Verkehrte Finanzwelt

Aktien von Krisenunternehmen: Vorsicht vor dem Sekunden-Tod!

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Frühwarnsystem für Aktienanleger

Trotz der regelmäßigen Bekanntschaft mit dem Erst-schleichend-dann-plötzlich-Muster werden Aktieninvestoren jedoch immer wieder vom Sudden Death ihre Anlageunternehmen auf dem falschen Fuß erwischt. Und dafür gibt es gute Gründe. Zu erkennen, wo denn dieser Point-of-no-Return genau liegt, ist nicht so einfach. Allerdings ist es auch nicht so, dass man als Aktienanalyst überhaupt keine Werkzeuge zur Hand hätte, um das Risiko des Sekundentods besser einzuschätzen. Ein paar Ansätze sind nachfolgend dargestellt:

1. Adverse Kundenreaktionen sind insbesondere dann zu erwarten und mit dem Risiko eines negativen Dominoeffekts verknüpft, wenn das Kunde-Unternehmens-Verhältnis über einen längeren Zeitraum nur über den einfachen Kaufvorgang hinweg besteht. Dies ist tendenziell bei Gebrauchsgütern (wie im Fall von Manroland), bei Dienstleistungen mit ‚Lock-In-Effekten‘ für den Kunden (also Bindung an den Anbieter, etwa bei Software-Dienstleistungen) oder bei Vorauszahlungs-Geschäftsmodellen (etwa in der Reisebranche) der Fall. Bei klassischen Konsumgütern besteht dieses Risiko üblicherweise in weitaus geringerem Maße. Ganz im Gegenteil: Als der Skiwachs-Hersteller Holmenkol 2012 kurz vor der Insolvenz stand, reagierten die Kunden eher mit Hamsterkäufen. Das Unternehmen sprach danach sogar von einer „kleinen Sonderkonjunktur“.

2. Systematische negative Mitarbeiterreaktionen finden sich häufig in Firmen mit grundsätzlich schlechter Unternehmenskultur. Wo sich bei guter Unternehmenskultur häufig noch eine Musketier-Mentalität im Angesicht der Krise zeigt, suchen in Gesellschaften mit angespannter Stimmung gerade die Schlüsselmitarbeiter schnell das Weite. Ein Blick in die Datenbanken der Arbeitgeberbewertungsportale Kununu oder Glassdoor sollte dem Aktienanalysten hier zumindest in einem ersten Schritt helfen.

3. Sowohl Eigen- wie auch Fremdkapitalgeber reagieren üblicherweise nervöser bei intransparenten, schwer zu verstehenden Geschäftsmodellen. Als das heutige Dax-Unternehmen Wirecard im Jahr 2016 Opfer einer Shortseller-Attacke gepaart mit zahlreichen Anschuldigungen über unlauteres Geschäftsgebaren wurde, da fiel dies auf durchaus fruchtbaren Boden. Denn das Geschäftsmodell des Unternehmens ist nicht einfach zu verstehen und das Management ist bisher auch nicht sonderlich bemüht, den Kapitalgebern die Komplexität verständlicher zu machen. All dies spielte sich zwar weit entfernt von einer Insolvenz ab, aber die Aktienkurse rauschten dennoch erstmal in den Keller.

4. Den plötzlichen Todesstoß können schließlich auch reine Gerüchte bringen (was vermutlich auch im Fall Wirecard eine große Rolle spielte). Das Risiko besteht darin, dass das Unternehmen einfach nicht mehr die Zeit hat, eine falsche Anschuldigung gerade zu rücken – zu schnell bröckeln die Umsätze oder flüchten die Mitarbeiter. Anfälligkeit für Gerüchte ist insbesondere dann gegeben, wenn die Branchensituation per se angespannt ist (und gegebenenfalls ein Konkurrent Interesse an der Ausschaltung hat) und wenn das Management kommunikativ unvorbereitet ist. Letzteres ist in der Realität sehr häufig ein Insolvenzbeschleuniger.

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