Verkehrte (Finanz)Welt

Die USA – ein Emerging Market?

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Frappierende Parallelen

6. Notenbank finanziert staatlichen Schuldenberg mit
Wo die Steuereinnahmen nicht mehr ausreichen, werden Haushaltsdefizite großenteils durch die Aufnahme neuer Schulden, also durch die Ausgabe von Staatsanleihen, finanziert. Auch Importzölle sind in Emerging Markets ein beliebtes Mittel, um die Staatskasse aufzubessern.

Die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) kauft im Zuge ihrer Quantitativen Lockerungsprogramme auch US-Staatsanleihen an. So verfünffachte die Fed ihren Bestand an Staatsanleihen von 2008-2017 auf einen Wert von rund 2,5 Billionen US-Dollar. Das entspricht mehr als zwölf Prozent des staatlichen Schuldenbergs. Nach einer Pause wurde das Kaufprogramm im September 2019 wiederaufgenommen.

7. US-Geldpolitik von China (mit-)beeinflusst
Viele Marktbeobachter waren überrascht, dass die Fed 2019 eine Kehrtwende in ihrem geldpolitischen Straffungskurs vollzog. Obwohl die US-Konjunkturdaten weiterhin ein rosiges Bild zeigten, senkte die Fed den Leitzins wieder. Zuletzt erst am vergangenen Dienstag.

Nicht ganz so überraschend wirkt dieser Umschwung jedoch vor dem Hintergrund, dass die US-Notenbank ihre Geldpolitik an den US-Inflationserwartungen ausrichtet. Diese werden wiederum nicht nur von der US-Konjunktur bestimmt, sondern scheinen auch stark mit der deflationären Entwicklung in der chinesischen Industrie zu korrelieren. Beim Blick auf den Warenkorb, der zur Berechnung der US-Kerninflation herangezogen wird, tritt der Zusammenhang zutage: 20 Prozent der Güter dieses Warenkorbs sind chinesische Importe. Was in China geschieht – und aktuell ist der dortige Markt schwach –, bleibt also nicht auf China beschränkt.

8. Preisdruck und Dollar-Schwäche
Trotz des deflationären Einflusses aus China stieg die US-Kerninflationsrate im Sommer 2019 auf 2,4 Prozent - ein Höchststand in den vergangenen zehn Jahren. Aktuell beträgt die Rate 2,3 Prozent.

Der US-Dollar erstarkte in den letzten Jahren gegenüber vielen Währungen, vor allem gegenüber dem Euro. Beim Vergleich des US-Dollars mit realen Werten, beispielsweise Gold, zeigte sich jedoch ein anderes Bild: Gold legte in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich um jährlich gut fünf Prozent gegenüber dem US-Dollar zu.

9. Präsidenten-Tweets bewegen Finanzmärkte
Analysten mehrerer großer amerikanischer Banken haben im vergangenen Jahr versucht, den Effekt von Präsident Trumps Twitter-Nachrichten auf die US-Aktien- und Rentenmärkte zu quantifizieren. Tatsache ist, dass Tweets aus dem Weißen Haus die Macht haben, die US-Finanzmärkte zu bewegen. Ein Schelm, der denkt, dass nur Finanzmärkte in Emerging Markets anfällig für politische Beeinflussung sind.

Die USA mögen kein Emerging Market im klassischen Sinne sein, aber es bestehen doch frappierende Parallelen, auch über das hohe Wirtschaftswachstum hinaus.

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