankündigte, ihr Pandemie-Kaufprogramm bei Bedarf grenzenlos ausweiten zu wollen. Zweitens sollen die Aufkäufe der EZB den Euro-Staaten nicht mehr gleichmäßig entlang des Aufteilungsschlüssels (der sich an der Größe der Länder orientiert) zugutekommen. Heißt: Die EZB wird bei der Verteilung des Kaufprogramms für notleidende Staatskredite einigen Ländern deutlich mehr geben als anderen.

Italien befindet sich bei den Empfängern in der ersten Reihe. Das Land steht finanzpolitisch bereits seit einigen Jahren mit dem Rücken zur Wand. Aktuell plant Italien neue Staatsschulden von bis zu 300 Milliarden Euro, zusätzlich zu den bereits vorhandenen 2,43 Billionen an Staatsschulden.

Die Schuldenquote, also das Verhältnis der Schulden zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), könnte in diesem Jahr von circa 135 auf rund 155 Prozent ansteigen, so der IWF. Laut italienischer Zentralbank wird die italienische Wirtschaft in diesem Jahr zudem um bis zu 13,1 Prozent schrumpfen. Die Aussichten für Italien sind alles andere als gut. Die Renditen italienischer Staatsanleihen sind deshalb trotz der massiven EZB Intervention stark gestiegen. Der Spread zu deutschen zehnjährigen Staatsanleihen lag Mitte Juni bei 1,86 Prozent. Der FTSE MIB, der italienische Leitindex, hat allein seit Februar um 20 Prozent nachgegeben. Investoren – mit Ausnahme der EZB – verlassen Italien.

Sorgen um Italien und Spanien

Nur durch das kontinuierliche Eingreifen der EZB, welche die Zinsen seit der Finanzkrise künstlich niedrig hält, konnte Italien in den letzten Jahren finanzpolitisch überleben. Nun kann vermutlich nur das Eingreifen von EZB und der EU einen italienischen Staatsbankrott verhindern. Doch wie viel soll das kosten? Neben Italien benötigt auch Spanien Hilfen, um eine Staatspleite abzuwenden. Beide Länder haben sich für einen sehr harten Lockdown mit strikten Ausgangssperren entschieden. Unzählige Produktionsstätten wurden stillgelegt. Liquiditätsnot, Arbeitslosigkeit und Armut prägen derzeit die wirtschaftliche Malaise. Gefallen lassen müssen sich diese Regierungen die Frage, inwieweit Geldgeschenke und billige Kredite nachhaltig etwas ändern werden, die Förderungen bei den sozial Schwachen überhaupt ankommen und ob Unternehmer über die EU-Hilfen Zugriff auf Bankkredite erhalten.

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