Verkehrte (Finanz)welt

Große Renditen durch grüne Investments – ein Trugschluss?

Studien zeigen: Investments nach sozialen und umweltfreundlichen Faktoren erbringen Überrenditen. Ein Staatsfonds musste zuletzt allerdings das Gegenteil erfahren. Ist das Gras der „Green Investments“ doch nicht grüner?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Ist das Gras der „Green Investments“ nun doch nicht grüner? Quelle: Fotolia

Vor wenigen Tagen teilte der norwegische Staatsfonds GPFG, immerhin der weltgrößte seiner Art, mit, dass infolge der Berücksichtigung ethischer Aspekte bei der Aktienauswahl über die letzten elf Jahre 1,1 Prozent Rendite verloren gegangen seien. Bei vielen Fans des nachhaltigen Investierens sorgte diese Nachricht für ein ungläubiges Kopfschütteln. Was hat GPFG denn da gemacht? Zeigen nicht wissenschaftliche Studien, dass verantwortungsvolles investieren, im Fachjargon ESG-Investing (Environmental, Social and Governance) zu Überrenditen führen sollte?

Für diejenigen, die ESG-Analysen dagegen schon immer als softes und insbesondere vorübergehendes Modethema betrachteten, war die Meldung Wasser auf ihre Mühlen: Gutes tun ist das eine, sinnvolles Investieren jedoch etwas ganz anderes, so ihr Mantra.

Prof. Dr. Matthias Meitner, CFA, ist Leiter des Expertennetzwerks „Equity Valuation and Analysis“ der CFA Society Germany, Leiter des Center of Business Values der International School of Management (ISM) sowie Managing Partner von VALUESQUE.

Diese Polarisierung ist kennzeichnend für die aktuelle Wahrnehmung des Themas ESG: Manche Aktieninvestoren lieben ESG-Faktoren. Andere halten sie für überflüssig.  Eine differenzierte Haltung findet sich allerdings nur selten. Höchste Zeit, unsere Vorstellung von ESG zu professionalisieren.

Fifty Shades of Green: Welches ESG hätten Sie denn gerne?

Ausgangspunkt für eine genauere Analyse sollte sein, dass Projekte zwei unterschiedliche Renditen aufweisen: Zum einen die bekannte finanzielle Rendite und zum anderen die ökologisch-soziale, also die E+S-Rendite. Letztere zeigt an, wie sich der Zustand unserer Welt entwickelt. Die E+S-Rendite kann positiv (bspw. Verbesserung von Lebensbedingungen) oder negativ (bspw. Luftverschmutzung) sein. Bis hierhin gibt es weitgehenden Konsens unter den Marktteilnehmern.

Über die Kolumne

Zwischen den Renditearten gibt es nun aber unterschiedliche Zusammenspiele. Sie können in die gleiche Richtung zeigen, wie bspw. bei profitablen Aufforstungsprojekten. Sie können konkurrierend sein, wie bspw. die finanziell erfolgreiche Zigarettenfabrik oder Waffenschmiede. Und sie können auch weitgehend unabhängig sein, wenn Investitionsprojekte kaum Auswirkungen auf den Zustand der Welt haben, oder wenn philanthropische Projekte kaum finanzielle Rückflüsse generieren.

Die Renditen können zudem kausal zusammenhängen, wie bspw. Fair Trade-Kaffeeanbieter, die gerade wegen ihres fairen Produkts so erfolgreich sind. Sie können aber auch ohne direkte Verbindung bleiben. Schnell zeigt sich jedoch, dass gerade diese differenzierenden Detailbetrachtungen von den unterschiedlichen Lagern nur noch selten wahrgenommen werden.

Grüne Asset Manager-Typen

Erschwerend hinzu kommt, dass sich in dem Schatten der Polarisierung auf Ebene der Assets eine Reihe unterschiedlicher ESG-Ansätze, sprich: unterschiedlicher Grünschattierungen, herausgebildet hat. Auf folgende Asset Manager-Typen sollte man beim Thema ESG besonders achten:

Die finanziell sinnvollen Ansätze

- Die Jägergrünen: Diese Asset Manager sind auf der Jagd nach finanziellem Erfolg. Ihnen geht es um eine optimale Positionierung zwischen Rendite und Risiko. ESG-Aspekte sind nur insoweit wichtig, als sie zu finanziellen Wertänderungen führen. Ein durchaus zynischer, gegebenenfalls aber rentabler Ansatz.

- Die Geldscheingrünen: Diesen Asset Managern geht es um die Verbindung von finanzieller und E+S-Rendite. Hier gibt es unterschiedliche Abstufungen, wobei als Mindestanforderung steht, finanzielle Rendite ohne ökologischen und sozialen Schaden zu erzielen. Weiter oben in der Hierarchie werden dann auch konkret positive E+S-Wirkungen unterstützt.

- Die Smaragdgrünen: Die Königsdisziplin wertebasierten Investierens: Impact Investing! Hier geht es um eine hohe E+S-Rendite, aus der dann „kausal“ eine hohe finanzielle Rendite folgt: Gutes generiert Geld! Steckt allerdings noch in den Kinderschuhen.

Die finanziell weniger sinnvollen Ansätze

- Die Tarngrünen: Hier wird der Eindruck nach außen vermittelt, dass das große ESG- Besteck eingesetzt würde. Da es aber an Ernsthaftigkeit oder (nicht selten) an den notwendigen Investmentfähigkeiten mangelt, bleibt bei genauer Betrachtung oft nicht viel Grünes übrig.

- Die Giftgrünen: Ein Klassiker! Eine plakative Dampfhammer-Technik, die ohne großen Analyseaufwand zu bewerkstelligen ist: Unternehmen, die bestimmte Kriterien nicht erfüllen, landen auf der Giftliste und gelten als nicht investierbar. Hier wird üblicherweise viel Potenzial in finanzieller wie in E+S-Sicht verschenkt.

- Die Photosynthese-Grünen: Hier steht die positive Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft im Vordergrund. Das Prinzip: Durch Geldanlage der Welt Gutes tun. Aus E+S-Sicht absolut positiv, die finanzielle Rendite bleibt meist auf der Strecke.

Die Baumgrenze erkennen

Welche Schlüsse sollten wir daraus ziehen? Die Gesellschaft ist in den letzten Jahren wesentlich empfänglicher für soziale und ökologische Wirkungen von Geldanlage und unternehmerischen Aktivitäten geworden. Auch die Märkte bepreisen ESG-Themen heute wesentlich effizienter als noch vor einigen Jahren. Und in der jüngst vom CFA Institute veröffentlichten Studie „Future of the Investment Profession“ wird Purposeful Capitalism – ein sinnhafter Kapitalismus – als eines der Kernthemen der nächsten Jahre für die Finanzbranche identifiziert.

Das sind alles sehr positive Nachrichten. Aber mit ansteigender Zuwendung zu diesem Thema, nimmt auch das Risiko für Enttäuschungen zu. Daher sollte die Investmentbranche das aktuelle Momentum nutzen, um nach der Anfangseuphorie mal aufzuräumen. Es gilt, klar und emotionslos die aktuellen Möglichkeiten und Grenzen von ESG-Investing zu identifizieren und auch Privatanleger zu befähigen, diese leichter zu erkennen. Nur so kann die nächste Stufe der Evolution dieses essentiellen Investment-Themas ohne größere Verwerfungen erreicht werden. Der Geldbeutel, aber insbesondere unsere Gesellschaft wird es danken.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%